Ausgegoogelt?
Von Jens Eckhardt, Handelsblatt
Google-Anleger leben gefährlich. Seit der Börseneinführung der Internet-Suchmaschine im August für 85 Dollar stieg der Kurs der Aktie kurzfristig über die 200-Dollar-Marke und fiel dann auf 165 Dollar zurück.
PORTLAND. Mit gegenwärtig über 170 Dollar kann sich die Aufwertung seit der Erstemission aber immer noch sehen lassen. Und das, obwohl am Dienstag die Verkaufssperre für 39 Millionen Anteilen, die von Insidern gehalten werden, auslief. Heller Wahnsinn oder die Renaissance der Internet-Werte?
Die Überlebenden der Kursblasen-Implosion zu Beginn des Jahrtausends haben sich in den vergangenen zwölf Monaten wacker geschlagen. Die Aktien von Ebay und Yahoo haben ihren Börsenwert jeweils verdoppelt, der Ebay-Kurs stieg gar auf einen Rekord von über 100 Dollar. Aber Google ist weder ein spätes Echo der Internet-Party noch ein Vorbote der nächsten High-Tech- Welle. Google ist zurzeit eine Zockeraktie für betuchte Spekulanten und professionelle Geldmanager. Der Kurs sprang nur über die 200-Marke, weil Short-Seller, die auf eine Kurssenkung spekulierten, von der Wahlhausse überrascht wurden und nachkaufen mussten, um Positionen zu decken.
Mit einem aktuellen Kurs- Gewinn-Verhältnis von knapp 300 ist der Kurs stratosphärisch und der Marktwert mit knapp 50 Mrd. Dollar fast doppelt so hoch wie der von General Motors. Nicht schlecht für eine Firma, die rund 2 000 Leute beschäftigt und in den ersten neun Monaten dieses Jahres 2,16 Mrd. Dollar umsetzte. Der Autobauer brachte es im gleichen Zeitraum auf Erlöse von 142 Mrd. Dollar und versorgte – einschließlich seiner Betriebsrentner versorgt der Autokonzern weltweit über eine Million Menschen.
Googles Höhenflug hat damit zu tun, dass lange Zeit nur rund 27 Millionen oder zehn Prozent der Stammaktien im freien Umlauf waren. Davon wiederum hielten große Institutionen fast ein Drittel, was das für den Handel verfügbare Volumen weiter einschränkte. Der durchschnittliche Tagesumsatz von knapp 20 Mill. Anteilen kam nur dadurch zu Stande, dass große Teile des gehandelten Kapitals täglich hin und her geschoben werden. Die Kursausschläge sind entsprechend hektisch. Wie die Haltefristen der Aktie halfen, zeigte sich vorgestern, als die ersten Aktien freigegeben wurden. Der Kurs der Google-Aktie gab daraufhin um 6,7 Prozent nach. Mitte Dezember und Januar laufen weitere Sperrfristen für insgesamt rund 50 Millionen Aktien aus. Und ab Februar können praktisch alle gut 273 Millionen Aktien frei gehandelt werden. Niemand rechnet damit, dass Insider den Markt überschwemmen und damit den Kurs nach unten treiben werden. Aber dass ein größeres Umlaufvolumen die Kursentwicklung dämpfen wird, bezweifelt kaum jemand.
Pessimisten sehen die Google-Blase bereits platzen. Die Konkurrenten bei der Internet-Suche, vor allem Yahoo und Microsoft, holen auf. Google, das seine Produkte frei verteilt, ist bislang fast völlig von Erlösen aus der Internet-Werbung abhängig und an diesem Kuchen knabbern viele.
Optimisten glauben Google-Chef Eric Schmidt, der sagt: „Unsere beharrliche technologische Innovation die Verfolgung von Marktchancen macht uns für die Zukunft sehr optimistisch.“ Mit zahlreichen neuen Angeboten hält das Unternehmen Nutzer länger auf seinen Seiten, was Werber gerne sehen. Mit der Übernahme der Keyhole Corp. legte sich Google nun auch seinen ersten Bezahldienst zu, der gegen eine Abonnentengebühr Zugang zu Keyholes riesigem Archiv an gestochen scharfen Erd-Aufnahmen verschafft. Wie auf einem fliegenden Teppich kann man Städte und Länder überqueren oder sich so nah heranzoomen, bis man die Beschaffenheit einzelner Straßen erkennt.
Aber rechtfertigt das alles Googles Kursfeuerwerk? Bislang lief das Unternehmen der Konkurrenz technologisch davon und die Wachstumsraten sind beeindruckend. Aber die Erlösbasis gilt als zu schmal für die erwartete Flut bei den umlaufenden Anteilen. Und ein höheres Angebot hat schon immer die Preise verdorben.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 18. November 2004, 07:07 Uhr |