Du hast durchaus Recht damit, dass der private potente Cleverle zuerst Lücken zu seinem Vorteil ausnutzt, die der Staat und Gesetzgeber im Nachhinein schließen muss.
Im Fall CumEx, im Fall Wirecard, in den Fällen von Sozialbetrug, Verschleuderung von inländischen Vermögenswerten (Target 2 – Salden), ungerechtfertigter Masseneinwanderung, wie auch in vielen anderen Fällen, stellt sich der Staat und seine Behörden jedoch zumeist dermaßen schwerfällig an, dass man ihm Vorsatz oder zumindest Unwillen vorhalten kann. Ob dieser Unwille ideologisch begründet ist oder daher rührt, dass sich einzelne Entscheidungsträger im Zusammenhang mit diesen Mißständen profilieren oder bereichern, muss zumindest kritisch hinterfragt werden.
Ich habe bisher noch nicht eine halbwegs schlüssige Begründung dafür erhalten, dass man einen Konzern mit 6.200 Mitarbeitern, von denen der größte Teil hochqualifiziert war und in den aktuellen Zukunftsbereichen Digitalisierung und ZDL gearbeitet hat, innerhalb weniger Wochen kurz und klein schlagen muss. Ein Konzern in der Größenordnung von Wirecard mit dem v.g. Mitarbeiterstamm ist ein Kompetenzzentrum. Das zerschlägt man nicht wegen angeblich nicht ausweisbarem Geld, welches sich ohne Aufwand drucken lässt. Sonst wird jeder Schwachsinn gerettet und am Leben gehalten, bei WDI kann die Zerschlagung gar nicht schnell genug gehen. Wenn MB und JM wirklich Bösewichte sein sollten, nun, dann tauscht man sie aus, restrukturiert ein bisschen und macht weiter mit 6.200 MA oder auch ein paar weniger.
So etwas wie im Fall der Zerschlagung von WDI passiert nicht zufällig, dass ist gesteuert und von oberster Stelle abgesegnet. Insofern hat dieses Thema auch nichts mit einem schwerfälligen Staat, der erst noch Gesetze schaffen muss, zu tun, sondern eher mit einem unwilligen Staat, der, warum auch immer, nicht anders darf oder will.
Bezüglich der in Deutschland gern gebrauchten Vorwürfe zu Gier und leistungslosem Einkommen sei nachstehendes angemerkt:
Wirecard war im Vergleich zu seinen Peers sehr moderat bis billig bewertet. Auch im Vergleich zu Wachstumswerten anderer Branchen. WDI war kein StartUp und hatte über viele Jahre geprüfte Bilanzen vorzuweisen. WDI war in einem Wachstumsmarkt unterwegs, der gerade erst Fahrt aufnimmt und neben der klassischen ZDL vielfältige zusätzliche Einnahmequellen im Bereich der Digitalisierung ermöglicht.
Das manche Anleger (auch ich) zu wenig gestreut und damit ihr allgemeines Risiko überhöht haben, ist vielfach einer gewissen Unerfahrenheit zuzuschreiben, bei einem unterbewerteten DAX-KONZERN jedoch noch verständlich. WDI war kein StartUp der Solar- oder Wasserstoffbranche.
Bezüglich des in Deutschland verpönten leistungslosen Einkommens durch Anlage sollte man wenigstens noch bezüglich des Anlagegrundes unterscheiden,
Die Wenigsten haben Kapital zur Anlage ohne zuvor Leistung erbracht zu haben. Jüngere Anleger haben in der Regel noch nicht ausreichend Zeit zum Geld verdienen und sparen gehabt um wirklich relevante Summen anzulegen, die ihnen durch Kurssteigerungen ein dauerhaft leistungsloses Einkommen ermöglichen. Ältere Anleger haben diese Zeit gehabt, zumeist ihr ganzes Leben gearbeitet und weniger ausgegeben, als sie erarbeitet haben. Diese Gruppe legt Geld an um die bereits durch Arbeit erbrachte Lebensleistung, die ja durch Inflation auch entwertet wird, sich für das Alter zu bewahren und dann im wohlverdienten Ruhestand leistungslos zu genießen. Das ist legitim. Es gibt Staaten wie die USA, wo diese Eigenverantwortung bei der Altersvorsorge verlangt wird und vom Staat durch effektive Kontrolle der Systeme auch geschützt wird. Eine solche eigenverantwortliche Kultur ist sinnvoll, wünschenswert und machbar.
Der Staat vermag mit seinen Sozialsystemen kaum noch die Altersvorsorge ausreichend abzusichern. Vor allem Dingen auch deswegen, weil sich Viele aus diesen Kassen bedienen, die im Leben bisher kaum Leistungen erbracht haben. Insofern macht es Sinn und ist auch legitim, nach alternativen Möglichkeiten zur Anlage der Überschüsse aus bereits erbrachter Lebensleistung zu suchen. Diese zumeist älteren Anleger haben den Staat und seine Behörden durch Steuern finanziert und erwarten zu Recht, dass der Staat ausreichend Mechanismen gegen Betrug schafft.
Wenn dann, wie im Fall Wirecard, der nicht unbegründete Verdacht aufkommt, dass der Staat und seine Behörden nicht nur unfähig sondern eventuell ein Teil des schlechten Spiels sind, damit also überproportional in der Verantwortung stecken, dann sollte es nachvollziehbar sein, dass entsprechende Konsequenzen von den Betrogenen verlangt werden.
Wenn das nicht erfolgt, dann wenden sich die Bürger ab oder stellen sich gegen den Staat und seine Behörden.
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