Als Betreiber einer florierenden Suppenküche für freifliegende Vögel hat man es nicht immer leicht. Gerade dann, wenn die öffentlichen Mittel spärlich fließen und so manche theoretisch perfekt ausgebrütete Konstruktion bei der praktischen Umsetzung so ihre Schwächen offenbart. Dann ist die Kunst der Improvisation angezeigt. Ich verwende hier ganz gerne mal Gummibänder, um die neuesten Kreationen erst einmal behelfsmäßig vor Schäden durch stürmische Winde oder den täglich aufs neue ausgetragenen Hierachiekämpfen der kleinen Rabauken ums Futter zu schützen.
Doch selbst die bringen nicht viel, wenn sie regelmäßig reißen. Dass das die Freunde im Federkleid mit ihren Schnäbeln verursachen, das war für mich nicht vorstellbar. Eine andere Gewaltanwendung auf die unschuldigen Gummibänder war nicht ersichtlich. So schob ich den regelmäßig auftretenden Schaden auf eine Kombination von direkter UV-Strahlung in Verbindung mit Qualität aus China.
Doch eines Morgens war ein bis dahin unbekannter Lärm auf dem Balkon zu vernehmen. Rotzfrech bediente sich dort ein Fellbündel an den Auslagen. War damit das Rätsel um die Gummis gelöst, ergab sich gleich das nächste. Wie schafft es diese kleine Gestalt nur auf den großen Balkon? Diesmal kam mir der glückliche Umstand zu Gute, dass sich dieses stark behaarte Wesen alles andere als scheu erwies. So konnte man vorsichtig die Balkontürre öffnen und sich langsam bis auf ca. 1,50 Meter nähern, ehe die Flucht ergriffen wurde.
Nach einiger Beobachtung kristallisierten sich zwei Strategien des neuen Gastes heraus. Ausgangspunkt ist immer das Blechdach eines angrenzenden Carports. Der bevorzugte Weg von dort geht erst einmal ein gutes Stück über einen senkrechten Stahlträger. Aber auch das Sprungvermögen ist ausgezeichnet. Dazu muss man wissen, dass selbst die mutigsten Katzen den Sprung vom Blechdach nur äußerst selten wagen. Vorteilhaft für den Futterdieb ist jedoch, dass er eine kleine Öffnung im unteren Bereich des Balkons als Sprungziel nutzen kann und nicht wie die Katzen über die Brüstung muss. Für den Notabstieg reicht ihm sogar die rauh verputzte Hauswand.
Mittlerweile werden speziell für diesen Kameraden Haselnüsse ausgelegt. Diese werden von ihm aber erst angetastet, nachdem er sich weiterhin ausgiebig am Vogelfutter bedient hat. Die Nüsse werden auch nicht vor Ort verspeist, sondern erst einmal etliche Male mit den Pfoten gedreht und dann einzeln ins Maul geklemmt. Leider verliert er zu viele davon beim steilen Abstieg.
Die Hierachie der Vögel außerhalb der jeweiligen Art in der Fressordnung richtet sich im Großen und Ganzen nach ihrer Größe. Nur die Spatzen bilden hiervon eine Ausnahme. Taucht der Nager auf, dann ist er Herr auf dem Balkon. Außer beim Buntspecht. Der traut sich näher ran und das Eichhörnchen zeigt Respekt. Leider kam bisher immer eine anderweitige Störung hinzu, so dass der Ausgang dieses Duells zur Mittagszeit noch offen bleibt.
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