... lässt die Kirche richtigerweise schön brav im Dorf, wie ich meine. Paniker und Hektiker gibt es genügend in diesen Zeiten, nicht nur im BT ... Eigentlich würde dieses Enderlein-Interview viel besser in den BT passen; allerdings wäre es so konträr zum allgemeinen BT-Sentiment, dass es dort entweder ignoriert oder sonstwie außer Sinnweite geworfen würde. XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX Interview: Melanie Ahlemeier Politökonom Enderlein über unberechtigte Inflationängste - und warum die No-bail-out-Klausel Ähnlichkeit mit Zahnpasta hat. Politökonom Henrik Enderlein: "Ich gehöre nicht zu denen, die wegen Inflationsangst nachts aufwachen." Graphik: sueddeutsche.de Henrik Enderlein ist Professor für Politische Ökonomie an der Hertie School of Governance in Berlin. Er studierte in Paris und New York, promovierte am Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung und arbeitete als Ökonom bei der Europäischen Zentralbank, ehe er als Juniorprofessor für Wirtschaftswissenschaften an die Freie Universität Berlin wechselte. sueddeutsche.de: Herr Professor Enderlein, der Euro schwächelt brutal. Folgt daraus Deutschlands Austritt aus dem Euro-Verbund - oder sollte die Gemeinschaftswährung gleich ganz abgeschafft werden? Enderlein: Der Euro schwächelt nicht brutal. Er ist nach einer Phase der Stärke jetzt unter Druck geraten. Aber er stand vor genau einem Jahr bei knapp über 1,30 Dollar, und da lag er auch vor ungefähr drei Jahren. Wenn man den Durchschnitt über die vergangenen zehn Jahre nimmt, das ist ein Wert von knapp 1,20 Dollar, dann liegt der Euro heute immer noch höher. ... Niemand sollte jetzt Panik bekommen, dass der Euro sich in Luft auflöst, nur weil die Märkte im Augenblick gegen diese Währung spekulieren. Es ist vollkommen müßig und überflüssig, jetzt über einen Euro-Austritt von Deutschland oder auch von Griechenland zu spekulieren. Ich habe das Gefühl, diese Diskussion wird von Ewiggestrigen angetrieben, die uns sagen: Wir hätten die D-Mark behalten sollen! Das ist unverantwortlich, das führt uns nicht weiter. Man heizt die Krise dadurch an. Wir müssen daran arbeiten, den Euro-Raum zu einem wirklichen Wirtschafts- und Währungsraum zu machen. Man darf nicht vergessen: Deutschland profitiert immens vom Euro und der Währungsintegration. Das sollte man nicht alles innerhalb kürzester Zeit aufs Spiel setzen. .... Die jetzt mobilisierten 750 Milliarden Euro werden von den Finanzmärkten nicht als etwas Kleines abgetan. Das ist schon eine massive Summe. Spekulanten fragen sich: Können wir das durchhalten? Die Kombination aus dem fast unbegrenzten fiskalischen Arsenal plus die Kraft der Europäischen Zentralbank ist beeindruckend. Das schreckt die Märkte ab. ... Wir müssen keine Inflationsangst haben. Die Interventionen werden "sterilisiert" durchgeführt, weil gleichzeitig Geldmenge abgezogen wird. Für einen kurzen Zeitraum ist das legitim, die Architektur des Euroraumes wurde nicht in ein Ungleichgewicht gebracht. Es ist ein guter und akzeptabler Prozess. ... Wir entfernen uns auch stetig von einem Deflationsrisiko. Das ist gut so. Es kann natürlich sein, dass der Preisdruck in den nächsten Jahren zunimmt, aber das wäre eine Entwicklung, bei der wir wissen, welche Instrumente wir einsetzen müssen. Wir können Inflation bekämpfen, bei Deflation wird das schwieriger. ... Die No-bail-out-Klausel war sehr wichtig. Ich sehe mit Sorge, dass die ganze Logik, die im Maastricht-Vertrag verankert war, jetzt mit einem Schlag über Bord geschmissen wurde. Aber es gab keine Alternative. Das griechische Problem wurde zu lange nicht ernst genug genommen. Als das Problem Athen dann vor einigen Monaten konkret wurde, war die Europäische Union viel zu passiv. Die Krise wurde von den Regierungen der Mitgliedsländer heraufbeschworen, teilweise wurde sogar noch Öl ins Feuer gegossen. ... sueddeutsche.de: Erleben wir derzeit eine Euro-Krise - oder steckt nicht vielmehr Europa in der Krise? Enderlein: Wir haben eine Euro-Krise und deshalb eine Krise der Europäischen Union. Der Euro ist ein ganz zentraler Bestandteil dessen, was in Europa in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut worden ist. Wenn uns der Euro um die Ohren fliegt, dann steht es sehr schlecht um das europäische Projekt. Wir brauchen eine viel stärkere europäische Führungskultur in den Regierungen der Mitgliedsländer. Wir brauchen endlich wieder Europäer, die dieses Projekt nach vorne treiben. Da muss man auch direkt auf die Bundesregierung zeigen. Was dort in den vergangenen Jahren an europapolitischen Ideen entstanden ist, ist sehr, sehr dünn. Ich wünsche mir ein viel stärkeres Engagement der Europäer, so wie wir es von Helmut Kohl und Gerhard Schröder gesehen haben. Wir haben, trotz Skepsis, die Währungsunion geschaffen - heute kann man nicht einfach wieder den Rückwärtsgang einlegen. Die Bundesregierung ist in der Bringschuld, das europäische Projekt weiterzutragen. Quelle: http://www.sueddeutsche.de/,tt3m1/wirtschaft/952/511064/text/ ----------- Warren Buffet: You don t know who is swimming naked until the tide goes out. |