Deine Interpretation des Interviewabbruches von Zipras als peinliche Berührtheit oder gar als Reue finde ich nun allerdings reichlich naiv.
Warum kann er dann nicht etwas sagen, das man als Entschuldigung auslegen könnte oder sich zumindest ausdrücklich davon distanzieren und danach etwa darauf hinweisen, keine weiteren Fragen zu diesem Thema mehr zu beantworten und das Interview abzubrechen, wenn es weiter in diese Richtung geht, zu der er sich dann ja nun hinreichend geäußert hätte.
Er hätte von einer bedauerlichen emotionalen Überreaktion in der Bevölkerung sprechen können. Von einem satirischen Missgriff, den er heute bedauert, dass er heute einiges in einem etwas anderen Licht betrachtet, oder einfach nur ein paar freundliche Worte für Deutschland finden können, auch dies hätte ja schon gereicht, um durch die Blume so etwas wie eine Entschuldigung zu erblicken.
Es kam aber gar nichts in dieser Richtung!
Vermutlich hätte er Schwierigkeiten, solche Äußerungen vor seinen eigenen Leuten und seiner Wählerklientel zu rechtfertigen. Er möchte diesen Kurs unter Umständen vielleicht sogar innenpolitisch weiterfahren und uns weiterhin für alles die Schuld in die Schuhe schieben.
Eine öffentliche Bekräftigung seiner bisherigen Haltung - noch dazu gegenüber einer deutschen Tageszeitung - könnte er allerdings den anderen europäischen Ländern gegenüber schlecht vermitteln, mit denen ja noch über weitere Rettungspakete und Schuldenschnitte verhandelt werden soll.
Er weiß mit Sicherheit, dass er sich da übelster und völlig inakzeptabler Polemik bedient hat und möchte seine Rolle wohl nicht überstrapazieren. Das würde ich allerdings keinesfalls als Reue interpretieren, sondern als den strategischen Opportunismus, zu solchen Dingen nach außen hin keine Kommentare abzugeben, was mir eher unsympatisch ist.
Wer sich solch einer unsäglichen Polemik bedient, dem ist es schlichtweg völlig gleichgültig, dass es sich um eine unsägliche Polemik handelt. Dass es sich um eine solche handelt, muss ihm zum Zeitpunkt der Äußerung gleichermaßen klar gewesen sein wie heute. Für einen Irrtum den man heute bedauert ist da eigentlich wenig Raum. Die Sache wurde damals geradezu inststrumentalisiert. Soetwas geschieht nicht im Irrtum oder ausversehen.
Die Empörtheit über die Frechheit des Interviewers wird hier nur als Aufhänger benutzt, das unangenehme Interview abzubrechen. Gegenüber dem Ausland kann er sich dahinter verstecken und innenpolitisch kann er sich zugleich als starken Mann inszenieren, der sich keine Frechheiten bieten lässt.
Die Fragen finde ich dabei durchaus berechtigt. Wer sich in so einer Weise verhält muss damit rechnen, auch darauf angesprochen und um Stellungnahme gebeten zu werden. Die Frechheit liegt doch bei demjenigen, der so ein Verhalten an den Tag legt, und nicht bei demjenigen, der dieses anspricht. Man kann sich bei der Ansprache natürlich seinerseits ebenfalls im Ton und in den Formulierungen vergreifen. Dass so etwas stattgefunden hätte, wird aus dem Interview allerdings nicht ersichtlich.
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