Osteuropa-Fonds: Aufbruch in den wilden Osten Osteuropa-Fondsmanager nehmen neue Ziele ins Visier. Der Rohstoffreichtum am Kaspischen Meer, der EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens und die Euro-Einführung im Baltikum sorgen für Kursphantasie. Das gilt etwa für Alain Bourrier (Bild) und Plamen Monovski, die den Merrill Lynch Emerging Europe Fund managen. Ebenso für Ralph Luther, der den neuen Berenberg Balkan Baltikum verantwortet. Aserbaidschan profitiert vom Öl
In der "Stadt der Winde" wiederholt sich derzeit Geschichte. Vor 100 Jahren wurde in keiner anderen Region der Welt mehr Erdöl gefördert als rund um Baku, die Hauptstadt Aserbaidschans. Das Land profitierte von der steigenden Nachfrage nach dem schwarzen Gold, orientierte sich nach Westeuropa und lockte Investoren wie die Rothschilds an. Doch mit der Oktoberrevolution wurde Aserbaidschan Teil der Sowjetunion. Der Aufschwung ging zu Ende, die Förderanlagen verrotteten, und die Villen der Ölbarone verfielen.
Nun aber kehrt in Baku wieder Glanz ein. Die Wirtschaft wächst 2006 um 27 Prozent, prophezeit der Internationale Währungsfonds. Firmen wie BP haben kräftig am Boom mitgewirkt. Zwölf Milliarden Euro investierten die Briten, um die riesigen Vorkommen unter dem Kaspischen Meer zu heben. Sie engagierten sich auch beim Bau der im vergangenen Jahr fertiggestellten 1700 Kilometer langen Pipeline von Baku über Georgien ins türkische Ceyhan. Seitdem das Öl nach Westen fließt, steigen in Baku die Devisenreserven und Zukunftshoffnungen.
"Weiter nach Osten ziehen"
Grund genug für den Osteuropa-Investor Alain Bourrier, das Terrain vorsichtig nach Einstiegsmöglichkeiten zu sondieren. "Die Börsen in Warschau und Budapest sind gut gelaufen. Die Bewertungen erreichen das Niveau der etablierten Aktienmärkte", sagt der Manager des Merrill Lynch Emerging Europe Fund. Allzuviel sei nicht mehr drin. "Wer überdurchschnittliche Renditen erzielen will, der muß weiter nach Osten ziehen", sagt Bourrier.
Bislang haben er und sein Partner Plamen Monovski die Anleger nicht enttäuscht. Sie vermehrten in den vergangenen drei Jahren das Geld ihrer Kunden um 300 Prozent. Damit schlugen sie nicht nur den Vergleichsindex MSCI Eastern Europe, sie ließen auch die Konkurrenz weit hinter sich.
Der Reformeifer in Osteuropa erlahmt
Klar: Die Manager wollen ihre Spitzenstellung behalten. Doch so mancher Fondsbesitzer fragt sich besorgt: Ist die Reduzierung der östlichen EU-Staaten zugunsten Rußlands, der Türkei, der Ukraine und bald auch der Staaten am Kaspischen Meer eine aussichtsreiche Strategie? Gehen der Franzose Bourrier und der Bulgare Monovksi nicht ein zu hohes Risiko ein?
"Nein", sagt Bourrier und verweist neben den hohen Bewertungen auch auf den lahmer werdenden Reformeifer in Osteuropa. "In Ungarn etwa ist keine Partei bereit, das Haushaltsdefizit energisch anzugehen." So werde sich die Euro-Einführung verzögern, die Zinsen blieben weiterhin hoch. "Das nimmt dem Aktienmarkt viel von seiner Attraktivität." Höchste Zeit also, neue Wege zu gehen.
Kasachstan will zu den Top-Five im Ölgeschäft aufsteigen
Einer davon führt nach Kasachstan. Das rohstoffreiche Land könnte eine ähnlich gute Entwicklung wie Rußland nehmen, meint Bourrier. Hohe Wachstumsraten, politisch stabile Verhältnisse und günstige Aktienbewertungen sorgten für Kursphantasie.
Mit gerade mal 0,8 Prozent ist der Anteil kasachischer Unternehmen im Fonds zwar noch gering. Ein künftig stärkeres Engagement ist jedoch nicht auszuschließen. Denn Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew hat ehrgeizige Pläne.
Bis zum Jahr 2010 will er die tägliche Erdölförderung auf drei Millionen Barrel steigern. Das wäre rund die Hälfte dessen, was Saudi-Arabien, das Land mit den weltweit größten Reserven, derzeit aus der Erde pumpt. Kasachstan hat also die Chance, in wenigen Jahren zu den Top-Five im Ölgeschäft zu zählen.
Der Merrill Lynch Emerging Europe kauft nur Werte, die an westlichen Börsen notieren
Doch der Staat wird autoritär regiert. Skeptiker befürchten, daß sich die Regierung, ähnlich wie der Kreml bei Yukos, in die Geschäftspolitik der Firmen einmischen wird. Ganz ausschließen könne man dies sicherlich nicht. "Wir verfolgen aber die politischen Vorgänge in Alma Ata sehr genau. Und wir analysieren die Unternehmen sorgfältig", sagt Bourrier.
Dabei nimmt er nur Werte ins Depot, die an westlichen Börsen notieren. Denn das zwingt die Firmen, sich an internationale Bilanzierungsregeln und Transparenzanforderungen zu halten. Bei dem in London gelisteten Minenbetreiber Kazakhmys hat sich der Einstieg bereits gelohnt. Der Titel legte seit Jahresanfang rund 50 Prozent zu. Mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis von zehn ist die Aktie immer noch günstig.
Berenberg setzt auf den Balkan und das Baltikum
Wie Merrill Lynch beschreitet auch die Berenberg Bank in Osteuropa Neuland. Mit ihrem vor gerade mal einem Monat aufgelegten Berenberg-Balkan-Baltikum-Fonds setzt sie auf Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Lettland, Litauen und Estland. Auch in türkische und ukrainische Unternehmen wird investiert, Serbien gilt als Option.
Die Märkte bergen jedoch erhebliche Risiken. Fondsmanager Ralph Luther ist sich dessen wohl bewußt. So weisen die Firmen in Südosteuropa eine nur geringe Börsenkapitalisierung auf. Die im bulgarischen Sofix-Index aufgeführten Unternehmen bringen es zum Beispiel gerade mal auf 4,9 Milliarden Euro. Der griechische Leitindex ASI kommt dagegen bereits auf 114 Milliarden Euro.
Wer also bulgarische oder rumänische Aktien kauft, läuft Gefahr, bei schlechten Nachrichten auf den Titeln sitzenzubleiben. Zudem sind die Märkte nicht mehr allzu preiswert. Das Kurs/Gewinn-Verhältnis der Bukarester Börse liegt nach einem Kursanstieg von 21 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten mittlerweile bei 16.
Schattenwirtschaft, Bestechung und Kriminalität sind die Kehrseiten in Bulgarien und Rumänien
Vor allem aber sind in Bulgarien und Rumänien Bestechung und Kriminalität weitverbreitet. Schätzungen zufolge wird ein Drittel des bulgarischen Bruttoinlandsprodukts von der Unterwelt erwirtschaftet. Das hält ausländische Firmen davon ab, trotz niedriger Steuern zu investieren. Aber auch die legal in Bulgarien arbeitenden Firmen werden durch die Schattenwirtschaft blockiert.
Demgegenüber stünden jedoch große Chancen, meint Manager Ralph Luther. Trotz der Mahnung aus Brüssel, den Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen zu verstärken, würden Bulgarien und Rumänien aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren Mitglied der EU. "Damit fallen Handelsschranken weg, staatliche Unternehmen werden zunehmend privatisiert, und die Pro-Kopf-Einkommen steigen. "Das alles hat positive Folgen für den Konsum und die Unternehmensgewinne", sagt Luther.
Baltikum-Aktien gibt es bald ohne Währungsrisiko
Welche Dynamik die EU entfachen kann, zeigt sich im Baltikum. Mit Wachstumsraten zwischen sieben und zehn Prozent im vergangenen Jahr positionierten sich die drei Staaten erneut an der Spitze aller 25 EU-Mitgliedsstaaten. Der Boom ist damit nicht zu Ende.
"In spätestens zwei Jahren führen die Länder den Euro als Zahlungsmittel ein. Ohne Währungsrisiko werden die nördlichen Volkswirtschaften für Investoren noch attraktiver", sagt Luther. Bei den Anlegern ist das Interesse jedenfalls geweckt. Sie haben bereits 50 Millionen Euro in Luthers Fonds investiert.
Aufstrebende Märkte: Der Osten wird größer Am und im Kaspischen Meer lagern reiche Ölvorkommen. Mit westlicher Hilfe wurde die Infrastruktur für den Energietransport geschaffen. Kasachstan und Aserbaidschan wollen die Öleinnahmen nutzen, um wirtschaftlich zu den Industriestaaten aufzuschließen. Risikobereite Fondsmanager erkennen darin neue Renditechancen. Mit Interesse verfolgen sie auch die Entwicklungen auf dem Balkan. Bulgarien, Rumänien und Kroatien werden Teil der EU. Auch die Türkei und die Ukraine machen sich Hoffnungen. Die für eine Mitgliedschaft erforderlichen Reformen sorgen für steigende Unternehmens- und Börsengewinne.
Merrill Lynch Emerging Europe (WKN: 971801): Favoritenwechsel Vor einem Jahr investierte der Fonds lediglich 15 Prozent seiner Mittel in Rußland. Heute sind es 47 Prozent. Ebenso wurde der Türkei-Anteil erhöht. Als aussichtsreich beurteilen die Manager auch ukrainische Unternehmen wie etwa den Immobilienbetreiber XXI Century Investments. Nachteil: Mittlerweile ist der Fonds 3,7 Milliarden groß.
Berenberg Balkan-Baltikum (WKN: AOHF40) Suche nach Nebenwerten Die Börsen des Baltikums und auf dem Balkan werden von wenigen großen Unternehmen dominiert. Deren Aktien haben sich gut entwickelt. Die Bewertungen der Indizes fallen deshalb relativ hoch aus. Fondsmanager Ralph Luther sucht daher auch attraktive Nebenwerte. Er rechnet damit, daß sich durch Privatisierungsmaßnahmen die Zahl der börsennotierten Unternehmen zügig erhöhen wird. Durch das Interesse ausländischer Investoren dürfte auch das Handelsvolumen steigen.
Die Alternativen: Rußland wieder gefragt Osteuropa-Fondsmanager glauben nicht an einen zweiten Fall Yukos. Die Einflußnahme des Kreml auf den Ölkonzern hatte im vergangenen Jahr die Börse belastet. Jetzt gilt der Aktienmarkt wieder als vielversprechend.
Aktienfonds Osteuropa (Auswahl)*
Fonds: Performance über 3 Jahre (in %) 1. Merrill L. EM Europe A EUR: 306,0 2. IXIS Emerging Europe RC$: 289,0 3. Nestor Osteuropa Fonds: 285,0 4. siemens/equity.eastern-europe: 281,3 5. Morgan St. Emerg.Euro.,Mi.E. A: 274,1 6. ESPA Stock Europe-Emerging T: 260,1 7. Thames River East. European $: 258,1 8. CAF Emerging Europe C (thes.): 244,1 9. Templeton Eastern Eur. A acc: 242,8 10. Adig European Emerging P: 239,6 11. Raiffeisen-Osteuropa-Aktien T: 230,5 12. Griffin Eastern European: 222,7 13. Magna Eastern European: 222,5 14. WestAM European Convergence C: 213,6 15. Vontobel Eastern Europe Eq. A2: 161,0
Quelle: *FINANZEN Fundanalyzer, Performance auf Euro-Basis, Stand: 31.03.2006.
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