Nachrichtendetail 04.05.2012 10:20:06 - WSJ: Griechenland droht die Neuwahl nach der Wahl
§ Von Alkman Granitsas und Costas Paris THE WALL STREET JOURNAL
ATHEN (Dow Jones)--Die Parlamentswahl am Sonntag dürfte in Griechenland zu derart instabilen Verhältnissen führen, dass Politiker der beiden größten Parteien im Land bereits mit Neuwahlen in nur wenigen Monaten rechnen. Eine solche Entwicklung wiederum könnte den jüngsten Rettungsschirm der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Griechenland in Frage stellen und die Finanzkrise in der Eurozone noch einmal deutlich verschärfen.
Griechische Wähler sind wütend und dürften den Kandidaten der beiden wichtigsten Parteien im Land an diesem Wochenende einen Denkzettel verpassen für eine Politik, die sie für den wirtschaftlichen Zusammenbruch ihrer Nation verantwortlich machen. Eine Regierung aus Konservativen und Sozialisten könnte am Ende herauskommen. Schon jetzt aber gestehen Parteiobere beider Seiten hinter vorgehaltener Hand, dass eine große Koalition wohl nur von kurzer Dauer wäre - und die Griechen bald noch einmal zur Wahlurne müssten.
Im Herbst, möglicherweise sogar schon im Juni, könnte es in Griechenland zu Neuwahlen kommen, heißt es aus beiden Lagern.
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Bisher hatten sich die beiden größten politischen Kräfte im Land, die konservative Nea Dimokratia und die sozialistische Pasok, stets auf der Regierungsbank abgewechselt. Diesmal aber dürfte in Griechenland maximal eine Koalition beider Parteien die erforderliche Mehrheit in dem 300 Abgeordneten umfassenden Parlament schaffen. Protestparteien im extrem rechten und extrem linken Spektrum boomen und werden in erheblichem Maße Stimmen auf sich vereinigen.
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass das künftige Parlament wohl das zersplittertste seit dem Fall der Militärdiktatur im Jahr 1974 sein wird. Zehn Parteien liegen Umfragen zufolge diesmal über der Drei-Prozent-Hürde, die für den Einzug ins Abgeordnetenhaus genommen werden muss.
Wir werden wahrscheinlich eine Koalition aus Nea Dimokratia und Pasok erleben, wenn sie die Sitze zusammenbekommen, was sie vielleicht gar nicht schaffen", sagt David Lea, Analyst der Risikoberatung Control Risks in London. Ungeachtet des Wahlergebnisses seien Neuwahlen "vor Jahresende absolut möglich".
Sollte der neuen griechischen Regierung die Entschlossenheit fehlen, die vereinbarten schmerzhaften Reformschritte umzusetzen, wäre das milliardenschwere Finanzpaket zur Rettung Griechenlands gefährdet. Im März hatten sich die EU und der IWF mit Athen auf Nothilfen in Höhe von 173 Milliarden Euro geeinigt. Das Geld fließt aber nur, wenn es Griechenland bis Juni gelingt, zusätzlich 11,5 Milliarden Euro einzusparen.
Nach zwei Jahren mit harten Einschnitten ist das keine leichte Aufgabe. In den vergangenen drei Jahren schrumpfte Griechenlands Wirtschaft schon um rund 14 Prozent, und die Arbeitslosigkeit stieg auf 22 Prozent.
Um das vorgegebene Sparziel einzuhalten, müsste die neue griechische Regierung hochgradig unpopuläre Entscheidungen durchsetzen. Sie müsste unprofitable Staatsbetriebe schließen und massenhaft öffentliche Angestellte entlassen, sagen Vertreter des Finanzministeriums. Andernfalls drohen EU und IWF damit, die Finanzhilfen auszusetzen. Das Land würde ins Chaos stürzen. Und das hätte Folgen für ganz Europa. Der Zorn der Menschen über die finanzielle und wirtschaftliche Misere bringt zunehmend Regierungen ins Wanken.
Beobachter erwarten, dass am Sonntag die Nea Dimokratia die meisten Stimmen bekommen wird. Damit könnte Parteichef Antonis Samaras neuer Ministerpräsident in Athen werden. Doch das wird schwierig. Samaras hat bereits erklärt, er werde keine Koalition mit den Sozialisten eingehen, auch wenn er zahlenmäßig dazu gezwungen wäre.
Seine Berater glauben vielmehr, dass die schon jetzt geschwächte Pasok nach der Wahl nicht mehr regierungsfähig sein wird. Entsprechend hohe Siegeschancen malen sich die Konservativen aus, sollte es im Laufe des Jahres zu vorgezogenen Neuwahlen kommen. Ihr Argument: Wenn die Bürger bei der Wahl am Sonntag erst einmal ihren Frust losgeworden sind, werden sie anschließend schnell wieder zu einer stabilen Regierung zurück wollen.
Samaras ist überzeugt, dass er eine nachfolgende Wahl gewinnen kann, wenn er es jetzt nicht schafft", sagt ein Vertreter der Nea Dimokratia. Wenn Samaras schon Anfang Juni bei einer Neuwahl siegen würde - was einige Konservative hoffen - könnte die Partei noch vor Ablauf der IWF-Frist allein die nötigen Reformen im Land anschieben.
Dagegen haben sich auf Seiten der Sozialisten viele mit der politischen Instabilität längst abgefunden. Sie geben Samaras die Schuld, dass eine mögliche große Koalition schon jetzt als kurzlebig gilt: "Samaras will alleine regieren, und wir glauben, dass er auf Neuwahlen pokern wird", sagt ein langjähriger Pasok-Politiker.
Auch öffentlich lässt Samaras keinen Zweifel an seinen Ambitionen. Noch in den letzten Tagen des Wahlkampfs warnte er die Griechen davor, für die Sozialisten zu stimmen. Eine Koalition mit Pasok wäre nicht tragfähig, sagte Samaras. Sie würde ihm bei wichtigen Reformen die Hände binden.
Noch aber scheinen die Wähler seine Appelle zu ignorieren. Umfragen zufolge liefern sich beide Großparteien zurzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen: 22 Prozent der Griechen wollen demnach für die Nea Dimokratia stimmen und 18 Prozent für Pasok.
-Von Alkman Granitsas und Costas Paris, Dow Jones Newswires, |