Die Verereinten Nationen schlagen Alarm: Die Menschen im Südlibanon können kaum noch versorgt werden, und auch in der Hauptstadt Beirut mit 100 000 Flüchtlingen gehen die Vorräte aus. Die Lage der Zivilbevölkerung im Libanon verschärfe sich täglich, teilten verschiedene Organisationen am Dienstag mit. „Die humanitäre Uhr tickt“, sagte eine Sprecherin des UN-Kinderhilfswerks Unicef in Genf. Der Südlibanon sei für die Hilfsorganisationen eine unzugängliche Region geworden.
Ein für Montag geplanter Konvoi des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR nach Beirut wartete am Dienstagmorgen noch an der syrischen Grenze. Die sechs Lastwagen mit Decken, Matratzen, Zelten und Kochausrüstungen würden dringend benötigt, sagte eine Sprecherin. Die Vorräte an Hilfsgütern in Beirut seien so gut wie erschöpft. Zwei Frachtmaschinen mit weiteren Decken und Matratzen stünden startbereit in der jordanischen Hauptstadt Amman. Allein in Beirut gebe es 100 000 Flüchtlinge.
Keine Fahrer, kein Treibstoff
Die Weltgesundheitsorganisation WHO forderte die Konfliktparteien auf, Treibstofflieferungen zu den Krankenhäusern zu lassen. Dies sei eine Frage von Leben und Tod. Wegen der Schäden an der öffentlichen Infrastruktur hänge die Funktionsfähigkeit der Kliniken von Dieselgeneratoren ab, die den Strom für Wasserpumpen und Medikamentenkühlschränke liefern müssten.
Das Welternährungsprogramm WFP beklagte, dass es immer schwerer werde, Fahrer für die Hilfstransporte zu finden, seit ein UN-Konvoi am Sonntag unter Feuer geraten sei. Zudem würden die Schäden an Brücken und Straßen zu langen Umwegen zwingen.
Geisterstraßen rund um Tyrus
Nach Israels Drohung, Fahrzeuge zu bombardieren, fahren in und um Tyrus nicht einmal mehr Krankenwagen. In der Umgebung der südlibanesischen Stadt kam der Verkehr am Dienstag zum Erliegen. Ein Fahrer des Roten Kreuzes in Tyrus erklärte: „Auch alle Krankentransportfahrer sind angewiesen worden, ihr Hauptquartier in Tyrus nicht zu verlassen.“
Israelische Flugzeuge hatten zuvor Flugblätter abgeworfen, auf denen es hieß: „Jedes Fahrzeug – welcher Art auch immer – das südlich des Litani-Flusses unterwegs ist, wird bombardiert werden, weil der Verdacht besteht, dass damit Raketen und Waffen für die Terroristen transportiert werden.“
Steinmeier in Beirut
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sicherte dem Libanon bei seinem Besuch in Beirut zu, sich bei seinen Gesprächen in Israel am Mittwoch auch für eine Verbesserung der humanitären Situation einzusetzen. Zugleich sprach er der libanesischen Führung das Mitgefühl der Bundesregierung, vor allem für die Opfer in der Bevölkerung im Süden Libanons aus.
In der seit Wochen unter israelischem Bombardement liegenden libanesischen Hauptstadt warb Steinmeier um Unterstützung für den Resolutionsentwurf des UN-Sicherheitsrates, der eine Einstellung der Feindseligkeiten fordert. Der Libanon verlangt mit anderen arabischen Staaten eine Änderung der Resolution und dringt dabei auf den unverzüglichen Rückzug der israelischen Armee Libanon und einen sofortigen Waffenstillstand.
„Katastrophale Lage“
Der libanesische Regierungschef Fuad Siniora rief die internationale Staatengemeinschaft auf, bei ihren Bemühungen für ein Ende des Krieges zwischen Israel und der Hisbollah kein Stückwerk zu produzieren. Der Libanon befinde sich derzeit in einer „katastrophalen Lage“ und sei deshalb darauf angewiesen, dass eine „dauerhafte und umfassende Lösung“ für die Wurzeln des Konfliktes gefunden werde, sagte er in einem Interview mit dem Nachrichtensender El Arabija.
Libanon verlegt Truppen
Israels Ministerpräsident Ehud Olmert zeigte sich offen für den libanesischen Plan, 15 000 Regierungssoldaten in den umkämpften Süden des Landes zu entsenden. „Diese Entscheidung ist ein interessanter Schritt, den wir untersuchen müssen“, sagte Olmert zu einem entsprechenden Beschluss des libanesischen Kabinetts.
Weitere Ausweiterung der Offensive?
Das israelische Sicherheitskabinett will nach Olmerts Worten am Mittwoch über eine Ausweitung der Offensive im Südlibanon beraten. Verteidigungsminister Amir Perez hat die Armee angewiesen, sich auf einen möglichen Vorstoß bis zum Fluss Litani etwa 20 Kilometer nördlich der Grenze vorzubereiten.
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