Neuer Gegenwind für BVB Wieder kein gute Tag für Borussia Dortmund: Anlegerschutz-Anwalt Rotter hat seine Vorwürfe im Streit um die Prospekthaftung beim Börsengang des Fußball-Bundesligisten konkretisiert. Und die Zahlen für das erste Halbjahr sind dunkelrot. BORUSSIA DORTMUND DORTMUND. Es ist kalt auf der steinernen Platte des Dortmunder Friedensplatzes. In der Mitte steht der begehbare Fußball, der im Auftrag des DFB mit mittelmäßigen Spielchen für die Weltmeisterschaft 2006 wirbt. Direkt dahinter ein Balkon. Der Balkon. Wo sie hochgehalten wurden, die Trophäen, egal ob DFB-Pokal, Meisterschale oder Champions-League-Cup. Immer endeten sie hier, die Triumphe des örtlichen Ballspielvereins Borussia. Dann war es nicht so kalt, hunderttausende wärmten sich am Erfolg und an sich selbst. Es ist eine fast boshafte Wahl, die Klaus Rotter getroffen hat. In einem Hotel, nur ein paar Schritte entfernt vom Friedensplatz, erläuterte der auf Anlegerschutzklagen spezialisierte Anwalt aus München gestern morgen die Anzeige, die er eingereicht hat gegen die beiden, denengenauso auf dem Friedensplatz gehuldigt wurde wie Spielern und Trainern: Gerd Niebaum, Ex-Geschäftsführer der Borussia Dortmund KgaA, und Michael Meier, weiter in diesem Amt tätig. Kapitalanlagebetrug und Kursmanipulation wirft Rotter den beiden vor. Die Begründung überraschte nicht (siehe Überblick am Ende desTextes): Es geht zum einen um jenen Vertrag mit dem Gerling-Konzern, in dem der BVB die Markenrechte an seiner Sportartikeltochter Goool verpachtet hatte, zum anderen um zu späte Information über die desaströse Verfassung des Clubs. Noch allerdings habe er keine Mandanten angenommen, eine zweistellige Zahl von Anfragen sei jedoch bei ihm eingetroffen. In einer schriftlichen Replik erklärten die Anwälte von Niebaum und Meier, der Emissionsprospekt sei „höchst sorgfältig“ von einer spezialisierten Kanzlei erarbeitet worden. Fazit: „Viel Lärm um nichts anderes als um die Strafanzeige-Kanzlei Rotter.“
Nervös ist man trotzdem in der BVB-Zentrale. Gestern Mittag sollten die Halbjahreszahlen veröffentlicht werden – doch sie kamen nicht. Man wolle alles richtig machen bei der Formulierung der Ad-hoc-Mitteilung, hieß es bei der Borussia. Erst um 18.45 Uhr informierte der Club die Öffentlichkeit: Zwischen Juli und Ende Dezember 2004 machte der BVB einen Verlust vor Steuern von 30,8 Mill. Euro, im Vorjahreszeitraum waren es 29,4 Mill. Euro. Zuzüglich einer „Drohverlustrückstellung zur Berücksichtigung eines Markenwertrisikos“ ergibt sich ein Nettoverlust von 54,8 Mill. Euro. Die Gesamtleistung fiel in dem Halbjahr um 11,1 Mill. auf 39,3 Mill. Euro. Das Interesse an den immer neuen roten Zahlen der Borussen dürfte ohnehin begrenzt sein, nachdem Anlegeranwalt Rotter gestern erklärte, die jetzt gestellte Anzeige sei erst der Anfang: „Wir prüfen eine Reihe weiterer Vorwürfe.“ Dabei könnte es um Details aus dem Prospekt des Immobilienfonds Molsiris gehen, der 2002 das Westfalenstadion in einem Sale-and-lease-back-Verfahren übernommen hat. Dabei warb er nicht nur plakativ („Werden Sie Champion“), sondern lobt die wirtschaftliche Lage des Stadionhauptmieters in bemerkenswerten Tönen: „Das Fußballunternehmen Borussia Dortmund weite eine hohe Eigenkapitalquote... sowie umfangreiche liquide Mittel auf.“ Belegt wird dies mit Zahlen aus der Bilanz zum 30.6.2002 und dem Halbjahresbericht zum 31.12.2002. Zu dieser Zeit stiegen die liquiden Mittel in nur sechs Monaten von 64,9 Mill. auf 125,2 Mill. Euro. Doch findet sich in den beiden Publikationen auch der Hinweis auf den Stadionverkauf an Molsiris. Warb der Fonds also mit einem Mieter, der so gut dastand, weil es den Fonds gab? Es sei zu prüfen, ob die Anleger des Fonds alle relevanten Informationen bekamen, meint Andreas Kühne, Anwalt der Düsseldorfer Kanzlei Velten Franz Jakoby: „Sollte die Informationspflicht nicht vollständig erfüllt worden sein, müssen sich Anleger mit der Frage beschäftigen, ob zivilrechtliche Ansprüche bestehen.“ Juristische Probleme sind aber nicht die einzigen, die den BVB derzeit umtreiben. So meldeten gestern die „Ruhr Nachrichten“, der Club habe bei der Stadt Dortmund um eine Stundung ihrer Gewerbesteuerzahlung gebeten, es geht um fünf Millionen Euro. Dabei habe die rot-grüne Mehrheit im Rathaus positiv reagiert, CDU und FDP verhielten sich noch abwartend.
Deftiger ging es da am Vorabend in einer Talkshow des Hessischen Rundfunks zu. Eintracht Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen zeterte da zum Thema Lizenzerteilung im vergangenen Jahr. Sein Club war in der vergangenen Saison abgestiegen und habe einen Anspruch auf einen Platz in der Bundesliga, wenn einem anderen Verein zu Unrecht die Lizenz erteilt worden sein soll. Und wenn schließlich alle etwas sagen, wollen auch die Politiker nicht nachstehen. Bayerns Landesvater Edmund Stoiber (CSU) erklärte gegenüber dem Nachrichtensender N24: „Es wird keine Sonderrechte für den BVB geben. Wer sich übernimmt, kriegt seine Lizenz nicht.“ Welche Funktion Stoiber im Rahmen der Lizenzerteilung inne hat? Keine. Überblick: Rotters Anklage Der Gerling-Vertrag: Fünf Wochen vor dem Börsengang verleaste der BVB die Markenrechte an seiner Tochter Goool an Gerling. Als Sicherheit hinterlegte er wesentliche Markenrechte am Vereinsnamen und -logo. Beide Partner haben eine Ausstiegsoption. Der Vorwurf: Der Vertrag wird im Börsenprospekt erwähnt – jedoch nur mit einer einseitigen Ausstiegsoption für die Borussia. Der Sahle-Vertrag: Im März 2004 gewährt der Unternehmer Paul Sahle dem BVB ein 15-Millionen-Euro-Darlehen. Besichert wird es mit verschiedenen Abtretungen aus Dauerkartenverkäufen und Transfererlösen. Der Vorwurf: Der Vertrag macht die massiven Probleme der Borussia deutlich. Dass er nicht bekannt gemacht wurde, sei Kursmanipulation.
Von Thomas Knüwer, Handelsblatt 28.02.2005 |