Zunächst einmal stimme ich dir zu. Ein bis drei Ebenen höher liegt der wahre Hund begraben, was dich aber nicht vom Widerspruch befreit.
Der kulturelle Überbau ist in einer der unteren Ebenen, z.B. in der Ebene, in der die Klimadebatte abläuft, Teil der grünen Revolution, wie du sie nennst. Ich sehe diese Revoution eher als ein temporär befristetes Phänomen, das wieder in der Versenkung verschwinden wird. Dieses Phänomen ist aber wiederum Teil einer linken Bewegung, die die entwickelten Gesellschaften des Westen hochfrequent die letzten Jahrzehnte und niederfrequent die letzten Jahrhunderte getrieben hat. Eine weitere Ebene höher wirst du Dipole finden, die über die wechselnden Kräfte ihrer Pole und die daraus entstehenden Zyklen die Natur und die Gesellschaften seit ihrem Bestehen antreiben. Die für uns in diesem kulturellen Zusammenhang wesentlichen Pole sind Mann und Frau. Die jeweilige relative Dominanz bestimmt, ob wir Risiko, wirtschaftlich-technischen Fortschritt und individuelle Freiheit auf der gesellschaftlichen Prioritätenliste und damit in der Praxis sehen oder ob z.B. der Sozialisierung (Gemeinsinn, Offenheit, Gerechtigkeit) und Konservierung von Natur und Mensch Vorrang eingeräumt werden. Diese Prioritäten werden in Unterzyklen eine Ebene nach unten gereicht. Einer davon ist z.B. die Links/Rechts Tendenz in der Politik.
Wie unschwer zu erkennen ist, befinden wir uns in einem Zyklusabschnitt femininer Dominanz. Dagegen oder selbst eine Ebene tiefer gegen die Sozialisierungs- und Konservierungskräfte anzukämpfen, ist in der Tat so sinnlos wie der Kampf gegen Windmühlen, außer man sieht sich als Che Guevara des Testosterons (das bei uns Männern mit Ausnahme von mir :-) interessanterweise seit Jahrzehnten fällt, nur so nebenbei bemerkt).
Das ist der Punkt, bei dem ich dir zustimme. Aber Zyklen haben die Eigenschaft, beständig das Vorzeichen zu wechseln. Das passiert nicht von alleine, die Umkehr kommt immer von unten. Indem die jeweilige Bewegung ihr Blatt überreizt und die eigene Sache zunehmend gegen die Wand fährt, weil sie die einzelnen Narrative über den Grad ihrer max. Sinnhaftigkeit hin ausbeutet, brechen eben diese Stück für Stück weg und die Gegenseite mit dem frischen oppositionellen Ideenangebot übernimmt Stück für Stück das Kommando. Genau auf der Ebene spielt sich unser Leben und Politik ab. Die zunächst erfolgreichen Narrative müssen jenseits ihrer sinnvollen Anwendung auf dem Weg zur Ideologie scheitern, um die Menschen von der Gegenseite zu überzeugen. Genau hier spielt sich auch der Großteil des Blog ab. Die fehlende Diskussion über die anderen Ebenen der Debatte haben wir gerade begonnen. Und da wird's eigentlich erst interessant.
Dein Vorwurf der unsachlichen Verschwörungstheorie gegen einen kulturellen Überbau auf der untersten Ebene bleibt ein Widerspruch. Nach dem oben geschilderten Modell springst du damit einfach zwischen den Ebenen hin und her und verwechselst meine Mittel und deren Adressaten. Die einzelnen Subzyklen und kleinen Narrative entspringen zwar, wie du richtig erkennst, den großen kulturellen Bewegungen, tragen aber gleichzeitig ihr eigenes Scheitern in ihren Genen und initiieren ab einer kritischen Masse die übergeordnete Gegenbewegung.
D.h. die wissenschaftliche Lanze Don Quijottes gegen die linke oder gar feminine Kulturbewegung macht nicht nur wenig Sinn von der Größenordung her betrachtet, sie greift auch am vollkommen falschen Punkt an. Sie kann ihre Wirkung nur am Körper des faktisch begründeten Narrativs der unteren Ebene ansetzen, um über dessen Scheitern partiell die Gegenbewegung darüber einzuleiten, sofern man das überhaupt will, oder zumindest den Kurs der Kulturbewegung darüber zu korrigieren.
Wenn du mir Verschwörungstheorie vorwirfst, ist das nur eine Tautologie, denn logisch betrachtet muss es aus Sicht der Masse in dem Moment so sein, in dem ich gegen eins der ausgetoppten Narrative auf dem Weg zur Ideologie der übergeordneten Gesellschaftsbewegung ins Feld ziehe. Es geht nicht anders. Dein mehrdimensionaler Widerspruch rührt daher, dass du die Ebenen verwechselst und die praktischen Einzelnarrative auf die übergeordnete Kulturbewegung hievst. Das erlaubt dann nicht nur den Fehlschluss, mit den falschen Mitteln gegen das falsche Ziel zu kämpfen und löst durch deren Verwechselung den Widerspruch aus, es erlaubt auch die identitäre Argumentation. Denn damit wird ein praktisches Narrativ wie das der Klimadebatte automatisch ein politisches, was den nächsten Widerspruch offenlegt. Durch die Politisierung eines praktischen Narrativs ist es eben dies nicht mehr und der Kampf dagegen keine Verschwörungstheorie. Eine Ebene darunter ist es aber sauber zu trennen. Zu sehen ist das auch in vielen meiner Postings, wenn ich die Sache auf Narrativebene sachlich zu widerlegen versuche und wenn ich auf das kulturelle Motiv eingehe, wenn einer wie der Lesch Sache und Kultur mal wieder in einen Topf schmeist und sein Pferd von hinten aufzäumt. Dagegen kann ich auch keine Argumente sondern nur meine Meinung ins Fekld führen, was den Talisker ein ums andere Mal fuchst.
Das mit der "Klima awareness" oder der Skepsis dazu als identitäres Vehikel und im zweiten Fall als Teil des rechten Bürgerkriegs ist natürlich eine maßlose Übertreibung und Verwechselung von Actio und Reactio. Nicht die rechte Reactio war zuerst sondern die linke Politisierung der "Klima awareness". Sie wurde zum politisch identitären Markenzeichen hoch stilisiert. Deine Einordnung der Größenordnungen mag von deiner gefühlten Gefahr durch die Rechten getrübt sein. Tatsächlich hat die Rechte im Westen seit Jahrzehnten immer weniger zu melden, den gesellschaftlichen Ton bestimmt die Linke, unabhängig von den politischen Parteien, die am Drücker sind. Ebenso ist das Klimamärchen um Lichtjahre präsenter in den Stirnlappen der Masse als die nur hinter verhohlener Hand vorgetragene Skepsis dazu und das Märchen manifestiert sich wesentlich deutlicher in den Entscheidungen der Politik und in unserem Leben, als es deren politisch machtlose Opposition je könnte. Die Energiewende, die Windräder in der Landschaft, die Stromrechnung und die Renaissance der Soylent Greens in vielen Hinterköpfen sind Zeugen davon. Die zugegebenermaßen holprig vorgetragenen Gegenangebote der politischen Opposition, die gerade in D leider fast ausschließlich von extremer Seite bedient werden, triffst du nochmal wo genau an oder siehst sie gar realisiert? Selbstverständlich tendieren sowohl die politischen als auch zunehmend die wirtschaftlichen Machtverhältnisse eindeutig in Richtung Klimaritter. Wenn selbst die Autoindustrie kuscht und CO2 seit mindestens 10 Jahren widerspruchsfrei als das Haupthema ihrer Entwicklung begreift und trotz medialer Propaganda auch umsetzt, kann ja wohl nicht mehr soviel Opposition übrig bleiben. Welches Unternehmen könnte es sich heutzutage schon imagemäßig leisten, gegen diese Massenhysterie anzukämpfen? Nein, Fill, ob der Machtverhältnisse trügt dich deine Brille ganz gewaltig.
Zum Thema Energiewende, Merkel, Mikroelekronik: Da sehe ich keinen Zusammenhang. Die Energiewende hat sie wie so vieles, was sie macht, einfach in der Gesellschaft als Trend aufgegriffen und läuft ihr wie der Klimadebatte politisch hinterher, weil sie daran glaubt und/oder politisches Kapital (Einigkeit, Wachstum und Ablenkung von den tatsächlichen Problemen) daraus schlagen kann. Ob sie den tatsächlichen Schmuh und den technischen sowie wirtschaftlichen Irrweg erkennt, weiß ich nicht. Wahrscheinlich eher nicht, sonst hätte sie sich nicht nochmal aufstellen lassen. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht gerade klein, dass ihr der Mist in ihrer nächsten Amtszeit um die Ohren fliegt.
Im Übrigen: Was mir tatsächlich auf den Zeiger geht und was sehr wahrscheinlich mit zum Overkill der aktuellen übergeordenten linken, vielleicht sogar femininen Bewegung beitragen wird, ist der identitäre Impuls, den diese Bewegung mangels sachlicher Argumente mittlerweile setzt und der nicht zuletzt eine ebensolche Gegenbewegung provoziert. Die totalitäre Diskreditierung einer oppositionellen Gruppe oder deren Argumente über den Vorwurf der Kumpanei mit Extremisten, begreife ich als Akt der argumentativen Verzweiflung. ----------- Überall ist der Irrtum obenauf und es ist ihm wohl und behaglich im Gefühl der Majorität |