... zum Thema Kredit:
Kredit macht in meinen Augen dann Sinn, wenn man (i) zuversichtlich ist, den Markt über kurz oder lang regelmäßig zu schlagen (und dies in der Vergangenheit auch so der Fall war), (ii) man zuversichtlich ist, dass man den Kredit nicht kurzfristig bedienen zu müssen.
Ich bin im Normalfall fast voll investiert (außer in Zeiten von sehr hohen Bewertungen, wo ich es schwierig finde, Einzeltitel zu finden). Das verhindert es allerdings ohne Kredit, bei vorübergehenden Panikphasen wie letzten Oktober die Investitionsquote hochzufahren. Ich nutze die Kreditlinie daher in solchen Zeiten wie letzten Oktober um die Investitionsquote von 100% auf maximal 120% oder so hochzufahren. Wenn die Bewertungen dann wieder normaler werden, baue ich den Kredit dann aber auch relativ schnell wieder ab um auf den Normalwert von 100% Investitionsquote zu kommen. Sprich: ich nutze den Kredit um temporäre Unterbewertungen des Marktes zu traden, auch wenn ich ansonsten eigentlich primär auf Einzelwertanalyse schaue und nicht auf den Gesamtmarkt.
Das wichtige für mich persönlich ist dabei, dass der Kredit effektiv "permanent capital" ist, so dass ich Phasen von Unterbewertung mit Legerage zur Not auch über lange Zeiträume aussitzen kann. Denn nichts macht mehr Druck als auf Teufel komm raus kurzfristig Kursgewinne erzielen zu müssen. Im schlimmsten Fall muss man dann bei Tiefstständen verkaufen. Daher bleibt der Kredit bei mir immer in einem Rahmen bei dem ich weiß, dass ich das Geld zukünftig durch Sparen von Gehalt auch ohne Kursgewinne wieder reinbekomme oder zumindest, dass der Kredit auch bei Kursverlusten langfristig verfügbar sein wird ohne dass es zu einem Margin Call kommt.
Wenn man vom Börseneinkommen lebt, ist man da natürlich in einer riskanteren Situation, weil man jeden Monat Kapital verzehrt, auch wenn der Markt gerade nicht so will. Ich kann daher sehr gut verstehen, dass katjuscha keinen Kredit aufnimmt, auch wenn es im Erwartungswert wahrscheinlich rentabel wäre. Das Risiko eines GAUs ist einfach zu groß, wenn man von den Aktienerträgen lebt. In dem Fall würde ich meine Investitionsquote im Normalfall sicher auch unter 100% lassen und nur bei extrem günstigen Marktbedingungen auf 100% hochfahren (aber nicht darüber). Das ist halt leider einer der Nachteile davon, wenn man primär von Aktiengewinnen lebt.
Zum Thema Beruf: denke ja schon, dass Börse ein sehr ernstzunehmender und erfüllender Job sein kann. Ist halt leider etwas nervenaufreibend, wenn man keine zweite Einnahmequelle hat. Aber da muss man dann in den Anfangsjahren halt durch. Nachteil ist aus meiner Sicht, dass nur Traden leider etwas unsozial ist, weil man keine Kollegen hat und trotz aller Forumskommunikation letztlich doch sein eigenes Ding fährt. Das hat zwar auch sehr große Vorteile (kein Boss, der einen quält, keine Office-Politik, kein Gestänker von Kunden, keine sinnlosen Conference Calls etc. etc.). Aber andererseits ist man halt auch viel allein mit seinem Kram und kann seine Freude über Erfolge nur mit relativ anonymen Internetbekanntschaften teilen. Warren Buffett hat sich sicher nicht zuletzt deswegen Charlie Munger ins Büro geholt. Gute Returns hätte er sicher auch so geschafft. |