Natürlich handelt der Mensch selten vollständig rational - das wissen übrigens auch die Ökonomen, auch wenn in vielen Modellen immer noch das Bild des homo economicus auftaucht. Dabei handelt es sich eher um so etwas wie einen mathematischen Kunstgriff, bei der unbeherrschbare Faktoren aus der Formel rausgekürzt werden, um am Ende ein Ergebnis zu erhalten mit dem man etwas anfangen kann. Es handelt sich dabei um idealisierte Annäherungen, die ich als Orientierung für sehr sinnvoll halte.
Der Mensch handelt allerdings - gerade wenn er sich wirtschaftlich betätigt - zumindest eingeschränkt rational - diese Erkenntnis verdanken wir nicht zuletzt den behavioral economics ;) Empirisch lässt sich diese eingeschränkte Rationalität an vielen Stellen wunderbar nachweisen - Sie lässt sich sogar nach bestimmten Mustern kategorisieren. Der Mensch handelt bei seinen nicht rationalen Verhaltensweisen interessanter Weise keineswegs chaotisch sondern sogar typologisch, systematisch und insofern keineswegs ganz unberechenbar. Das Problem ist nur, dass es so eine Vielzahl von möglichen Biassen, emotionalen Wertentscheidungen und Reaktionsmustern aber eben schlichtweg auch einfach kognitive Grenzen gibt, dass man mit dieser eingeschränkten Rationalität nur schwer methodisch in Modellen arbeiten kann. Zumindest ist das bisher noch nicht gelungen. Das ist eine der großen Herausforderungen der modernen Ökonomie, die in diesem Bereich noch in den Kinderschuhen steckt.
Die Erkenntnis der (eigenen) Fehlbarkeit in der vermeintlichen Rationaltät ist dabei die eine Sache - da bin ich übrigens ganz bei Dir! Wobei man da individuell durchaus etwas mehr oder etwas weniger fehlbar sein kann.
Wenn aus dieser Erkenntnis jedoch abgeleitet werden soll, sich von der Rationalität abzuwenden, und das Bemühen um Rationalität für falsch zu halten, dann ist das eine andere Sache und dieser Unterton ist es, den ich manchmal in Deinen Beiträgen herauslese und in der Aussage für falsch halte.
Dass es im Perspektivismus der Postmoderne nun gar keine Wahrheiten mehr gäbe, keine richtigen deduktiven Schlüsse, Kausalitäten etc., halte ich ebenfalls für falsch. Dies wäre in der daraus resultierenden völligen Maßstabslosigkeit und Abkehr von jeglicher Feststellbarkeit letztlich ebenfalls eine dogmatische und absolute Betrachtung. Bei diesem Verständnis verkäme die Postmoderne selber zu einer großen Meta-Erzählung, der man der Idee der Postmoderne nach nicht mehr glauben darf. Man hätte am Ende eine Art dostojewski'schen Nihilsmus, zumal aus dem Umstand, dass nichts mehr als "richtig" festgestellt werden kann, leider folgt, dass auch nichts mehr als "falsch" gelten kann! Es gäbe für diese Kategorisierung keinen allgemeinverbindlichen Maßstab mehr - also wäre alles erlaubt! Weder ein haltbares noch ein wünschenswertes Ergebnis.
In der Postmoderne geht es m.E. eher darum, in sich abgeschlossene Systeme, die einen ganzheitlichen Absolutheitsanspruch erheben (schöne Tautologie), in Frage zu stellen und diese Absolutheit so nicht gelten zu lassen. Es heißt aber eben nicht, dass im Umkehrschluss nun alles falsch wäre, was innerhalb eines solchen Systems an Feststellungen getroffen wurde. (Aufklärung, Hegel etc.)
Um wieder den Bogen zu Deinem Beitrag zu schlagen:
"der Wahn, immer zu streng rational, deduktiv und kausal zu handeln, verbunden mit dem chronischen Zwang, seine Emotionen ununterbrochen kontrollieren bzw unschädlich machen zu müssen, erzeugt vielleicht einen Charakterkrüppel, aber sicher keinen langfristig erfolgreichen Trader. Darauf mein Wort !"
Ob das Bemühen um Irrationalität, assoziatives induktives Denken und darum, seinen Emotionen stetig freien Lauf zu lassen und ihnen zu folgen, dem Charkter nun unbedingt so gut tut, weiß ich nicht. Einen langfristig erfolgreichen Trader erzeugt es aber sicher nicht. Darauf gebe ich Dir mein Wort ;)
Was erzeugt denn Deiner Meinung nach eigentlich einen langfristig erfolgreichen Trader? ;) |