"Fast 22 Prozent der Bevölkerung kann sich eine Urlaubsreise nicht leisten"
..auch hier wäre es dann aber schon wichtig, sich erstmal im Detail mit den eigentlichen Ursachen zu beschäftigen, bevor man daraus konkrete Forderungen ableitet. Auch hier greifen nämlich sehr unterschiedliche Dinge ineinander und manche davon sind politisch sogar geradezu gewollt.
Zum einen muss auch hier natürlich der Zusammenhang mit der Pandemie beachtet werden. Viele Haushalte hatten während der Pandemie geringere Einnahmen und sind an ihre Rücklagen und Reserven gegangen.
Gleichzeitig wurde ein Nachfragstau nach Urlaub erzeugt, der sich nun nach der Pandemie (bei denen, die es sich weiterhin leisten können) entlädt.
"Das lässt sich zum Beispiel mit der Reiseanalyse 2021/22 der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) belegen. So ist die Reiselust auf den Höchststand von 61 Prozent gestiegen. Das sind zehn Prozent mehr gegenüber dem Vorjahr. Zudem haben 72 Prozent die Zeit und 70 Prozent auch das Geld, um zu reisen." https://www.t-online.de/leben/reisen/id_91723428/...-teurer-wird.html
Diese erhöhte Nachfrage stößt dann aber auch noch gleichzeitig auf ein verringertes Angebot, da ein Teil Im Übernachtungsgewerbe während der Pandemie nicht überlebt hat, ebenso in der Gastro.
"Besonders in den Ländern rund ums Mittelmeer ist das Hotelangebot begrenzt. Viele Hotels haben weniger staatliche Unterstützung erhalten als das deutsche Gastgewerbe. Deswegen haben sie ihre Häuser temporär geschlossen oder gingen pleite. Zugleich sind viele Mitarbeiter wegen der Unsicherheit in andere Branchen abgewandert."
Der Fachkräftemangel in vielen überalternden europäischen Ländern führt dann ebenfalls zu einem verringertem Angebot und höheren Preisen.
Die Energiekrise ist dann auch noch dazu gekommen und hat an vielen Stellen zu höheren Preisen geführt.
Auch bei den Flügen kommen besondere Effekte zum Tragen:
"Weltweit fliegen die Fluggesellschaften derzeit am Rande der Existenz. Um zu überleben, haben sie Flieger stillgelegt, Personal entlassen, Strecken gestrichen. Das heißt, die Kapazitäten sind begrenzt. Bei steigender Nachfrage ziehen daher die Preise an. So kosteten laut Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) voriges Jahr Flüge innerhalb Europas rund 22 Prozent mehr als im Rekordjahr 2019. Selbst wenn Airlines relativ schnell ihr Angebot an den Bedarf anpassen können, hat das seinen Preis. Außerdem setzt der hohe Ölpreis das Kostengefüge unter Druck und wird zeitnah weitergegeben."
Dass Billigflüge immer schwerer zu finden ist, ist dann allerdings politisch auch so gewollt, die Menschen sollen dann ja auch im Sinne Maßnahmen gegen den Klimawandel weniger fliegen, weshalb die Ära der Billigflüge dann ja auch beendet werden soll.
Auch bei den Mietwagen gibt es derzeit besondere Preiseffekte:
"Die heftigste Teuerung erlebten Verbraucher 2021 bei Mietwagen. Laut dem Vergleichsportal Check24 gab es Preissprünge bis zu 78 Prozent gegenüber 2020. In Spanien und Italien waren es teilweise sogar bis zu 150 Prozent. Billiger wird es in naher Zukunft nicht. Der Hauptgrund dafür ist das Flottenmanagement der Mietwagenfirmen. In der Corona-Krise haben Sixt & Co. ihre Fuhrparks drastisch verkleinert. Teilweise um bis zu ein Viertel. Als dann die Nachfrage Mitte 2021 anzog, stießen die Leihwagenvermieter auf ein Problem, das jeder Käufer kennt: lange Wartezeiten aufgrund von Zuliefererproblemen (Halbleiter!) in der Autobranche"
Die Preise sind für den Urlaub in den letzten Jahren also aufgrund einer sehr besonderen Gemengelage gestiegen, ein Teil dieser Effekte werden dabei wieder verschwinden, …andere werden aber noch lange andauern.
Die Zeiten des spotbilligen Massentourismus sind vermutlich schon irgendwo vorbei, was dann aus Klimagründen aber auch gewollt sein dürfte.
Vergleicht man die Preise nicht mit 2020 Prä-Corona sondern geht noch 1-2 Jahre weiter zurück, so hat man den Eindruck, dass sie Preise für einen Urlaub in der Hauptsaison mittlerweile beinahe verdoppelt haben.
Es trifft dann vor allem Familien mit Kindern, die nun mal an die Schulferien gebunden sind, und dabei nochmal ganz besonders jene Familien mit vielen Kindern und dann auch die Alleinerzieheden.
Vergleicht man die Zahlen derer, die sich derzeit keinen Urlaub leisten können dann mal mit Deinen Zahlen der relativen Kinderarmut weiter oben, dann kann man zudem davon ausgehen, dass sich diese Gruppen weitgehend überschneiden.
Zugewanderte werden auch hier überdurchschnittlich betroffen sein, insbesondere die Haushalte mit mehreren Kindern.
Was Deine Forderung, die Mindestlöhne deswegen weiter zu erhöhen betrifft, so sollte man auch hier zunächst einmal beachten, dass dieser nun gerade erst erhöht worden ist!
..und zum anderen muss man sich fragen, ob es nicht sinnvoller wäre, jene Effekte, die zu den derart angestiegenen Preisen geführt haben, zu adressieren...
…sicher, das ist natürlich sehr viel anspruchsvoller und komplexer, als einfach nur auf der anderen Seite Geld darauf zu kippen, sowas zeichnet eine gute Politik dann aber auch eben irgendwo aus. ;-)
Deutschland hat zudem ja gerade auch noch in vielen anderen Bereichen Probleme, beim Wirtschaftswachstum belegen wir OECD-weit gerade den letzten Platz!
Als Ursachen werden dabei immer dieselben Dingen ausgemacht: Die hohen Energiepreise, Fachkräftemangel, ein hohes Maß an Bürokratie, und eine zu hohe Steuer- und Abgabenlast bei Unternehmen aber Privaten. https://www.welt.de/wirtschaft/plus246596848/...rzehnt-vergeudet.html
Dass Deutschland die höchsten Energiepreise der Welt hat, ist neben anderen Faktoren aber auch politisch gemacht. Folgt man der Wirtschaftsweisen im Sachverständigenrat und Expertin für die Energieversorgung, Veronika Grimm, dann war die Abschaltung der Atomkraftwerke da auch nicht wirklich unproblematisch: https://www.welt.de/wirtschaft/plus244944300/...trompreis-steigt.html
Mit einer Verbilligung unserer Energiepreise würden also gleich mehrere Probleme auf einmal adressiert werden. Ebenso mit einer Verringerung der Steuer- und Abgabenlast für Unternehmen und Private.
"Mehr Netto vom Brutto" ist dann auch insbesondere in Hochinflationszeiten, das bessere Mittel, um die Kaufkraft der Bürger zu erhöhen.
Anders als bei Lohnerhöhungen würden dabei nämlich nicht gleichzeitig die Unternehmen mit höheren Kosten belastet, was dann zu unvermeidlichen Zweitrundeneffekten führte.
Und neben diesem grundsätzlichen Fragen nach den konzeptionell besseren Ansätzen, denke ich, dass man sich nach einem Ereignis wie dieser Pandemie dann aber auch irgendwo nicht wundern sollte, dass viele Menschen den Gürtel in den Jahren danach etwas enger schnallen müssen.
Der Wunsch, dass alle Preise sowie auch die private Wirtschaftskraft sämtlicher Haushalte hinterher sofort sind, wie zuvor, ist nun mal ein unrealistischer. Es dauert eben, bis sich eine Wirtschaft von sowas wieder ganz erholt und auch das Preisgefüge wieder normalisiert hat... |