Mischkonzerne Alstom-Aktie: Besser, aber noch nicht wieder da
12. Juli 2005 Gut ins neue Geschäftsjahr ist der französische Mischkonzern Alstom gestartet. Im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2005/06 wurden mit rund 3,56 Milliarden Euro zehn Prozent mehr umgesetzt als im Jahr zuvor. Leicht verbessert zeigte sich auch der Auftragseingang, der in den drei Monaten per Ende Juni um ein Prozent auf 3,98 Milliarden Euro zulegte.
Damit hat der Konzern, der vor zwei Jahren beinahe in Konkurs gegangen wäre, besser abgeschnitten als von Anlaysten erwartet. Diese hatten mit einem Umsatz von 3,47 Milliarden gerechnet. Alstom-Chef Patrick Kron beurteilte den Auftragseingang als „gesund”, er liege im Rahmen der Erwartungen für das laufende Jahr.
Der Auftragsbestand liegt bei 28 Milliarden Euro und entspricht damit etwa dem Umsatz von zwei Geschäftsjahren. Damit zeigt der Trend nach dem Einbruch der Aufträge in den Jahren 2003 und 2004 um jeweils 15 Prozent wieder nach oben.
Prognose bestätigt
Besonders stark zeigte sich das Unternehmen in Lateinamerika, wo man einen Zuwachs von 78 Prozent auf 187 Millionen Euro verbuchen konnte. In der Region Asien/Pazifik, in der Alstom etwa 40 Prozent der Umsätze macht, kletterte er um 80 Prozent auf 1,49 Milliarden Euro. Im europäischen Markt, wo Alstom rund die Hälfte des Umsatzes generiert, legten die Umsätze dagegen lediglich ein Prozent auf 1,71 Milliarden Euro zu.
Für das laufende Geschäftsjahr bestätigte Alstom die Prognose, in diesem Jahr wieder einen Betriebsgewinn mit einer Marge von sechs Prozent zu erwirtschaften. 2004 hatte die Marge nach dem Verlustjahr 2003 1,8 Prozent betragen. Das Konzernergebnis blieb aber mit einem Verlust von 1,8 Milliarden nach Verlusten von 1,4 Milliarden im Jahr davor und 139 Millionen im Jahr 2002 tiefrot.
Lange Altlasten-Geschichte
Trotz dieser Verbesserung muß man beachten, daß die Bäume bei Alstom nicht in den Himmel wachsen. Schon vor dem Beinahe-Konkurs im Jahr 2003 hatte sich das Unternehmen negativ entwickelt.
Bereits im Geschäftsjahr 2001/2002 hatten die Umsätze knapp viereinhalb Prozent nachgegeben und war das Ergebnis ins Minus gerutscht. Dabei belasteten bereits die technischen Probleme mit den Groß-Turbinen, die den Konzern durch Kosten in Höhe von vier Milliarden Euro für Reparaturen und Gewährleistungen fast in die Tiefge gerissen hätten.
Aber auch das Management unter dem damaligen Unternehmenschef Pierre Bilger räumte Fehler ein: Auf das veränderte regulatorische Umfeld im britischen Eisenbahnwesen sei zu spät reagiert worden. Zum dritten riß der Konkurs des Kreuzfahrt-Unternehmens Renaissance Cruises, das acht Schiffe erhalten hatte, ein Loch in die Bilanz.
Noch nicht ausgestanden
Seitdem hat sich bei Alstom viel getan. Mehrere Unternehmensbereiche wurden verkauft, über 11.000 Beschäftigte entlassen, umgeschuldet und das Kapital erhöht - nicht zuletzt im Zuge der viel kritisierten Rettungsaktion des französischen Staates, der dadurch mit 21,14 Prozent größter Aktionär wurde - nachdem das Unternehmen erst wenige Jahre zuvor privatisiert worden war.
Altlasten gibt es indes noch genug. Der größte Teil der Turbinenprobleme ist ausgestanden, die Klagen größtenteils beigelegt. Indes werden Nachbesserungsarbeiten auch in den kommenden drei Jahren den Cash-Flow noch mit rund 380 Millionen Euro belasten, davon 200 Millionen Euro im laufenden Geschäftsjahr. Einige Unternehmensbereiche sollen noch verkauft werden, um den Bestand an liquiden Mitteln zu verbessern und Auflagen der EU-Kommission gerecht zu werden.
Insofern ist Alstom auch noch nicht völlig aus dem Schneider. Noch im vergangenen Geschäftsjahr ging der Verzehr an liquiden Mitteln weiter, wenn auch in deutlich verringertem Umfang. Einem Umlaufvermögen von 7,87 Milliarden Euro standen zum Stichtag 31. März 9,39 Milliarden an kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenüber, davon über drei Milliarden an Risikorückstellungen und 2,9 Milliarden an Finanzschulden. Damit steht die Bilanz allerdings um einiges besser da als in den Jahren zuvor.
Optimistisch bewertet
Vorsichtig sind auch die Analysten. So wird Alstomchef Kron zwar gute Arbeit bescheinigt, doch die Schätzungen sind mit Gewinnen pro Aktie von drei bis 8,5 Cents recht zurückhaltend. Auch der Markt gibt sich eher unentschieden. Nachdem die Aktie am Morgen noch mit einem Aufschlag von zwei Prozent startete, rutschte sie acht Prozent ins Minus um aktuell mit einem Abschlag von 3,4 Prozent bei 85 Cents zu notieren. Die Tage als Pennystock sollen übrigens bald gezählt sein. Auf der Hauptversammlung soll eine Verschmelzung der Aktien im Verhältnis 40:1 beschlossen werden.
Auf Basis der Schätzungen ist Alstom derzeit mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 19 bewertet. Rolls-Royce, die gleichfalls Turbinen bauen, sind mit weniger als 16 um einiges günstiger, auch Siemens notiert mit einem KGV von über 17 immer noch etwas preiswerter. Beide Unternehmen haben aber eine solidere Unternehmensgeschichte, so daß Alstom eher einen Ab- als einen Aufschlag verdient hätte.
Denn die Richtung bei Alstom ist zwar richtig, allein es fehlt das zündende Element, das bewiese, daß der Konzern vom Wundenlecken wieder zum Angriff übergehen kann. Die Tatsache, daß die Reaktion auf die Quartalsergebnisse sogar eher negativ ausfällt, wohingegen die französische Börse an sich im Plus liegt, spricht eher dafür, daß der Aufwärtsbewegung, die die Aktie während der vergangenen zwölf Monate von 32 auf ein Jahreshoch von 89 Cents im Vorfeld der heutigen Unternehmenszahlen führte, die Luft ausgeht. Zumal nahezu alle Analysten-Kursziele erreicht worden sind. Insofern hat es durchaus wohl ein wenig Zeit, sich mit der Alstom-Aktie näher zu befassen. |