Simon Betschinger von trader.de hat die Sache aus meiner Sicht heute auf den Punkt gebracht:
"Das Problem bezüglich Aurelius ist nicht Gotham. Es ist deren legitimes Recht eine Aktie für überbewertet zu halten, solange sie mit korrekten Fakten argumentieren. Das Problem sind die deutschen Institutionellen und Analysten, die Aurelius vermutlich genau so wie ich nur von der Oberfläche her kennen. Darum findet auch kein Aufbäumen statt. Die Fondsmanager haben nicht das Wissen über Aurelius, um die Argumente von Gotham zu widerlegen. Was bei Aurelius gerade passiert ist im Grunde genommen ein Armutszeugnis für professionelle, deutsche Investmentszene. Mich würde auch wirklich brennend interessieren, ob der Commerzbank-Analyst, der Aurelius am 24.03. mit Kursziel 82 eingestuft hat, die Beteiligungen von Aurelius wirklich im Detail analysiert hat, oder ob er wirklich nur eine Oberflächenanalyse basierend auf dem Geschäftsbericht durchgeführt hat." "Die Gefahr der oberflächlichen Fundamentalanalyse... Aurelius wird in Grund und Boden geprügelt. Um fast -50 % bricht die Aktie in 2 Tagen ein. Die Masse der Kleinanleger schimpft auf Gotham. Es trifft den Falschen. Gotham hat nach meinem Kenntnisstand lediglich eine Meinungsäußerung getätigt. Gotham hält Aurelius für massiv überbewertet und führt Gründe dafür auf. Das ist deren gutes Recht. Genau so wie manche Aktionäre ständig kommunizieren wie viel Potenzial sie ihren Aktien zubilligen, darf ein Hedge-Fonds darüber philosophieren, dass eine Aktie massiv überbewertet ist. Das ist so in unseren freien Gesellschaften. In China landeten nach dem Börseneinbruch in 2016 viele Geschäftsleute im Gefängnis, die vor dem aufgeblasenen Markt gewarnt hatten. Sie wurden zu Sündenböcken gemacht. Glücklicherweise darf man in Deutschland und den USA eine Meinung haben, die streitbar ist. Sauer sein sollte die Masse der Kleinanleger wohl eher auf die Analysten und Institutionelle, die Aurelius oft empfohlen haben, vermutlich ohne die Beteiligungen von Aurelius wirklich zu kennen. Ich selbst leiste mir keine Meinung zu Aurelius. Ich kenne die Beteiligungen von Aurelius nicht. Ich weiß nicht womit sie in der Summe ihr Geld verdienen. Oberflächliche Fundamentanalysen sind ein gefährliches Hobby. Warren Buffett sagt immer, er investiere nur in Unternehmen, die erst versteht. Das ist klug. Ich wage zu behaupten, dass so gut wie kein Aurelius-Aktionär wirklich einen tieferen Einblick in die zahlreichen Beteiligungen von Aurelius hat. Oder anders formuliert: Aurelius-Aktionäre vermissen vermutlich nicht in was sie eigentlich genau investieren. Der Kapitalmarkt lebt von konträren Meinungen. Wenn Gotham SAP für überbewertet erklärt hätte, wäre außer einem Zucken vermutlich nichts passiert und alle hätte sich köstlich über die Dummheit von Gotham amüsiert. Ich weiß nicht wer am Ende lacht. Ich beobachte den Ticker. Und offenbar geht es den meisten Institutionellen wie mir. Sie kennen die Aurelius-Beteiligungen nicht wirklich...."
Und Michael Schulte alias Hari von Mr.Market.de vertieft Betschingers Äußerungen wie folgt:
"Betschinger hat genau den Punkt. Und ich setze noch einen darauf, ich habe ja das Wort "undurchsichtig" verwendet: Die Analysten haben es auch extrem schwer, so ein Geschäftsmodell zu verstehen, weil da ganz viel im "Closed Shop" abläuft und die Bewertung von Assets im IFRS sowieso Gummi ist. Sprich Aurelius hat da ganz viel Spielraum, den keiner wirklich kontrollieren kann. Damit sage ich nicht, dass der Spielraum zu sehr gedehnt wird, ich weiss nichts Relevantes über Aurelius. Ich sage nur der undurchsichtige Spielraum ist da, weil das in diesem Geschäft eben so ist, nicht nur bei Aurelius. Und da weiss ich tatsächlich wovon ich rede. Wie sage ich immer: Der weise Mann weiß, was er alles nicht weiß. Der Dumme glaubt alles genau zu wissen. Ich habe das doch in einem ganz alten Artikel zu IFRS mal am Beispiel Daimler und Brennstoffzelle erklärt. Selbst bei so einem vergleichsweise offensichtlichen Thema wie der Brennstoffzelle, kann nicht mal der Buchprüfer nachvollziehen, ob ihm der Vorstand da einen Bären aufbindet. Im M&A Geschäft von kleinen Unternehmen in der Krise - das was Aurelius macht - sind die Unsicherheiten und Spielräume viel, viel höher! Und wer will das kontrollieren?
Wie ich oben schon sagte, Aurelius wurde von Gotham nicht per Los ausgesucht. Sie wurden ausgewählt, weil sie angreifbar erscheinen. Das heisst *nicht*, dass Aurelius sich irgend etwas hat zu Schulden kommen lassen, man kann auch als aufrechter Mensch/Unternehmen angreifbar sein."
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