Neue Frequenzversteigerung, neues Glück? 11.05.2008 17:24
Inhaltsverzeichnis: 1. Vor acht Jahren: Die erste UMTS-Auktion 2. Neue Geschäftsmodelle und ineffiziente Nutzung treiben die Preise
Knapp acht Jahre ist es her, dass die Mobilfunk-Unternehmen über 50 Milliarden Euro in die Hand nahmen, um sechs UMTS-Lizenzen zu ersteigern. Nun steht für kommendes Jahr erneut die Versteigerung von Frequenzbändern für Mobilfunkdienste an. Die Frage: Wird es wieder ein multimilliardenschweres Wettsteigern geben? Blicken wir zurück: Die hohen Kosten der UMTS-Auktion haben in den letzten Jahren die Entwicklung des Mobilfunks in Deutschland massiv behindert. So mussten zwei der erfolgreichen Bieter noch vor dem Start von UMTS aufgeben: Group 3G, später umbenannt in Quam, stellte bereits gut zwei Jahre nach der Auktion den GSM-Netzbetrieb (realisiert Kooperation mit E-Plus) ein und startete nie UMTS. Währenddessen überwarf sich MobilCom, die inzwischen unter freenet firmieren. mit ihrem internationalen Partner France Télécom. Am Ende musste MobilCom eine Einigung schlucken, die die Rückgabe der UMTS-Lizenz vorsah, während France Télécom sämtliche Kosten des UMTS-Abenteuers übernahm. Die verbleibenden vier Unternehmen, allesamt bereits zuvor etablierte GSM-Betreiber in Deutschland, haben zwar alle ein UMTS-Netz aufgebaut und in Betrieb genommen. Sie sind aber von den Lizenzkosten schwer belastet, was die Preise nicht nur für UMTS-Datendienste, sondern auch für GSM-Telefonie hoch hält.
Die nächste Runde: Viele Faktoren drücken die Preise
Der Volksmund kennt den Spruch: Neues Spiel - neues Glück. Doch sind im kommerziellen Casino die Spiele allesamt zugunsten der Bank optimiert: Je öfters ein Spieler einen Einsatz wagt, desto sicherer gewinnt das Casino. "Neues Spiel - noch mehr Pech" käme somit der Wahrheit näher. Gilt dieses auch für die kommende Auktion, so dass sich abermals ein SPD-Finanzminister über unerwartete Mehreinnahmen zur Tilgung von (Alt-)Schulden freuen darf, während sich die Tk-Unternehmen an der nächsten Hypothek verheben? Nun, es gibt vier preislimitierende Faktoren: Erstens werden mit 270 MHz fast doppelt so viele Frequenzbereiche versteigert wie bei der letzten UMTS-Auktion, wo 145 MHz zur Verfügung standen. Zugleich treibt der technische Fortschritt (16QAM und 64QAM, künftig auch MIMO) die auf einem Frequenzbereich möglichen Datenraten immer weiter nach oben. Zweitens ist die Zahl der möglichen Interessenten durch nationale und internationale Fusionen zurückgegangen. UMTS-Mitbieter debitel gehört inzwischen zu freenet. Telefónica, der internationale Konzern hinter Quam, hat sich zwischenzeitlich o2 einverleibt. Drittens ist die Stimmung in der Telekommunikations-Industrie bei weitem nicht mehr so überhitzt wie im Jahr 2000, dem Höhepunkt der "Dot Com Bubble", als alles ging. Zwar haben alle Unternehmen ein erhebliches Interesse an neuen Frequenzbändern, aber nicht mehr um jeden Preis. Und so wird es insbesondere nicht mehr zu dem Effekt von der letzten UMTS-Auktion kommen, bei der mehrere Bieter durch das Streben nach besonders üppiger Frequenzausstattung den Preis massiv weiter nach oben trieben. Schließlich ist absehbar, dass in absehbarer Zeit noch viel interessantere Frequenzen unter den Hammer kommen werden als bei der aktuellen Auktion. Während aktuell Bänder aus dem Bereich zwischen 1 800 und 2 600 MHz versteigert werden, ist künftig auch die Versteigerung von freigewordenen Fernsehfrequenzen zu erwarten, insbesondere im Bereich der UHF-Bänder IV und V von 470 bis 862 MHz. Je niedriger die Frequenz, desto höher die Reichweite bei widrigen Bedingungen wie störenden Hauswänden oder Vegetation. Zu den oben genannten preislimitierenden Faktoren kommen aber auch preistreibende: Insbesondere tritt die PC- und Internet-Industrie mit dem Datenstandard WiMAX neben den etablierten Telekommunikationsunternehmen an. So hat Google Milliarden an ungenutztem Kapital auf der Bank und könnte diese auch außerhalb der USA investieren, wo sie bereits ein Joint-Venture zum Aufbau eines WiMAX-Netzes gestartet haben. Zwar sind in Deutschland bereits erfolgreich WiMAX-Lizenzen versteigert worden, aber im ungünstigen 3 500 MHz-Band. Die jetzt zur Versteigerung anstehenden Frequenzbänder liegen allesamt niedriger und ermöglichen somit höhere Reichweiten und bessere Versorgung im Innenbereich. Der geringe Erlös der WiMAX-Versteigerung von nur 56 Millionen Euro zeigt das geringe Interesse an den hohen Frequenzen. Aber auch die Mobilfunk-Industrie fährt alles andere als mit klarer Linie und hat mit GSM/EDGE, UMTS/HS(D)PA und LTE mittlerweile drei komplementäre Mobilfunkstandards im Rennen. Zumindest für die großen Anbieter bedeutet dieses aktuell doppelten und künftig dreifachen parallelen Netzaufbau und folglich auch ineffiziente Nutzung von Frequenzen. Das treibt den Bedarf und damit auch die Preise nach oben.
Prognose: Zwei bis drei neue und zwei bis drei bestehende Anbieter erfolgreich
Die genannten Faktoren machen es schwer, eine Prognose für die Auktion abzugeben. Mindestens ein Bieter dürfte versuchen, sich einen der 2x5-MHz-Blöcke im GSM-Frequenzbereich und zugleich einen oder mehrere der 2x5-MHz-UMTS-Blöcke zu sichern. Damit ist der Aufbau eines unabhängigen neuen Netzes in Deutschland möglich. Soweit freenet das nötige Kapital beschaffen kann, ist sogar denkbar, dass sie erneut zur Auktion antreten. Genug bestehende Kunden, um das eigene Netz sofort auszulasten, haben sie ja. Ebenso dürften internationale Mobilfunk-Konzerne wie Orange, die hierzulande noch nicht vertreten sind, die Lage genau sondieren und gegebenenfalls zuschlagen. Auch branchenfremde Handelskonzerne wie die Metro sind als Quereinsteiger denkbar. Parallel dazu werden die bestehenden Netzbetreiber für die auktionierten GSM- und UMTS-Frequenzbereiche mitbieten. Zusätzliche Frequenzblöcke ergeben zusätzliche Flexibilität beim Netzaufbau. Insbesondere können diese eingesetzt werden, um in stark ausgelasteten Funkzellen die Kapazitäten zu erhöhen. Zugleich erschwert es der Konkurrenz den Einstieg, wenn die bestehenden Netzbetreiber den Preis pro Frequenzblock nach oben treiben. Am Ende ist es wahrscheinlich, dass die sechs angebotenen 2x5-MHz-Blöcke im GSM- und UMTS-Frequenzbereich jeweils preislich über die Milliardengrenze getrieben werden. Die meisten Frequenzbereiche liegen jedoch im UMTS-Erweiterungsband bei 2 600 MHz. Das ist die höchste angebotene Frequenz, ergo die mit der geringsten Reichweite und den höchsten Netzaufbaukosten. Zudem ist keine der in diesem Bereich nutzbaren Technologien - UMTS-Erweiterungsband/HSPA, LTE oder WiMAX - bereits etabliert. Folglich werden die Kosten pro Megahertz hier deutlich niedriger liegen als in den anderen Bändern. Dieses wird aber zwei bis drei Anbietern, davon ein bis zwei bereits bestehenden und ein bis zwei neuen, ermöglichen, breite Bänder zum fairen Preis zu erwerben. Damit können dann, bei entsprechend engmaschigem Netzaufbau mit HSPA, LTE oder WiMAX, wirklich breitbandige mobile Datendienste angeboten werden. Am Ende stehen vier bis sechs erfolgreiche Bieter, die geschätzte 10 bis 20 Milliarden Euro in den Staatssäckel zahlen werden. Während bei der letzten UMTS-Auktion kein Anbieter unter 8 Milliarden Euro wegkam, dürften dieses Mal die Preise stark schwanken. Der kleinste erfolgreiche Bieter könnte dabei mit rund 1 Milliarde Euro vergleichsweise günstig wegkommen, während der größte Bieter möglicherweise fast so viel zahlen wird wie bei der letzten UMTS-Auktion, dafür aber die vielfache Leistung erhalten wird, z.B. 2x70 MHz statt nur 2x10 MHz. Aber, und das sei als letztes Wort warnend erwähnt: Es kann auch völlig anders kommen als hier prognostiziert. |