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Financial Times Deutschland Genmoneypulation Mittwoch 25. April 2007, 22:15 Uhr
Regen, nichts als Regen. Bernd Seizinger war in der vergangenen Woche auf dem Weg zu einem Treffen in New Jersey, bei dem es um die Organisation des Außendiensts gehen sollte, als er ins schlimmste Unwetter an der US-Ostküste seit mehr als 100 Jahren hineinkam. Sturzbäche ergossen sich über den Wagen des Chefs von GPC Biotech (Xetra: 585150 - Nachrichten) , der Verkehr um ihn herum brach zusammen. Mit zwei Stunden Verspätung schaffte es Seizinger gerade noch zum Termin. "Es war fürchterlich", erzählt der Manager, "der halbe Bundesstaat stand unter Wasser."
Seizingers Leben ist auch ohne solche Ereignisse nervenaufreibend genug. Bis Ende des Jahres will GPC Biotech Satraplatin auf dem US-Markt einführen - das Krebsmittel, an dessen Erfolg Seizinger und seine Kollegen seit mehr als zehn Jahren arbeiten. Und nun stehen die Chancen gut, dass der Durchbruch klappt. Endlich.
Nie herrschte in der deutschen Biotechbranche so viel Hochspannung wie in diesen Wochen. GPC ist zuversichtlich, im August die wichtige US-Zulassung für Satraplatin zu erhalten. Epigenomics (Xetra: A0BVT9 - Nachrichten) aus Berlin hofft, einen Vermarktungspartner für einen innovativen Darmkrebstest zu finden. Der Aachener Hersteller Paion will das vielversprechende Schlaganfallmittel Desmoteplase auf den Markt bringen. Und bei Wilex (Xetra: 661472 - Nachrichten) in München wird sich im Sommer zeigen, ob das Nierenkrebsmittel Rencarex so wirksam ist wie erhofft.
Entwicklung mit Tücken
Noch ist die Euphorie gedämpft. Kein Korkenknallen, kein Gläserklingen. Die Beteiligten wissen, dass die Entwicklung von Medikamenten und Diagnostika in den letzten Phasen noch ihre Tücken hat. Und doch ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Firmen diesmal ihren Investoren zeigen, dass sich die jahrelange Geduld, das Zittern und Bangen bezahlt machen. Die Aktienkurse einiger Biotechfirmen sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen - scheinbar vergessen ist das Desaster des Jahres 2002, als die Notierungen namhafter Branchenvertreter wie Medigene (Xetra: 502090 - Nachrichten) , Morphosys (Xetra: 663200 - Nachrichten) oder Lion Bioscience innerhalb weniger Monate um 50 bis 80 Prozent abstürzten.
Die neuen, guten Nachrichten beflügeln die Fantasie der Anleger, Pharmakonzerne könnten sich eine oder mehrere der Hightechfirmen für hohe Summen einverleiben. So wie der britische Pharmakonzern AstraZeneca, der Anfang dieser Woche für 15,2 Mrd. $ die US-Firma Medimmune geschluckt hat. Und sie nähren die Hoffnung vieler Gründer, bei Risikokapitalgebern künftig leichter Geld für die Finanzierung der schwierigen Aufbauphase zu erhalten.
Die Bereitschaft, Geld in Biotechfirmen zu stecken, war in den vergangenen fünf Jahren gering. 2006 brach das Volumen der Venture-Capital-Finanzierungen von nichtbörsennotierten Biotechunternehmen gegenüber dem Vorjahr noch einmal um 30 Prozent ein. Gerade einmal 240,5 Mio. Euro wurden investiert - weniger als der durchschnittliche Wochenumsatz des amerikanischen Biotech-Giganten Amgen. Von einem möglichen Börsengang sind die meisten Firmen meilenweit entfernt.
"Der Goldrausch ist schon lange vorbei, viele Firmen haben es nicht geschafft", sagt Seizinger - fügt aber schnell hinzu: "Einige haben jedoch eine gute Basis für einen langfristigen Erfolg."
Damit meint er zum Beispiel seine eigene Firma. Die Investmentbank Lehman Brothers prophezeit dem Medikament Satraplatin angesichts der guten Testergebnisse einen möglichen Jahresumsatz von 500 Mio. $. Das entspräche der Hälfte der gesamten derzeitigen Erlöse der deutschen Biotechbranche, inklusive Pflanzenzüchtung und Analysetechnologie. Von dieser Vorhersage ermutigt, will Seizinger das Medikament nun in den USA allein vermarkten, um so das Maximum für GPC und die Investoren herauszuholen.
"GPC Biotech kommt mit einer Marktkapitalisierung von fast 1 Mrd. $ nun auch auf den Radar großer Investoren und Fonds, die nicht auf Biotech spezialisiert sind", sagt Andreas Burckhardt von der WestLB. Auch in den Aktien anderer Firmen wie etwa Wilex "sei noch viel Musik".
Und diese Musik könnte auch Pharmakonzerne anlocken, die sich das Umsatz- und Gewinnpotenzial der neuen Präparate sichern wollen. Branchenkenner spekulieren, dass GPC schon in Kürze von einem der großen Pharmariesen aufgekauft werden könnte. Seizinger sieht's mit Wohlgefallen: "Die Märkte schauen zunehmend auf reife Produkte. Eine Übernahme von GPC Biotech kann ich nicht ausschließen", sagt der Manager. Dies sei allerdings nicht sein Ziel. |