Gigaset: Telefon-Aktie auf Abwegen?
Gleich mehrere Faktoren lasten auf dem Papier
In der vergangenen Börsenwoche erreichten uns Leseranfragen bezüglich der schwachen Gigaset-Kurse: In der Tat hat das Papier seit Mitte Mai, als noch Preise von 4,50 Euro gezahlt wurden, inzwischen einen strammen Abwärtstrend etabliert. Heute kostet eine Aktie nur noch 3,64 Euro, nachdem zuvor auch die Unterstützung bei 3,75 Euro gefallen war. Was also reitet den Markt, dass er Gigaset (Deutschland: AQU) derart abstraft? Zunächst einmal muss konstatiert werden, dass Gigaset keineswegs allein steht: Auch andere TecDax-Werte kamen angesichts des derzeit eingetrübten Börsenumfeldes mehr oder weniger unter die Räder. Immerhin sitzen viele Gigaset-Aktionäre, die seit einem Jahr dabei sind, auf mehr als 100% Buchgewinn, was Gewinnmitnahmen auf dem heutigen Niveau verständlich macht. Zusätzlich leidet Gigaset wohl nach wie vor unter den Schatten der Vergangenheit, denn als frühere Beteiligungsgesellschaft Arques hat man bei Investoren und Analysten sehr viel Glaubwürdigkeit verspielt. Bis diese wieder vollends hergestellt ist, braucht es Zeit.
Ein weiterer möglicher Belastungsfaktor: Gigaset wird am 30.Juni (dem ersten Wandlungstermin) seine erst im November 2010 emittierte23,8 Mio. Euro schwere Wandelanleihe (WKN: A1E8PE, Kupon: 9%) in Aktien tauschen. Das steigert die Eigenkapitalquote der Gesellschaft. Jedoch drückt der betriebswirtschaftlich sinnvolle Schritt zunächst auf die Kurse. Denn: Die Inhaber der Wandelanleihen erhalten neue Gigaset-Aktien, die der ein oder andere wohl versilbern möchte, was der Markt antizipiert.
Fundamental ist Gigaset indes weiter auf Kurs, das zeigte auch die jüngste HV: Das Telefongeschäft läuft den Konzernlenkern zufolge wie erwartet: Somit dürfen im Gesamtjahr - wie vielfach kommuniziert - knapp 60 Mio. Euro EBIT erwartet werden. Gigaset verhandelt zudem mit geeigneten Übernahmekandidaten, um beschleunigt zu wachsen. Außerdem ist der Aufsichtsrat auf der Suche nach einem neuen Vorstandschef: Nach gelungener Sanierung der ehemaligen Siemensparte braucht der Telefonhersteller nun statt eines Sanierers einen Industrie-Experten, der das organische und nicht-organische Wachstum vorantreibt.
Aus unserer Sicht bleibt die Gigaset-Aktie mit einem Gewinnmultiple von nur 8 (2011e) sehr günstig. Allerdings hängt die Kursentwicklung auch am Gesamtmarkt, der den Gigaset-Aktionären einen Strich durch die Rechnung machen könnte: Im charttechnischen Extremfall kann das Papier sogar bis auf 3 Euro zurückkommen, ohne die mittelfristig positiven Aussichten zu trüben, doch dann wird es eng. Fällt nämlich auch diese Marke nachhaltig, wäre eine Trendwendeformation vollendet und der Ausstieg ratsam! Und auf der Oberseite? Hier winkt erst über 4,60 Euro ein mittelfristiges Kaufsignal in Richtung 8 bis 10 Euro. Wahrscheinlich ist, dass Gigaset über weitere Wochen oder Monate in einer Seitwärtszone verharrt und die Kursvervierfachung seit Mitte 2010 verdaut. Investierte Anleger stehen damit vor der Frage, ob sie schmerzliche Buchverluste ertragen können oder lieber an die Seitenlinie treten. |