Sead Husic Der Mann ohne EigenschaftenKlaus Uwe Benneter soll in der Parteizentrale den Aufpasser machen für seinen Freund, den Kanzler Am Sonntag findet in Berlin ein SPD-Sonderparteitag statt. Einberufen wurde der Kongress, nachdem Gerhard Schröder sein Amt als Bundesvorsitzender nach wochenlanger Kritik von der Basis und stetig verschlechterten Umfragewerten aufgegeben hatte. Nun soll Franz Müntefering die demoralisierten Sozialdemokraten wieder aufrichten und Klaus Uwe Benneter die Leitung im Willy-Brandt-Haus von dem glück- und konzeptlosen Olaf Scholz übernehmen.
Der Mann wirkt immer ein bisschen schüchtern und leise und so, als wäre er nicht imstande, sich gegen Beschimpfungen zu wehren und ordentlich auszuteilen. In Dresden steht er vorn am Pult vor einer Versammlung sächsischer Sozialdemokraten und versucht zu erklären, was er in den kommenden Monaten so vorhabe, um die SPD wieder "nach oben" zu bringen. Doch das Publikum ist gar nicht angetan von dem Neuen, der als besonders enger Freund des Bundeskanzlers, als "Frog" (Friend of Gerd) gilt. Mitten im Vortrag ruft dann tatsächlich ein Genosse: "Das ist ja Stuss." Klaus Uwe Benneter (56), der zu diesem Zeitpunkt noch designierter Generalsekretär seiner Partei ist, überhört die Zwischenrufe und überspielt, dass niemand Beifall klatscht, nicht einmal aus Höflichkeit. Und so verschwindet Schröders Freund so leise, wie er gekommen ist. Ein schwacher Auftritt, nur wenige Tage ist das her.
Mein lieber Marx
Szenenwechsel: Benneter sitzt lässig auf seinem Stuhl, lacht und macht Witzchen. Ihm gegenüber sitzt der Kanzler und feixt zurück, eine kleine Show, die sie hier darbieten, um ihren Gegnern zu zeigen, wer der Herr im Hause ist. Das Ganze trägt sich während der Vernehmung des Regierungschefs im Lügen-Ausschuss zu, den die CDU/CSU kurz nach dem Bundestagswahlkampf 2002 initiiert hatte. Selbst Parteifreunde empfinden das Verhalten des Ausschuss-Obmanns Benneter als anbiedernd und gegenüber einem Organ des Parlaments als anmaßend. Aber Schröder ist zufrieden. Er dankt für die gute Vorstellung. Eine schöne Gelegenheit, der Opposition zu zeigen, wie "haltlos ihre Anwürfe sind, die Regierung habe das Wahlvolk belogen". Einige Zeit später, erzählt man sich in der Fraktion, sollen Schröder und sein Freund in einer Nobelbar auf die gelungene Zusammenarbeit angestoßen haben. Sie fühlten sich wohl wie zu tollsten Juso-Zeiten, als Macho-Gehabe zum Image des Rebellen gehörte. Damals hieß Benneter noch "Benni Bürgerschreck" und gehörte zu den "Stamokaps", den Anhängern einer Theorie des "staatsmonopolistischen Kapitalismus". Sie besagte, dass im aktuellen Stadium des Kapitalismus der bürgerliche Staat zwar Instrument der Konzerne und Banken sei, aber durch eine aktive Konjunkturpolitik à la Keynes auf die kapitalistische Wirtschaft Einfluss nehmen könne. Mein lieber Marx, klar, dass war "wirres Zeug", sagt Benneter heute. Inwiefern er als Bald-General der SPD heute wirres Zeug vertreten muss, sagt er nicht. Spielt das für Aufsteigertypen wie Benneter oder Schröder überhaupt eine Rolle, die selten auf Inhalte, dafür vielmehr auf die persönliche Verwertbarkeit eines Themas achten? Schröder sagt über seinen Freund: "Der ist kein Theoretiker, der macht Politik aus dem Bauch heraus." Was der Freund als Lob verstanden wissen wollte, wirkt auf viele an der Basis wie ein Menetekel.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Bartels soll laut Bild in Bezug auf Benneter sogar von Schröders "letztem Aufgebot" gesprochen haben. In der Partei dulden die Genossen den Tennispartner des Kanzlers nur. Deutlich wurde das auf dem Bochumer Parteitag im November 2003. Zwei Mal fiel Schröders Lieblingslinker bei der Wahl zum Bundesvorstand durch. Eine schmerzhafte Ohrfeige.
Stamokap gestählt
Doch einstecken kann er, das hat Benneter oft bewiesen. Der 1947 in Karlsruhe Geborene muss sich aus kleinen Verhältnissen nach oben kämpfen. Nach dem Abitur studiert er Jura an der FU Berlin und engagiert sich bei den Jusos, in deren Reihen die Freundschaft mit Gerhard Schröder beginnt. Er beherrscht das "Kriegshandwerk" eines Politikers, was bedeutet: Er versteht es, mit den Mitteln der Denunziation und der Intrige umzugehen. Vielen imponiert das, auch dem machthungrigen jungen Mann aus Hannover, der einmal das Land regieren wird. 1974 wählen die Jusos den "Benni" zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden - Heidemarie Wieczorek-Zeul, die "rote Heidi" aus Rüsselsheim, ist zu dieser Zeit Juso-Chefin. Eifrig schreibt Benneter an Papieren, die gegen die "innerparteilichen Feinde" gerichtet sind. Auf dem legendären Wiesbadener Juso-Kongress 1975 bilden sich belastbare Seilschaften, die bis heute Bestand haben. Dass Schröder sich daran erinnert, verwundert die Kenner der Fraktionen von damals nicht. Tilman Fichter, einst Leiter der SPD-Parteischule, sagt, Stamokap-Leute seien sehr gute Organisatoren, sie würden den Parteiapparat kennen und stünden bis zum Schluss loyal zu ihrem Vorsitzenden. Einer mit den Vorzügen eines "Stamokaps" war Matthias Machnig, der mit der "Kampa" zeigte, wie ein erfolgreicher Wahlkampf zu führen ist - mit Aktionsfähigkeit und Druck von oben. Solche Fähigkeiten weiß der Kanzler zu schätzen. Aber nicht nur er - Franz Müntefering, der nun den Parteivorsitz übernimmt, will einen einstigen Stamokap-Mann zum Bundesgeschäftsführer wählen lassen: Karl Josef Wasserhövel, Stamokap gestählt und ein Organisationstalent aus dem Apparat auch er.
Drinnen und draußen
Sprung ins Jahr 1977: "Benni" erringt den Juso-Vorsitz gegen Ottmar Schreiner, der als "gemäßigt" und damit als zu brav gilt. Seine Amtszeit dauert jedoch nur vier Monate. Herbert Wehner, einst selbst Kommunist, verdächtigt den Jungsozialisten, er wolle die SPD "unterwandern" und mit der DKP "gemeinsame Sache" machen. Der damalige Bundesgeschäftsführer Egon Bahr sorgt für den Ausschluss von "Benni Bürgerschreck". Zu jenem Zeitpunkt hat sich "Benni", gar nicht erschreckend für die Bürger, längst als Anwalt in Berlin etabliert, wo er bis heute als Fachanwalt für Arbeitsrecht in der noblen Kanzlei De Witt Müller-Wrede arbeitet. In jenen Tagen aber ist Benneter ein Paria.
Als er auf dem Juso-Kongress 1978 - Schröder wird zum Juso-Chef gewählt - eine Rede halten soll, droht die Partei, den gesamten Nachwuchsverband abzustoßen. "Benni" muss draußen bleiben. Wieder einmal eine Niederlage. Davon ist auf seiner Internetseite (www.benneter.de) nichts zu erfahren - dort wird eine makel- und bruchlose SPD-Geschichte erzählt.
Erst 1983 haben ihn die Sozialdemokraten wieder aufgenommen, nachdem sein Freund, der Gerd, bis zu Willy Brandt gehen musste, um Fürsprache zu halten. Benneter ackert fortan als Lokalpolitiker, wird 1990 Schatzmeister der Berliner SPD, 1996 stellvertretender Landesvorsitzender. Erst drei Jahre später zieht er ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Dort zeigt er als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zur Berliner Bankenaffäre juristisches Geschick, befragt hartnäckig Zeugen und setzt, zur Freude der Genossen, die CDU unter Druck. Der Bürgerschreck hat wieder einen Namen. "Er ist eben ein Mann mit zwei Gesichtern", sagt ein Ausschussmitglied. Und eine Mitarbeiterin erzählt, wie schnell ihr Chef "abgehoben" sei, als er 2002 in den Bundestag einzog. Viele Bewerber auf eine Referentenstelle in seinem Büro hätten sich gemeldet. "Er versprach zurück zu rufen", sagt eine Bewerberin, "auf den Anruf warte ich noch heute." Selbst sein Parteifreund, Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit, seufzte: "Um Gottes Willen", als er von der Nominierung Benneters als Generalsekretär erfuhr. Kaum jemand glaubt, dass der Tennispartner des Kanzlers die Parteizentrale führen kann.
Als der Erwählte in der SPD-Zentrale vor einer Schar Journalisten neben der überlebensgroßen Willy-Brandt-Statue steht, lächelt er schüchtern - er ist wieder da, sogar ganz weit oben. Neben ihm steht Franz Müntefering, der neue Parteichef. Vor allem redet der, und Benneter schaut zu. Er weiß, dass er für seinen Freund hier den Aufpasser spielen und darauf achten soll, dass der Kanzler nicht vollends seine Macht über die Partei verliert. Das wird nicht einfach - der Mann zwischen Brandt und Müntefering wirkt so, als ob er bald verschwinden muss. |