Sender bangen um Sportwetten-Erlöse von Isabell Hülsen, Hamburg
Die deutschen Fernsehsender machen gemeinsam Druck auf die Politik, um eine Liberalisierung des Sportwettenmarktes durchzusetzen. Der Sportkanal DSF, der Abosender Premiere und die großen TV-Konzerne RTL und Pro Sieben Sat 1 haben sich zu diesem Zweck in einem Arbeitskreis Wetten verbündet. In einem Schreiben des Gremiums an die Ministerpräsidenten der Länder, das der FTD vorliegt, heißt es, ein mögliches Verbot privater Wettangebote hätte für die deutsche Medienindustrie "verheerende finanzielle Folgen". So verlören die TV-Sender Werbeeinnahmen "in deutlich zweistelliger Millionenhöhe", sollten private Wettanbieter verboten werden.
Mit ihrem Vorstoß zielen die Sender auf ein Treffen der Regierungschefs der Länder am 22. Juni, bei dem das Thema Sportwetten auf der Agenda steht. Dabei soll eine gemeinsame Linie gefunden werden, wie das im März ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen ist. Die Karlsruher Richter hatten das Monopol des staatlichen Anbieters Oddset zwar für verfassungswidrig erklärt, dem Gesetzgeber aber zwei Wege aufgezeigt, um den Markt bis Ende 2007 neu zu regeln. So darf das Monopol bleiben, wenn es dazu dient, Spiel- und Wettsucht effektiv zu bekämpfen - was laut Gericht derzeit nicht der Fall ist. Oder der Gesetzgeber muss auch private Konkurrenten zulassen.
Bereits direkt nach dem Urteil hatten einzelne Länder wie Bayern und Nordrhein-Westfalen begonnen, gegen Wettfirmen ohne staatliche Konzession vorzugehen, inzwischen haben andere Länder nachgezogen. Unklar ist seither auch, ob die vier bisher legalen Privatanbieter, die über eine alte DDR-Lizenz verfügen wie das Unternehmen Betandwin, künftig weiter tätig sein dürfen. In der Branche herrscht deshalb Unsicherheit über die Rechtslage. "Das Urteil hat den Markt sehr gelähmt", sagt Carsten Schmidt, Vorstand beim Abosender Premiere. In dem Brief an die Ministerpräsidenten fordern die Sender, dass die Länder in der Übergangsphase bis zu einem neuen Gesetz keine "schnelle Entscheidung zum Verbot privater Wettangebote treffen". Davon würden allenfalls ausländische Anbieter profitieren, die längst Wetten über das Internet anbieten. "In Deutschland wird das Thema kriminalisiert, das ist eine Farce", sagt Rainer Hüther, Chef des zum Münchner Medienunternehmen EM.TV gehörenden Sportkanals DSF.
Eigene Wettangebote
Ursprünglich hatten die Sender gehofft, nicht bloß über Werbeeinnahmen vom Wettgeschäft zu profitieren, sondern bis zur Fußball-WM gemeinsam mit den bisher legalen Privatfirmen auch selbst Wettangebote zu starten. "Das werden wohl nur noch Mutige machen", heißt es nun bei einem der betroffenen Sender. Das DSF etwa hat seine Pläne für ein eigenes Wettangebot vorerst zurückgestellt. "Wir haben entschieden, die juristischen Rahmenbedingungen auszuloten", sagt Senderchef Hüther. Das Angebot eigener Wetten spiele für die Umsatzerwartungen in diesem Jahr keine Rolle mehr. Allenfalls Geschicklichkeitsspiele will das DSF vorerst auf die Beine stellen und so genannte 49-Cent-Wetten, bei denen der Zuschauer kein Geld einsetzt, sondern 49 Cent etwa für die Teilnahme an Quizfragen zahlt. "Das ist nur eine Rückfallposition, um eine Marke aufzubauen. Wir wollen Sportwetten anbieten", sagt Hüther. Die TV-Sender lockt der Zutritt zu einem lukrativen Markt: 2005 investierten die Deutschen rund 2 Mrd. Euro in Wetten, auf 5 bis 6 Mrd. Euro wird das Marktpotenzial geschätzt.
Von der WM hofft das DSF dennoch zu profitieren, weil Anbieter wie Betandwin vorerst weiter Werbung schalten. Rund 15 Prozent der Werbeerlöse des DSF entfallen inzwischen auf Sportwetten- und Pokeranbieter und damit viermal so viel wie im Vorjahr. Allein Betandwin hat für das laufende Jahr 50 Mio. Euro für Werbung eingeplant, 2005 lag die Summe noch bei der Hälfte. "Unsere Lizenz in Deutschland ist seit über 15 Jahren gültig, und wir gehen davon aus, dass das so bleibt", heißt es bei Betandwin.
Auch beim Abokanal Premiere hält man vorerst an dem Plan fest, den Tochtersender Premiere Win zu einem echten Wettkanal auszubauen. Bisher laufen dort lediglich Pferdewetten, die legal sind, weil die Rennen in Deutschland als "Leistungsschau" eingestuft werden. Bei Premiere heißt es, man verhandele mit mehr als einem möglichen Lizenzpartner.
Liga unterstützt die Pläne
Unterstützung bekommen die Sender von der Fußball-Bundesliga. In einem Brief an die Innenminister beschwerten sich Liga-Präsident Werner Hackmann und DFB-Präses Theo Zwanziger bereits im April über das uneinheitliche Vorgehen der Länder gegen die Privatanbieter. Dies sorge für Verunsicherung vor allem bei den Clubs, die Vereinbarungen mit einem Sportwettenanbieter geschlossen hätten, der eine DDR-Lizenz besitze. Das Gericht habe den Ländern Spielraum gegeben, ob und wie stark sie bis zu einer Neuregelung 2007 gegen private Firmen vorgehen und ob man die Inhaber von DDR-Lizenzen ebenfalls rechtlich verfolge. Das strikte Vorgehen sei nicht ohne Risiko, denn womöglich drohten Schadensersatzforderungen der vier Privatanbieter.
Quelle: Financial Times Deutschland |