So, nachdem ich mir jetzt in Ruhe den Conference Call angehört habe, hier mal ein paar Gedanken.
PRO: 1) Kundenanzahl auf der Höhe, die das Management im August prognostiziert hat. 2) Contribution Margin entwickelt sich trotz des wirklich düsteren inflationären Umfelds ebenfalls nach Prognose des Managements. Die Procurement Expense Ratio blieb stabil, während die Produktivitäts-Steigerungen zu einer 2% niedrigeren Fullfilment-Expense Ratio geführt haben. 3) Aktuelle Jahresprognose wurde bestätigt, wobei hier anfügen sollte, dass wohl eher das untere Ende angepeilt werden wird, was damit zumindest bedeutet, dass die ursprünglichen Jahresprognose leicht verfehlt werden wird. 4) HelloFresh Market scheint langsam aber sicher Momentum aufzubauen und dürfte den AOV mittelfristig nicht unerheblich steigern. 5) Verhalten der bestehenden Kunden weiterhin stabil. Order-Raten passen, kein außergewöhnliches Kündigungs-Verhalten. 6) Laut Aussage von Gärtner hat der Roll-Out neuer Marken und der Markteintritt in neuen Ländern in Q3 für das internationale Segment zu einer AEBITDA-Verringerung von 60 Mio geführt. Entsprechend gäbe es im internationalen Segment ohne die Expansion in neue Länder und den Roll-Out neuer Marken wohl ebenfalls eine AEBITDA-Steigerung anstatt eines Rückganges. Dabei ist zu berücksichtigten, dass eine vergleichbare Angabe für die gleichen Kosten für Q3 2021 fehlt, sodass der genaue (korrigierte) Jahresvergleich so natürlich nicht möglich ist. Es zeigt aber dennoch, dass es international nicht so düster aussieht, wie man auf den ersten Blick auf die Zahlen vermuten würde. 7) Factor wächst auch in 2022 mit 100% und generiert damit schon 600 Mio jährlichen Umsatz. Auf Factor wurde in den USA wohl auch der Marketing-Fokus gelegt, da hier der ROI aktuell am besten sei. 8) Der Vorsprung gegenüber der Konkurrenz wird weiter rasant ausgebaut. Während Marley Spoon bspw. jegliches Geld zusammenhalten muss und in Q3 lediglich 0.8 Mio für Capex ausgeben konnte, konnte es sich HelloFresh erlauben 112 Mio und damit das 140-fache für Investitionen auszugeben. Ähnliches lässt sich über die meisten weiteren Konkurrenten sagen. Wie will die Konkurrenz da Produktseitig mittelfristig mithalten? Denn: 9) Produktseitig wird weiter fleißig gearbeitet. Die Anzahl an Menü-Optionen wurde erheblich gesteigert, immer Gerichte können personalisiert werden, höhere Service-Level, verkürzte Lieferzeiten usw. Auch kann man in den USA bspw. mittlerweile schon ganz normales Fleisch wie Lachs oder Hähnchenbrust zu Supermarktpreisen mit bestellen, was auf Dauer meiner Meinung nach auch das Ziel sein muss, denn wenn ich als Distributor im Voraus weiß, wie viel Fleisch ich für die nächsten Tage verkaufen werde, kann ich viel effektiver mit verderblichen Lebensmitteln umgehen und auf Dauer niedrigere Preise als der Supermarkt anbieten.
Contra: 1) Das YoY Kundenwachstum in Q4 soll nur im Low-To-Mid-Single Digit Bereich liegen. Bei bspw. 5% Kunden-Wachstum liegen wir damit nur knapp über der Kundenanzahl von Q3. In der Vergangenheit gab es von Q3 auf Q4 stets sequenzielle Steigerungen im Bereich 5-10%. 2) Die Customer-Aquisition-Costs (CAC) sind angestiegen. Das ist wenig überraschend, denn das hat sich ja auch schon bei den Q2 Zahlen gezeigt, bei welcher Bestandskunden weiterhin sehr viel bestellt haben, während sich die Akquise neuer Kunden schwieriger gestaltet hat. Die Makro-Faktoren wirken sich wie zu erwarten auch auf HelloFresh aus, denn Kunden werden zurückhaltender beim Ausprobieren neuer Angebote. 3) Die Marketing-Quote wird nach Aussage von Gärtner in Q4 im YoY Vergleich wiederum steigen und zwar auf ungefähr 16%. Das ist vor allem im Anbetracht des niedrigen Kundenwachstums nicht optimal. 4) Die Guidance wird wohl eher nur am unteren Ende erreicht werden. 5) Abschreibungen und Stock-Based-Compensations sind aufgrund des Investitionsprogramms und der Einstellung vieler neuer Tech-Mitarbeiter stark gestiegen. Dementsprechend wird in Zukunft beim AEBITDA in Sachen "A" und "DA" mehr abgehen, als der ein oder andere hier vielleicht erwartet hat. Es wird wohl bis 2024 dauern, bis das Umsatz-Wachstum das Allgemeinkosten-Wachstum wieder überholt und der Hebel wieder in die richtige Richtung wirkt. Ich gehe entsprechend für 2023 zwar von einer nicht unerheblichen AEBITDA-Steigerung aus, beim Gewinn kann ich mir aber nur sehr schwer mehr als 200 Mio vorstellen. Hier heißt es wohl geduldig bleiben und den Prognosen des Managements vertrauen. Bisher sind bspw. die Vorhersagen in Sachen Fulfillment-Expenses genau so eingetreten wie vom Management prognostiziert, von daher habe ich hier auch Vertrauen, dass nach der aktuellen Investitions-Phase die Allgemein-Kosten relativ stabil bleiben werden und nach und nach der Gewinn sich wieder in die richtige Richtung entwickeln wird. |