Nochmal zurück zu den Zinssorgen. Zu den Auswirkungen höherer Zinsen hatte ich hier gestern ja länger geschrieben. Eine weitere wichtige Frage ist jedoch, ob es in Europa überhaupt zu einer erheblichen Erhöhung der Zinsen kommt.
Der Markt spielt momentan folgende Story: Trump setzt auf eine starke fiskalische Expansion. Daraufhin wächst die US-Wirtschaft. Da man schon jetzt nahe Vollbeschäftigung ist, werden die Infrastrukturprogramme primär zu starken Lohnsteigerungen führen (z.B. im Baugewerbe). Höhere Löhne plus stärkerer Output führt dann zu Inflation. Infolgedessen ist die Fed gezwungen, die Zinsen stark zu erhöhen. Dies wiederum sorgt dafür, dass europäisches Kapital in die USA abfließt, um von der Zinsdivergenz zu profitieren. Daraufhin wertet der Dollar auf und auch Europa muss die Zinsen erhöhen, weil es sonst einen Angebotsüberhang bei festverzinslichen Anleihen gäbe. Die notwendige EZB Zinserhöhung führt dann zu höheren Bauzinsen, insbesondere am langen Ende.
So ist in etwa die Kausalkette, die gerade am Markt gespielt wird. Folge: Die Immobilienwerte haben teilweise 1/3 oder mehr verloren. Ich finde diese Story zwar nett, aber letztlich nicht voll überzeugend. Dass es in den USA deutlich höhere Zinsen geben wird, finde ich nachvollziehbar. Der erste Teil der Story ist in meinen Augen korrekt. Aber das Überschwappen nach Europa ist in meinen Augen nicht vollkommen offensichtlich.
Denn schließlich hatten wir bei Staatsanleihen zuletzt nicht ein Nachfrageproblem, sondern eher ein Angebotsproblem: es gab kaum noch deutsche Staatsanleihen, die die Minimalkriterien der EZB für die Anleihenkäufe erfüllten. Wenn jetzt die Yields etwas hochgehen, so dürfte das der EZB nur recht sein. Ein wirklich starkes Ansteigen der Zinsen dürfte in Europa unmöglich sein, solange die EZB ihr Quantitative Easing weiterführt.
Und ich sehe momentan nicht, warum sie aufhören sollten damit:
- Das Ansteigen der US-Zinsen führt gerade zu einem Anstieg des Dollars, was für die Wettbewerbsfähigkeit der Eurozone perfekt ist => kein Grund etwas zu ändern
- Die Inflationsrate in der Eurozone ist nach wie vor viel zu niedrig, obwohl die Energiepreise angezogen haben => kein Grund etwas zu ändern
- Das Wachstum ist moderat und nicht überhitzt (zumindest außerhalb Deutschlands) => kein Grund etwas zu ändern
- Die Südeuropäer bekommen ihren Haushalt selbst mit den momentan niedrigen Zinsen kaum bezahlt, so dass eine Zinserhöhung schnell eine fiskalische Krise im Süden auslösen würde => kein Grund etwas zu ändern
Nun muss man natürlich fairerweise sagen, dass diese Zusammenhänge sehr komplex sind und man sich da schnell irren kann, weil man einen von vielen Faktor übersieht. Aber angesichts der obigen Ausgangssituation ist für mich zumindest nicht offensichtlich, dass die EZB groß einen Anreiz hat, irgendetwas zu ändern.
Wenn man in Europa munter weiter Staatsanleihen per Quantitative Easing kauft, dürfte das die Auswirkungen der Zinserhöhung in den USA auf die europäischen Zinsen zumindest etwas abfedern. Vielleicht wird es schwerer für Unternehmensanleihen, niedrige Zinssätze zu bekommen. Aber die Refinanzierungskosten der Banken bei der EZB würden bei niedrigem Zentralbankzins weiterhin niedrig bleiben. Oder übersehen ich da etwas? |