Nur zur Erinnerung: Schon wenige Wochen nach seiner Amtsübernahme 2017 beschimpfte Trump linke und liberale Medien als Feinde des Volkes, um sie dann mit irren Lügen- und Verschwörungsgeschichten zu überschwemmen. Im pausenlosen diskursiven Kriegszustand sollte die Glaubwürdigkeit der Altmedien so lange perforiert und erschüttert werden, bis kein Leser und keine Zuschauerin mehr glaubte, dass die empirische Welt, auf die sie sich beziehen, überhaupt existiert. Die Wirklichkeit, von der sie berichten, gibt es angeblich gar nicht – sie ist bloß eine Erfindung, bloß die Realität der Medien. "Merkt euch", verkündete Trump im Jahr 2018 vor Kriegsveteranen, "was ihr seht und lest, passiert nicht wirklich. Glaubt einfach uns."
Was wie eine übergeschnappte postmoderne Theorie klang, war nur der erste Streich. Nachdem Trump den common ground der Realität angegriffen und zum Teil zersetzt hatte, startete er sein eigentliches Projekt: die mediale Konstruktion einer zweiten, vom Weißen Haus aus gesteuerten "Wirklichkeit", eines geschlossenen Kosmos über der "großartigsten Nation der Welt" und mitten drin der große Regisseur und Beschützer, der Präsident himself.
So übertrug Trump sein Fernsehhöhlenbewusstsein auf die ganze Gesellschaft – alles, auch die Politik, sollte zur Reality-Show werden (siehe dazu mein heutiges Posting # 033 - A.L:) , zu einem Unterhaltungsspektakel im nationalen Großformat. Jeder und jede, der oder die wollte und zum wahren Volk gehörte, durfte in das Paralleluniversum eintreten; er oder sie wurde allmorgendlich vom Präsidenten per Twitter begrüßt und war nicht länger ein deplorable (wie er oder sie noch von Trumps einstiger Widersacherin Hillary Clinton genannt worden war), ein Bedauernswerter, eine Bedauernswerte, die erst einmal etwas leisten muss, bevor sie als Mensch überhaupt zählt. Trump liebte alle seine Fans, auch jene, die von der Digitalmoderne ausgespuckt worden waren.
Und wer sich seiner Autorität unterwarf, musste nicht mehr alles allein entscheiden und war – wie in einer Sekte – erlöst von den Strapazen der Autonomie. Am Ende, so ging wohl das Kalkül, sollte die Trump-Show den Unterschied von Wahrheit und Lüge, Sein und Schein beseitigen und durch eine postfaktische Wahrheitsanmutung ersetzen, durch eine truthiness, einem Bauchgefühl, einem Für-Wahr-Halten. Hannah Arendt hatte schon recht. "Die idealen Untertanen sind Menschen, für die die Unterscheidung zwischen Fakten und Fiktionen und zwischen wahr und falsch nicht mehr existiert." ...
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