Ich kann mir nicht vorstellen, dass politisch Informierte und keiner obrigkeitlichen Sicht Verpflichtete zu anderen Schlüssen kommen könnten als diesen:
"Ein Abgleiten in eine europäische, möglicherweise sogar globale Depression könnte bei wiederholten Shutdowns der Wirtschaft die Folge sein. Die Auswirkungen auf die soziale, kulturelle und politische Entwicklung könnten in vielen Ländern der Welt gravierend sein, bis zur Gefährdung der Demokratie."
Bevor Nida-Rümelin eigene Empfehlungen formuliert, sagt er aus guten Gründen, wie jeder weiß, der die tägliche offizielle Propagandawalze einigermaßen verfolgt:
"In einer solchen Situation hilft nur die evidenzbasierte, rationale Abwägung der Optionen. Gefordert ist in der Krise vor allem eines: Eine Urteilskraft, die die Gesamtsituation im Blick hat, geleitet von ethischen Prinzipien und einem realistischen, faktengestützten Blick auf die Gesamtlage. Wer wie führende Epidemiologen der Universitäten Harvard, Oxford und Stanford ein fokussiertes Vorgehen fordert, das Ökonomie und soziales Leben intakt hält, aber die am meisten Gefährdeten effektiv schützt, hat keine Diffamierung verdient, sondern eine sachliche Auseinandersetzung mit Pro- und Contra-Argumenten …
Nida-Rümelin empfiehlt, dass die Verantwortlichen ihr Nichtkönnen korrigieren und ihre Strategie ändern. Ich erkenne nicht die geringsten Anhaltspunkte, dass dies geschieht. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe, Ideologie und Massenmedienherrschaft. Der Autor schreibt zu Beginn seines Beitrags für die Welt:
"Ideologien können in Krisen tödlich sein … Ideologien sind Denkgebäude, die sich gegen Widerlegung durch Abschirmung sperren. Sie erkaufen innere Stimmigkeit durch Realitätsverlust. Sie verlieren die Bewährungsinstanz jeder Theorie, nämlich die Überprüfung an Fakten. Sie verlangen von ihren Anhängern gläubige Zustimmung, das, was im Mittelalter als sacrificium intellectus von den Kritikern klerikaler Dogmen gefordert wurde. Credo quia absurdum, ich glaube etwas, weil es vernunftwidrig ist, ja ich muss zum intellektuellen Opfer bereit sein, gerade weil das Dogma sich nicht rechtfertigen lässt."
Der Autor bezieht diese Gefährlichkeit von Ideologie auf die Krise der Corona-Politik, aber seine Diagnose trifft natürlich auf alle Krisen genannten Probleme zu, die von der Politik selbst gemacht sind: Eurokrise, Infrastrukturkrise, Energiekrise, Bildungskrise, Krise der öffentlichen Sicherheit, Migrationskrise, EU-Krise und so weiter.
Befördert wird diese Megakrise der Classe Politique im ganzen Westen durch eine Folge der Massenmedienherrschaft, die viele noch nicht bemerkt haben. Ob Gesetze oder andere Regierungsmaßnahmen das Ziel erreichen, dessentwegen sie beschlossen oder ergriffen werden, interessiert nicht. Tritt keine Wirkung ein, wird halt wieder was beschlossen: im Falle des Lockdown noch mehr Lockdown. Aber dieses Muster zieht sich durch alle Problemkreise. Den Einheitsmeinungsmedien reicht es, wenn Politik etwas zu tun scheint, ob’s nützt, kümmert sie nicht. Eine alte Volksweisheit gilt auch hier: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.
https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/...wn-ist-nicht-unumgaenglich/
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