Hier zwei Artikel dazu, der erste auf Deutsch, der zweite auf Englisch.
Der englische ist verfasst vom dt. Journalisten Jochen Bittner und in der New York Times erschienen.
Links:
1. Artikel (MSN): https://www.msn.com/de-ch/nachrichten/other/...ar-BB1bwD4N?li=BBqfZdU
2. Artikel (NYT): https://www.nytimes.com/2020/11/30/opinion/...iracy-germany-1918.html
--------------------
Der erste Artikel fasst auf Deutsch sinngemäß zusammen, was in zwei Artikeln in der Washington Post und in New York Times (Artikel von Bittner) steht.
Ich poste unten nur den ersten, weil der zweite in Englisch und nicht für alle hier verständlich lesbar ist.
----------------------
Artikel bei MSN (Auszug)
....Indem der Präsident immer wieder von «gefälschten Wahlen» schwafelt, erreicht er genau das Gegenteil. «Man kann nicht permanent erklären, dass System sei manipuliert, und gleichzeitig die Menschen auffordern, die beiden republikanischen Senatoren zu wählen», jammert Eric Johnson, Berater von GOP-Kandidatin Kelly Loeffler.
Wie also soll man Trumps irrationales Verhalten erklären? «Entweder leidet der Präsident an Wahnvorstellungen, oder er will ganz bewusst die Demokratie zerstören, um zu verleugnen, dass er ein Verlierer ist», meint dazu die «Washington Post» in einem redaktionellen Kommentar.
Vieles spricht für die zweite Variante – und damit hört der Spass definitiv auf. So befürchtet die «Washington Post»:
«Sollte Mr. Trump Millionen Amerikaner überzeugen können, dass das Wahlsystem korrupt ist, dann könnte er eine Ära von gefährlicher Instabilität einläuten; ein künftiger Kandidat könnte in der Lage sein, in einer engen Wahl ein faires Resultat umzustossen, indem er die Zweifel ausnützt, die der Präsident nun gesät hat.»
In einem Gastbeitrag in der «New York Times» geht «Zeit»-Redaktor Jochen Bittner gar noch einen Schritt weiter. Er vergleicht Trumps Vorgehen mit der Dolchstosslegende, die nach der Niederlage der Deutschen im Ersten Weltkrieg entstand. Und das kam so:
Nach vier sinnlosen Jahren Krieg weigerten sich die deutschen Soldaten, weiterzukämpfen. Sie streikten oder desertierten und zwangen das Oberkommando zur Kapitulation.
Reaktionäre deutsche Kreise weigerten sich jedoch, die Niederlage zu akzeptieren. «Im Felde unbesiegt», lautete ihre Parole. Die Schuld an der Niederlage wurde Verrätern in den eigenen Reihen in die Schuhe geschoben, hauptsächlich Sozialdemokraten und Juden.
Der Verrats-These fehlte jegliche faktische Grundlage. Trotzdem begann sie bald, ein Eigenleben zu entwickeln. Bittner schreibt:
«Sie (die Dolchstosslegende) wurde nach 1918 nicht abgeschwächt: Angesichts der Erniedrigung und der Weigerung oder der Unfähigkeit, die Wahrheit zu akzeptieren, schlossen sich viele Deutsche einer desaströsen Wahnvorstellung an: Die Nation wurde verraten, aber Ehre und Grösse gingen nie verloren. Und wer sich der nationalen Pflicht verweigerte – Linke und selbst gewählte Vertreter der Republik – konnte niemals ein Wächter des Landes sein.»
Die Dolchstosslegende war ein zentrales Element der Propaganda der Nationalsozialisten. Ohne Trump mit Hitler vergleichen zu wollen, sind die Parallelen seines Verhaltens mit den Nazis in der Weimarer Republik offensichtlich. Bittner verweist auf eine – wie damals die deutsche – tief gespaltene amerikanischen Gesellschaft und stellt fest:
«In einer Landschaft der sozialen Fragmentierung können Mr. Trumps faktenfreie Anschuldigungen grossen Schaden anrichten. Gemäss YouGov sind 88 Prozent der Trump-Wähler – eine erstaunliche Anzahl – überzeugt, dass das Wahlresultat nicht legal sei. Das ist die Saat für einen Mythos, wonach Verrat und Ungerechtigkeit auf dem Vormarsch sind.»
So gesehen ist es zu kurz gesprungen, sich über Trump lustig zu machen oder sein Verhalten bloss mit einem «verrückten König» zu vergleichen. Vergessen wir nicht: Er hat über 70 Millionen Stimmen erhalten – ein gewaltiges Potenzial für eine Neuauflage der Dolchstosslegende. |