Die Postmoderne wollte über ihre originäre Dekonstruktion der objektiven Wirklichkeit der Wahrheitsfindung näherkommen. Die Definition von Wahrheit und Wirklichkeit sollte nicht mehr individuellen, menschlichen Qualifikationen wie Vernunft und Beobachtung (Empirie) überlassen werden. An deren Stelle sollte vielmehr eine Vielzahl unterschiedlicher Sichten rücken, um den individuellen Bias in der Beurteilung von Wahrheit auszuschließen. Maßgeblichen Anteil daran sollte die Sprache haben, der die absolute Wahrheit beigemessen wurde. Im Wesentlichen ersetzt man damit die aus dem Wettbewerb der Ideen und Gedanken hervorgehende, beste individuelle Interpretation der Wirklichkeit durch einen Massenkompromiss des kleinsten gemeinsamen Nenners. Das verhindert zum Einen das Abdriften in Extreme, zum Anderen aber auch bahnbrechende Erkenntnisse. Zieht man die dem Ansatz zugrundeliegende Motivation, Ideologien zu dekonstruieren, heran, ist das ein durchaus akzeptabler Ansatz. Wenn aber Vernunft und Empirie keine Kriterien mehr für die Beurteilung der Wahrheit sind, ist theoretisch der Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet. Die Postmoderne hält dieser Kritik die Redlichkeit der Akteure entgegen. Die Redlichkeit des Beurteilenden stellt sich so dar, dass er seine Sicht der Wirklichkeit durch Fußnoten zu seinen getroffenen Annahmen und Bedingungen beschreibt. Und genau hier kommt die Beliebigkeit ins Spiel. Denn erstens befindet sich die Wahrheit damit tatsächlich in den Fußnoten, womit nur Experten die Sinnhaftigkeit beurteilen können. Zweitens fließen offensichtlich unrealistische Annahmen genauso in die Bewertung ein wie realistische. Das führt im besten Fall (einer kompletten Unabhängigkeit zwischen den Beurteilenden) zu einer Vielzahl an Sichten, erzeugt durch unterschiedliche Annahmen. Das ist an und für sich ein guter Ansatz, individuelle Eigenschaften wie Vernunft und Können in statistische Schranken zu weisen und zu objektivieren. Im schlechtesten Fall (komplette Abhängigkeit zwischen den Beurteilenden) geht dem Ansatz die Statistik Flöten. Sie wird stattdessen durch einen noch stärkeren Bias des Ergebnisses ersetzt, als das die wettbewerbsorientierte individuelle Beurteilung je erzeugen könnte, weil die Macht der Masse hinter ihr steht. Das heißt, dass man mit der Auswahl der Beurteilenden automatisch den Grad der Objektivität des Ergebnisses festlegt. Eine weite Streuung mit vollständiger Unabhängigkeit zwischen den Schiedsrichtern garantiert maximale Objektivität, eine zufällige oder bewusste Konzentration mit fundamentalen Abhängigkeiten erzeugt einen Konsens zu einer beliebigen Scheinrealität. Das bedeutet wiederum, dass sich derjenige, der die Auswahl der Gutachter bestimmt, über die postmodernen Wahrheitsfindungsmechanismen seine ganz eigene Scheinrealität konstruieren kann. Die Frage nach der Redlichkeit der Schiedsrichter wird damit durch die Frage nach der Redlichkeit ihrer Auftraggeber ersetzt. Außerdem offenbart der Prozess einen weiteren systematischen Nachteil der Postmoderne. Indem sie die Interpretation der Wirklichkeit Mehrheiten überlässt, definiert sie Autoritäten, denen der Mainstream blind vertraut. Er muss sich ja nicht mehr um das kritische Hinterfragen kümmern. Schließlich suggeriert der Expertenkonsens die Bestätigung eines bestimmten Faktums. In Wirklichkeit gibt es jedoch nur einen Konsens über eine Beschreibung der Annahmen, unter denen sich eine bestimmte Wirklichkeit manifestiert. So kann beispielsweise der rosa Elefant in der Steppe einheitlich nur mit entsprechenden Sonnenbrillen gesichtet worden sein. Er existiert deshalb natürlich nicht real, aber das blinde Vertrauen erübrigt die Kritik an dieser Scheinwirklichkeit, die damit zur geglaubten Wirklichkeit mutiert. Die Gefahren, die die Postmoderne in ihren Genen trägt, sind damit die Anfälligkeit für Wirklichkeitskonstruktionen über Abhängigkeiten unter den Beurteilenden sowie die Schaffung von Ersatzautoritäten, die sich zudem meist dem Einfluss der Bürger entziehen. Eine potenziell fehlgeleitete Wirklichkeitsdefinition hat damit zwei immanente Konsequenzen. Zunächst wird die Empirie der Masse auf Dauer jedes Konstrukt von Scheinwirklichkeit zum Einsturz bringen, es manifestiert sich einfach nicht. Im Anschluss erzeugt dieser Einsturz einen massiven Vertrauensverlust und eine entsprechend heftige Reaktion nach der Erkenntnis. An dieser Stelle zwei Zitate, das erste von Ayn Rand: „You can ignore reality, but you can’t ignore the consequences of ignoring reality” oder wie Abraham Lincoln schon wusste “You can fool all the people some of the time, and some of the people all the time, but you cannot fool all the people all the time.” Das beste Beispiel ist der IPCC, der von vorne herein als Expertengremium zum anthropogenen Klimawandel angelegt war. IPCC Autoren müssen sogar eine Konformitätserklärung dazu unterzeichnen. Wenn man in diese Wagenburg noch das finanzielle Incentive der Wissenschaftler und die postmoderne Kausalität sperrt, kann es nur ein mögliches Ergebnis von Wahrheit geben. Da dies wissenschaftlich ohne Datenfälschung oft schwer vermittelbar ist, behilft man sich bei der Wahrheitsdefinition einer besonderen Kommunikationsstrategie. Der streng wissenschaftliche Bericht beleuchtet zwar nur einen Ausschnitt und ist in vielen Punkten tendenziell, aber er kann aus einem Lüftchen keinen Sturm machen. Wer aber liest die 1500 Seiten? Also komprimiert man das Ganze in eine Kurzform mit ganz anderen Schwerpunkten und gänzlich anderer Formulierung. Diese hat nun mit der tatsächlichen Realität nicht mehr viel zu tun. Dass diese postmodernen Verzerrungstendenzen immer mit einem identitären Impuls einhergehen, tragen sie in den Genen. Denn zwangsläufig scharen sich aus von der Wahrheit unabhängigen Gründen immer Mehrheiten um ein „Wunschergebnis“, je nachdem wie die Gremien zu ihrer Beurteilung zusammengestellt werden. Gerade, wenn dieses Ergebnis empirisch zweifelhaft ist, wird es eine Opposition dazu geben. Da diese aber in der Minderheit ist, muss man noch nicht einmal auf deren Argumente eingehen, es reicht der Verweis auf die eigene Mehrheit. In hartnäckigen Fällen ist der Gegner eben der Wissenschaftsleugner oder der Putinversteher, obwohl er nur zu einem Ergebnis kommt, das dem Mainstream widerspricht. Politik und Medien haben damit in der Postmoderne alle Zügel fest in der Hand. Sie bestimmen nach Gusto Wissenschaftler, Experten sowie sonstige Schiedsrichter und damit das Ergebnis in jeglicher Disziplin. Aus der identitären Einordnung der Für- und Widersprecher einer Theorie wird zwangsläufig die identitäre Abgrenzung in der Politik. Zunächst wird sich ein breiter Konsens zu mehrheitsfähigen Realitäten etablieren. Je mehr dieser sich festigt, desto mehr wandern oppositionelle Gedanken in eine verdächtige Ecke. Man hat schließlich alle Wahrheiten auf seiner Seite. Widerspruch wird zwecklos und suspekt. Somit muss jegliche Opposition automatisch unredlich sein. Dieses Risiko der Rufschädigung gehen irgendwann nur noch tatsächlich extreme Parteien ein. Damit züchtet sich die Postmoderne totalitär anmutende Mehrheiten und in der Folge extreme Gegner, die aufgrund der konstruierten Realitäten am Ende sogar Recht und damit die Macht bekommen könnten. Eindrucksvoll schildert diese Kombination aus Wagenburgmentalität und selbst erteilter Deutungshoheit der Beitrag über die Postmoderne der Bundeszentrale für politische Bildung. Fake News, postfaktische Beurteilung und dergleichen werden da – auch wenn es in den einzelnen Fällen durchaus richtig ist – ausschließlich den Rechtspopulisten zugeschrieben. Den absoluten Wahrheitsanspruch verortet man demzufolge bei den Regierungen. Das krasse Beispiel einer konstruierten Realität in Form des sakrosankten IPCC dient dem Autor sogar als Beleg dazu, wie unredlich Gegner dieser Wahrheiten sein müssen.
----------- Überall ist der Irrtum obenauf und es ist ihm wohl und behaglich im Gefühl der Majorität |