Von einem Dampfer, einem Tretboot und einem Paket
Die Pfarrerstochter lag in der Hängematte und genoss das sanfte Schaukeln. Tags zuvor war sie fast aus der Hängematte gefallen, nachdem der Dampfer in einem Schub acht Meilen zurückgelegt hatte. Er befand sich nun kurz vor der 200-Meilen-Zone. In der Hängematte neben der Pfarrerstochter lag der Verwalter des (Hellen Weizen-)Bieres und schlief den Schlaf des Rechtschaffenen. Genauer gesagt, des recht Geschafften. Er hatte an diesem Tag Dienst, und sich darum gekümmert, einige Flaschen Bier vor dem Schlechtwerden zu retten. Dies war eine sehr herausfordernde und ausfüllende Arbeit. Das Geräusch der regelmäßigen Atemzüge des Verwalter des Bieres mischte sich mit denen des Windes und der ruhigen See. Und noch ein Geräusch gab es, das den Passagieren des Dampfers so vertraut war, als sei es selbstverständlicher Bestandteil der Dinge, die auf hoher See um einen waren.
Es war das gleichmäßige TockTock, das durch den Anprall des Tretboots verursacht wurde, das seit langer Zeit gegen die Bordwand des Dampfers der außergewöhnlichen Art fuhr.
Die Pfarrerstochter schaute in den Nachthimmel und ließ die Seele baumeln. Nach einer Weile kamen Gedanken zu ihr. Sie handelten von dem Mann im Tretboot. Einer dieser Gedanken zeigte auf, dass es schon eine sehr ungewöhnliche Tätigkeit war, mit der der Mann im Tretboot seine Lebenszeit verwendete. Warum er dies tat? Wollte er wirklich den Dampfer in seiner Fahrt aufhalten? Oder ging es bei dieser Tätigkeit um etwas ganz anderes? Schließlich gab es keinen Grund, einen Dampfer der außergewöhnlichen Art aufhalten zu wollen. Vielmehr gab es gute Gründe, als Passagier die Fahrt auf dem Dampfer zu genießen.
Dies war dem Mann im Tretboot offensichtlich unmöglich. Er war dem Wunsch ver-Haft-et, den Dampfer aufzuhalten. Sozusagen gezwungen, sich gegen die Weiterfahrt des Dampfers zu wehren.
Die Pfarrerstochter hatte die Sicht, dass alle Dinge, die sind, so sind, weil die Dinge vorher waren, wie sie waren. Diese Sicht zeigte ihr auf, dass es im Leben des Mannes im Tretboot möglicherweise etwas gegeben hatte, das bei ihm dazu geführt hat, sich gegen die Weiterfahrt des Dampfers zu wehren. Da es keinen Grund gab, sich gegen die Fahrt eines Dampfers zu wehren, ergab sich eine weitere Frage. War es möglich, dass sich der Tretbootmann im Grunde gegen etwas anderes wehrte, dass der Dampfer für etwas anderes stand? Für etwas, das im Leben des Mannes geschehen war und gegen das er sich immer noch wehrte?
Schon seit langer Zeit riefen einige der Passagiere, an der Reling stehend, dem Mann zu, dass er doch auch an Bord kommen könne. Oder zumindest damit aufhören, den Dampfer mittels eines Tretboots aufhalten zu wollen. Sie wollten ihm zeigen, dass er sich einer sinnlosen Tätigkeit "verschrieben" hatte.
Die Pfarrerstochter war der Meinung, dass es keinen Sinn machte, dem Mann im Tretboot etwas zuzurufen, da ein Zurufen im Grunde ein Nachtragen war. Der Mann im Tretboot hatte offensichtlich ein Problem, das ihn dazu brachte, seine Lebenszeit wegzuwerfen. Und dieses Problem war kein Dampfer.
Wenn ein Mensch ein Problem hat, macht es keinen Sinn, die Lösung zuzurufen oder hinterherzutragen. Man konnte allenfalls Möglichkeiten zur Lösung nahebringen oder darbieten. Zum Beispiel mittels einer kleinen Geschichte, die dem Menschen mit Problem die Wahl lässt – zwischen dem Unbeachtetlassen und dem Lesen/Einlassen der Geschichte.
Bei einem Menschen, der eine Geschichte lesenderweise in sich einlässt, gibt es im Grunde zwei Dinge die sich nach dem Lesen ergeben können.
Zum einen die Möglichkeit, dass die Geschichte für den Menschen ohne Belang ist. Dann wird er die Geschichte, kurze Zeit, nachdem er sie gelesen hat, wieder vergessen. Zum anderen die Möglichkeit, dass die Geschichte für ihn von Belang ist und ihn berührt.
Wenn ein Mensch mit einem Problem von einer Geschichte berührt wird, kann er sich von der Berührung in Bewegung setzen lassen und "den ersten Schritt" tun … auf einem Weg, der ihn zur Lösung seines Problems führt. Oder – sofern es keine Lösung gibt – zur Annahme dessen, was das Problem verursacht hat.
Das Ziel eines solchen Weges ist oft erst nach viel Mühe und Schmerz erreichbar. Oft sind viele Hindernisse zu überwinden ... viel von den bisher notwendig erscheinenden Dingen loszulassen. Wenn all dies getan werden kann, ist es dem Menschen möglich, das Ziel zu erreichen – um bei sich selbst anzukommen.
Um dadurch imstande zu sein, aus dem Tretboot auszusteigen und es von außen zu betrachten. Bei der Betrachtung von außen wird sichtbar, dass es sich bei dem Tretboot um eine Art Tretmühle handelt. Also eine Art von Paket, das dem Menschen in der Vergangenheit aufgebürdet worden war, und das er all die Zeit mit umhergetragen hat. Durch das Erkennen des Pakets ist der Mensch in der Lage, das Paket zu nehmen und – anders als in der Vergangenheit der Fall – demjenigen Menschen, der ihm das Paket aufgeladen hat, zurückzugeben.
Um anschließend, vom Paket befreit, unbeschwert von fremden Lasten sein Leben leben zu können. Möglicherweise u.a. auf eine Weise, wie es die genussvolle Reise auf einem Dampfer der außergewöhnlichen Art ist.
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