RZB: Entwicklung der Kapitalmärkte in Osteuropa weiterhin attraktiv 31.01.2005 Wien: "Der schwache Dollar bleibt das dominierende Thema auf den etablierten Finanzmärkten ? aber die Dollarbewegungen werden nicht der entscheidende Faktor für die Entwicklung auf den Devisenmärkten in Zentral- und Osteuropa (CEE) sein", erklärt Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB). Außer Russland sind alle Staaten primär am Euro orientiert. Absehbare Dollarschwächen lösen in Europa keine großen Turbulenzen wie noch vor zehn Jahren aus. Die Währungen der neuen EU-Länder treten nicht in die Fußstapfen von italienischer Lira oder spanischer Peseta, sondern sie sind fundamental durch attraktive Kaufkraftparität und hohe ausländische Direktinvestitionen gut abgesichert. Daher erwartet die RZB selbst bei einem starken Euro keine Beeinträchtigung weiter aufwertender MOEL-Währungen. Die Ausnahme bildet nur der ungarische Forint, wo abnehmende Zinsvorteile im Jahresverlauf zum Aufgeben der Kursgewinne der letzten zwölf Monate sorgen könnten.
Starke Binnennachfrage bei MOEL-8 Doch Brezinschek ist überzeugt, dass "die jungen und künftigen Mitgliedsstaaten Osteuropas durch die eigene Währungsstärke nicht wesentlich an Wachstumstempo verlieren werden." Trotz eines schwieriger werdenden Exportmarkts Eurozone sollten die MOEL-8 (neue EU-Länder) mit durchschnittlich 4,6% ein drei Mal höheres Wirtschaftswachstum in 2005 anpeilen als dies in der Eurozone (1,5%) der Fall sein dürfte. Die starke Binnennachfrage, wesentlich getragen durch die rege Investitionstätigkeit, kann die abnehmende Ausfuhrdynamik gut kompensieren. Polen (+5,0%) und die Slowakei (+4,9%) ragen als Konjunktur-Spitzenreiter hervor. Aber auch in Südosteuropa liegen die Wachstumsschätzungen für Rumänien (+5,0%), Bulgarien (+5,5%) und Albanien (+6,0%) weiter auf Überholspur.
Differenzierung bei Osteuropa-Rentenmärkten Rückläufige Inflationsraten im Jahr 2005 schaffen auch die Basis für Zinssenkungen in mehreren Ländern Ost- und Südosteuropas. Ungarn und Tschechien haben diesen Reigen in der Vorwoche bereits eröffnet. Vor allem in Ungarn, Polen und Rumänien sollten die Leitzinsen bis Jahresende doch zum Teil erheblich tiefer liegen. Rumänien kommt die Öffnung des Geldmarkts für Ausländer und die unter 10% gesunkene Teuerungsrate zugute. Die Korrektur der europäischen Rentenmärkte dürfte aber auch vor Osteuropa nicht halt machen, so dass in den kommenden drei Monaten Polen, Tschechien und die Slowakei mit leichten Renditeanstiegen konfrontiert sein werden. Da die Ertragsaussichten für den weiteren Jahresverlauf sowohl aus Währungs- wie Renditegründen positiv sind, bescheinigt Brezinschek Anleihen in Zloty und slowakischen Kronen in den kommenden Monaten gute Entwicklungschancen. Abraten würde Brezinschek dagegen von Eurobonds osteuropäischer Staaten, die mit 10 bis 25 Basispunkten Renditeaufschlägen zu Laufzeiten gleichen deutschen Anleihen zu teuer bewertet sind.
Aktienmärkte: Weiterer Aufwärtstrend nach kurzer Korrektur Fallende Zinsen, hohes Wirtschaftswachstum und starke Währungen sind aber ein guter Cocktail für steigende Aktienmärkte. Nach der seit Sommer ungebremsten Aufwärtsentwicklung an den Börsen Zentral- und Osteuropas rechnen die Analysten der RZB für das erste Quartal mit einer Konsolidierung im Ausmaß von fünf bis sieben Prozent. Vereinzelt überzogene Gewinnerwartungen und die stärkere Beachtung von Budget- und Leistungsbilanzdefiziten könnten den Höhenflug aber nur vorübergehend stoppen. Obige positive Faktoren für das Gesamtjahr 2005 sollten spätestens im Frühjahr wieder die Oberhand gewinnen, so dass die Kursschwäche eine erneute Kaufgelegenheit für osteuropäische Aktien bieten sollte. Mit zehn bis fünfzehn Prozent ist die Ertragschance an MOE-Börsen auch 2005 wieder höher als bei den etablierten Aktienmärkten.
Ungarn ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10,5 am günstigsten von den neuen EU-Börsen bewertet, weist aber mit knapp 9 % das niedrigste langfristige Gewinnwachstum auf. Konstant gute Gewinnsteigerungen dürften die tschechischen Unternehmen aufweisen. Privatisierungen (CEZ, CSA, Ceska Posta) könnten die Liquidität steigern und für ausländische Kapitalzuflüsse sorgen. Für den polnischen Markt spricht das hohe langfristige Gewinnwachstum von über 20 Prozent und die Marktverbreiterung durch die IPO-Schwemme des vergangenen Jahres (36 Neuemissionen!).
Russland im Blickpunkt Besonderes Augenmerk richtet die Brezinschek auf den russischen Aktienmarkt. Hier hat sich die Stimmung verschlechtert, seit die russischen Steuerbehörden im vierten Quartal Untersuchungen gegen mehrere Unternehmen eingeleitet hatten. Yukos scheint somit kein Einzelfall zu sein. Offensichtlich will der russische Staat den Einfluss auf die Wirtschaft wieder ausdehnen. Daher bleibt die Einschätzung der RZB trotz einer fundamental attraktiven Situation vorerst auf Halten.
Gestützt wird dies durch die Ölpreisschätzung für 2005. Mit durchschnittlich USD 40,- je Barrel würden die Preise vom Vorjahr sogar um rund 10 Prozent übertroffen. Die globale Nachfrage wird um rund 1,5 Prozent ansteigen (nach plus 3,3 Prozent 2004), die Raffinerieengpässe werden insbesondere bei den extraleichten Ölsorten bestehen bleiben und die OPEC wird wahrscheinlich schon bei ihrem nächsten Meeting im März eine Senkung ihrer Fördermenge von aktuell 27 Mio. Fass pro Tag und ein höheres Preisziel beschließen. Politische Unruheherde wie der Irak vergrößern nur die Preisschwankungen, nicht jedoch die Dauerhaftigkeit der Preisbewegung. Die Exportausfälle von Yukos sollten dagegen umgehend durch frühere Konkurrrenten wie Lukoil ausgeglichen werden.
IPOs "In 2004 konnten für den europäischen Raum insgesamt 256 Listings gezählt werden. Die CEE-Länder waren mit insgesamt 10% der Neunotierungen sehr aktiv - allen voran die Warschauer Börse mit 36 Listings, was einem zweiten Platz nach London mit 423 Listings bedeutet", erklärt Mag. Birgit Kuras, Chefanalystin und Leiterin Equity Capital Markets der Raiffeisen Centrobank AG, und ist überzeugt, dass sich dieser Trend weiter fortsetzen wird. Vor allem in Russland sieht Kuras ein Potenzial von 20-30 Unternehmen, die in den nächsten Jahren IPO-Kandidaten sein könnten. Analysten gehen von einer Marktkapitalisierung der neuen Emittenten zwischen USD 25 und 30 Mrd. aus. "Umso bedauerlicher ist, dass in Deutschland und Österreich die IPO-Tätigkeit fast völlig zum Erliegen gekommen ist, trotzdem der Kapitalmarkt äußerst aufnahmebereit wäre", deponiert Kuras.
Empfehlungen Mag. Stefan Maxian, Company Research der Raiffeisen Centrobank, sieht die Börsenindizes in den CEE-Ländern nach wie vor als sehr interessant an (KGV Polen 11,3, Ungarn 10,4). "Trotz einiger Kurskorrekturen, wie z.B. in Polen, werden die Indexwerte zum Jahresende über dem derzeitigen Niveau erwartet. Lediglich der tschechische Markt, getrieben durch die Privatisierung der Cesky Telecom, erscheint mit einem KGV von 15,6 bereits ambitioniert bewertet", so Maxian.
Im Ölsektor wird in 2005 unverändert mit einem günstigen Marktumfeld gerechnet. Den durchschnittlichen Ölpreis erwarten die Analysten bei USD 39,0 (Vorjahr: USD 38,2). Die Raffineriemargen sollten über demlang jährigen Durchschnitt liegen. Für OMV und MOL erwartet man im ersten Quartal eine gute Kursperformance, da beide ein starkes Unternehmensergebnis und vor allem ein großes Entwicklungspotenzial aufgrund der letzten Akquisitionen in der MOEL-Region aufweisen sollten. Somit bleiben OMV und MOL auf Kauf eingestuft.
Während die Raiffeisen Centrobank-Analysten im Finanzdienstleistungssektor bei der Komercni Banka durch die gute Performance in 2004 weniger Potenzial sehen, wird bei Banken mit einem hohen Anteil an Privatkundengeschäft nach wie vor mit einem starken Wachstum in den nächsten Jahren gerechnet. Der Kampf um Marktanteile in Osteuropa wird allerdings nun auch im Privatkundengeschäft härter geführt. Aufgrund der derzeitigen Konjunkturentwicklung sollten sich laut Maxian die Risikokosten in Grenzen halten. Top-Empfehlung im Bankensegment: OTP.
Der Telekomsektor in Zentral- und Osteuropa, allen voran strategische Investoren, konzentriert sich derzeit auf die laufende "Rest"-Privatisierung der Cesky Telecom, wo angekündigt wurde, den Staatsanteil von 51% noch im 1. Halbjahr zu verkaufen. Maxian sieht aber die Privatisierungsstory bereits im derzeitigen Aktienkurs eingepreist. Nach wie vor bieten die niedrigen Penetrationsraten in Polen Kursfantasie. Hier wird die polnische TPSA, auch aufgrund der laufenden Restrukturierungsmaßnahmen und der relativ günstigen Bewertung, favorisiert. Auch die Telekom Austria wird durch das angekündigte Engagement in Bulgarien immer mehr zur CEE-Aktie und bleibt eine Kauf-Empfehlung.
"Russland hat sich von einem "Buy and hold them all" zu einem glatten Parkett mit einer deutlich gestiegenen Risikoprämie für russische Aktien entwickelt", so Maxian. Die Raiffeisen Centrobank-Experten erwarten auch 2005 eine hohe Volatilität am Aktienmarkt, mit einer Wiederholung des Yukos-Falles wird jedoch nicht gerechnet. Es ist aber durchaus möglich, dass Free Cash Flows durch Steuermaßnahmen auf unerwartete Weise reduziert werden. Die Liberalisierung des Handels mit Gazprom-Aktien könnte zum Event des Jahres werden und zu einer Neugewichtung von Russland in wichtigen Benchmarkindizes führen. Top-Pick in Russland: LUKoil.
Pharma Der Markt der Generika befindet sich vor allem in den USA, hervorgerufen durch indische Importe, und vielen Westeuropäischen Ländern, bedingt durch starke politische Einschnitte, in einem harten Preiskampf. Richter und Pliva sind hier die am meisten betroffenen Unternehmen. Trotzdem man bei Pliva von der Gewinnwarnung enttäuscht ist, werden weitere negative Überraschungen nicht mehr erwartet. "Der rückgestufte Kurs von Pliva lässt ein durchaus attraktives Potenzial erkennen", erklärt Maxian. Auch in den CEE-Staaten, allen voran in Polen und Ungarn, lässt sich bereits staatlicher Druck auf die Medikamentenpreise erkennen. In Tschechien und der Slowakei hat der volle Wettbewerb des freien Marktes eingesetzt hat. In Russland plant die Regierung, im Jahr 2005 um USD 1 Mrd. mehr in Medikamente zu investieren, um sich besser an das europäische System anzugleichen (bisher zahlen Russen ihre Medikamente aus der eigenen Tasche). Die Regierung hat ein ambitioniertes Programm ausgearbeitet, das in 2005 ein Ansteigen der Medikamentenausgaben um über USD 1 Mrd. möglich macht. Profitieren sollten davon Richter und Krka, gefolgt von EGIS. Neben dem Generika-Hersteller Zentiva mit einem soliden Wachstum in Tschechien und der Slowakei und einem Start in Polen und Russland, hat Maxian nach wie vor Pliva auf der Empfehlungsliste. Quelle: FONDS professionell |