Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und Russlands Staatschef Wladimir Putin planen für Dienstag ein Treffen in Minsk. Das klingt nach Entspannung, doch ein Ende des Kriegs in der Ostukraine ist nicht in Sicht.....
Das von den Rebellen gehaltene Gebiet macht gerade mal ein Prozent des gesamten ukrainischen Territoriums aus. Selbst wenn man die Provinzen Donezk und Luhansk als Ganzes berücksichtigt - also jene Gebiete, deren Bevölkerungen sich im Mai mehrheitlich für eine Autonomie aussprachen -, kommt man lediglich auf neun Prozent des Landes, wo es Widerstand gegen die Regierung gibt. Das wird in Deutschland meist vergessen.
Diese Größenordnung sollte man sich vor Augen halten, wenn man wie Sigmar Gabriel eine "Föderalisierung" der Ukraine fordert. Ja, vermutlich 70 Prozent der Bevölkerung beider Provinzen haben im Mai für eine Autonomie ihrer Gebiete gestimmt, verlässliche Zahlen gibt es nicht. Aber dieses Referendum hat wenig mit dem bewaffneten Aufstand zu tun, den die militanten Separatisten im Frühjahr begannen und der dann einen Krieg ausgelöst hat. Die Rebellen sickerten erst nach dem Referendum in die Städte ein, sie sind nicht die Interessenvertreter der Bevölkerung. Das zeigt sich daran, dass nur wenige Donezker und Luhansker ihren Aufrufen folgten, in ihre sogenannte Volkswehr einzutreten. Die Rebellen führen einen Krieg, der keine "Volkserhebung" ist, wie sie behaupten, dieser Krieg wurde mit russischer Hilfe dorthingetragen.
Dezentralisierung und mehr Autonomie für die Gebiete Donezk und Luhansk sind ein vernünftiges Ziel, Kiew hat das versprochen. Eine Föderalisierung - also die weitgehende Abkopplung der Gebiete - macht schon deswegen keinen Sinn, weil auch jene Behauptung der Rebellen nicht stimmt, wonach die Ukraine bislang vom Donbass gestützt und finanziert worden ist. Es ist eine Legende, die sich aber auch in Donezk hartnäckig hält. Ex-Staatschef Wiktor Janukowytsch, der ebenfalls aus dieser Gegend stammt, hat sie fleißig genährt. In Wirklichkeit subventioniert Kiew schon seit Jahren die unrentablen Bergwerke des Donezkbeckens. Allein käme die Ostukraine also nie zurecht. Eine Föderalisierung käme lediglich Russland zupass - es könnte die Region weiter als Unruheherd gegen die Kiewer Regierung nutzen.
Die Krim mag auf absehbare Zeit verloren sein, für das nationale Selbstverständnis bleibt sie unverzichtbar.....
Die EU fordert einen Waffenstillstand um jeden Preis, Moskau natürlich auch. Darauf wird sich Kiew erst einlassen, wenn die Grenze zu Russland geschlossen ist - also keine russischen Freiwilligen und keine russischen Waffen mehr in die Ostukraine gebracht werden. Der Krieg ist in den letzten Tagen immer heftiger geworden. Die ukrainische Armee erleidet Niederlage um Niederlage, während die Rebellen auf wundersame Weise einer zahlenmäßigen Übermacht standhalten. Das wäre ohne russische Unterstützung nicht möglich. Ließe sich Poroschenko auf einen erneuten Waffenstillstand ein, könnten die Rebellen wieder Atem schöpfen, ihre Kräfte umgruppieren und sich mit weiteren russischen Waffen versorgen - denn etwa hundert Kilometer der Grenze zu Russland sind noch immer unter ihrer Kontrolle. Russland lehnt eine Abschottung der Grenze bisher ab. Hier zeigt sich die Schlüsselrolle des Westens: Kann er Putin in diesem Punkt nicht zum Einlenken bewegen, wird der Krieg bis zum Winter weitergehen.
Das wichtigste Zeichen für Moskau hat Poroschenko gegeben: Die Ukraine drängt nicht in die Nato, sondern strebt möglicherweise einen neutralen Status an. Mehr kann Putin von Kiew jetzt kaum erwarten. Denn eines muss Russlands Präsident erkennen: Er hat zwar die Krim gewonnen, die restliche Ukraine aber verloren. Der Krieg im Osten hat die Ukrainer zusammengeschweißt und das erzeugt, was ihnen bisher weitgehend fehlte: ein ukrainisches Nationalgefühl. In Charkiw und in Dnipropetrowsk, zwei Großstädten, die früher einen engen Bezug zu Russland hatten, sind jetzt überall die ukrainischen Farben zu sehen. http://www.spiegel.de/politik/ausland/...-nicht-beenden-a-987912.html |