Aus der FTD vom 27.4.2004
SPD streitet über staatliche Lohnhilfe für Arbeitslose Von Timo Pache, Ulrike Sosalla und Maike Rademaker, Berlin
Die CDU hat ein Zehn-Punkte-Programm für den Osten beschlossen. Zugleich geht in der SPD geht der Streit um staatliche Lohnhilfen für Langzeitarbeitslose in eine neue Runde.
Noch vor der Bundestagswahl 2006 solle es ein Gesetz für einen bundesweiten Niedriglohnsektor geben, forderte am Montag der SPD-Politiker Rainer Wend, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit. Doch SPD-Generalsekretär Klaus-Uwe Benneter pfiff Wend postwendend zurück. "Das ist kein perspektivisches Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit", stellte Benneter für die SPD klar.
CDU-Chefin Angela Merkel nahm die Debatte unter den Sozialdemokraten auf. Sie sprach sich für Zuschüsse an Langzeitarbeitslose aus, die einen gering bezahlten Job annehmen. Das Präsidium ihrer Partei verabschiedete ein Zehn-Punkte-Programm für den Aufbau Ost. In dem Papier wird neben einem staatlich geförderten Niedriglohnsektor eine Lockerung des Kündigungsschutzes gefordert.
Staatliche Hilfen für Billigjobs in großem Umfang wären ein Novum in der Arbeitsmarktpolitik. Bisher werden so genannte Kombilöhne oder Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber nur eingeschränkt gewährt.
Münteferings Missverständnisse
SPD-Chef Franz Müntefering hatte am Wochenende eine Diskussion darüber angestoßen, wie man schlecht bezahlte Arbeiten mit "Hilfen" interessanter machen könne. Dies war als Initiative verstanden worden, um Zuschüsse auszuweiten. Generalsekretär Benneter bemühte sich nun, Münteferings Äußerungen als "Missverständnis" zu deuten. "Franz Müntefering ist nicht für einen staatlich geförderten Niedriglohnsektor", stellte Benneter klar.
Auch der wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Brandner, sagte der Financial Times Deutschland, "von einem Gesetz für einen Niedriglohnsektor halte ich nichts". Staatliche Hilfen für Geringverdiener bürgen die Gefahr einer Dauersubvention.
Gefahr von Mitnahmeeffekten
In diese Richtung geht auch die Kritik der Gewerkschaften. DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer sagte am Montag, Zuschüsse zu Niedriglöhnen "gibt es bereits. Die Mitnahmeeffekte sind sehr groß. Der Glaube, auf diese Weise die Arbeitsmarktprobleme überwinden zu können, ist verfehlt". Am Abend trafen sich führende Gewerkschafter mit der SPD-Spitze, um über die EU-Osterweiterung und die Arbeitsmarktpolitik zu beraten.
Gegen seine Partei und die Gewerkschaften argumentierte SPD-Wirtschaftspolitiker Wend. Ohne größere staatliche Hilfen hätten heutige Langzeitarbeitslose kaum eine Chance, jemals wieder einen Job zu finden. "Selbst wenn sich die Konjunktur wieder belebt, wird sich auf dem Arbeitsmarkt bei den Langzeitsarbeitlosen kaum etwas tun. Wenn wir da etwas Substanzielles bewegen wollen, brauchen wir neue Konzepte." Daher sei ein Gesetz nötig, das Hilfen für Geringverdiener ausweite. Zugleich müsse das Gesetz der Kritik der Gewerkschaften begegnen und Mitnahmeeffekte verhindern. So sollten die Hilfen für Arbeitgeber nur gewährt werden, wenn die Zahl der Arbeitsplätze in einem Betrieb auch tatsächlich steige.
Benneter verwies auf die neuen Möglichkeiten für subventionierte Jobs ab 2005. Mit dem Arbeitslosengeld II würden die Möglichkeiten für Arbeitslose, ihre staatliche Hilfe durch Jobs zu aufzustocken, verbessert. Zugleich würden die Zuschüsse an Arbeitgeber, die Arbeitslosen einen Job bieten, verlängert. Bisher übernimmt die örtliche Arbeitsagentur zwölf Monate lang bis zur Hälfte des Gehalts. Diese Frist steigt ab 2005 auf bis zu 24 Monate. Diese Maßnahmen gehen der Union, die die Reformen im Dezember im Vermittlungsausschuss mit ausgehandelt hatte, nicht weit genug.
Merkel für Löhne aus zwei Teilen
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sagte, Deutschland brauche im Niedriglohnbereich künftig Löhne aus zwei Bestandteilen. Der Lohn solle durch eine Subvention ergänzt werden, damit Menschen, die arbeiten, mehr erhielten als jene, die nicht arbeiten. "Die Chancen für solche Modelle wurden an vielen Stellen nicht ergriffen, zuletzt Ende letzten Jahres beim Vermittlungsverfahren zur Arbeitsmarktreform", warf sie der Regierung vor.
Ziel ihrer Partei sei es nun, das derzeitige System der Lohnersatz- und Transferleistungen umzubauen in ein System der Lohnergänzung für arbeitsfähige Arbeitslose. Damit sollten neue Arbeitsplätze geschaffen und den zahlreichen Langzeitarbeitslosen in Ostdeutschland neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet werden.
Lohnhilfen heute
Kosten Die Arbeitsämter zahlen bis zu zwölf Monate die Hälfte des Lohns, wenn Arbeitgeber einen Arbeitslosen einstellen. Ab 2005 steigt die Frist auf 24 Monate.
Kombilohn Mit dem Arbeitslosengeld II können Arbeitslose mehr dazuverdienen. Zudem erhalten sie Hilfen, wenn sie einen schlecht bezahlten Job annehmen, das Arbeitslosengeld II aber ausläuft.
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