Ich will mal versuchen zu beschreiben, wie ich am Beispiel eines Hemdenkaufs iBeacon und die davon erhoffte Änderung unserer Lebensweise oder wenigstens unseres Einkaufsverhaltens verstanden habe. Eigentlich bin ich hier kein Lehrer, aber rund um iBeacon scheint es mir eine Menge Missverständnisse zu geben. Z.B. "Bezahlen mit iBeacon". Das ist ein vollkommener Unsinn. iBeacon kann NICHTS außer den eigenen Ort in einem Gebäude feststellen. @XL, bitte korrigiere mich, falls ich Mist rede. 1. Die Kaufhalle hat eine iBeacon-Infrastruktur, also wenigstens einen, normalerweise viele Beacon-Sender über die Verkaufsflächen verteilt. Diese senden jedenweils in kurzen Zeitabständen ihre ID in die Welt. Sonst tun die nichts. 2. Ich habe ein mobiles iBeacon-fähiges Gerät bei mir, das diese Signale empfangen kann. Sagen wir, ein SP. Es kann von jedem Beacon-Sender die ID und über die Feldstärke die Entfernung zum Sender bestimmen. 3. Ich nähere mich oder betrete den Laden und empfange ein Beacon-Signal. 3a. Ich habe nur ein Signal. Mein SP fragt über ein anderes übliches Protokoll (Bluetooth, Wi-Fi, GSM, UMTS, egal was immer) einen lokalen oder Internet- Dienst an, was diese Beacon-ID zu bieten hat. Es kommt z.B. eine Liste mit Sonderangeboten des Ladens, die auf mein SP gepusht wird. Das SP zeigt mir das an oder schwätzt mich voll damit. Super! Das ist genau dieselbe Information wie auf den Plakaten an der Ladentür oder im Wochenblatt. Braucht also niemand. Können wir ab sofort vergessen. 3b. Ich habe drei oder mehr Signale. Mein SP fragt wie bei 3a über ein anderes übliches Protokoll einen lokalen oder Internet- Dienst an, wo genau im Laden ich bin. Das geht, wenn der Dienst in seiner Datenbank einen genauen Lageplan der Kaufhalle mit den Orten der Beacon-Sender und der Verkaufsstände hat. Per Triangulation weiß mein SP jetzt, dass ich nahe bei Regal Nr. 37 stehe. 4. Ab jetzt wird es interessant, Spätestens ab hier hat alles weitere aber nichts mehr mit iBeacon zu tun. 5. Mein SP fragt jetzt einen Dienst, was denn in Regal Nr. 37 ist. Die Kaufhalle hat dazu eine Datenbank gepflegt und hinterlegt, dass in Regal Nr. 37 Hemden sind. Das erscheint noch ganz machbar, weil die Kaufhalle ja nicht alle Tage Verkaufsorte wechselt und im Hemdenregal plötzlich lieber Schuhe anbietet. Damit kann mir jetzt mein SP anzeigen oder sagen, dass in dem Regal vor mir Hemden sind. Super! Angenommen, ich wäre blind, wäre das durchaus hilfreich. Zwischenbemerkung: Wenn es nicht um einen Kauf, sondern z.B. ein Museum mit großen Ausstellungsstücken ginge, wäre ab hier schon ein echter Nutzen möglich. Mein SP könnte mir jetzt detaillierte Informationen zu dem Ausstellungstück zeigen oder sagen. Ungefähr so wie seit Jahrzehnten die Schautafeln oder Audios mittels geliehener Kopfhörer. Aber natürlich sehr viel besser, weil flexibler, aktueller und vielleicht besser auf mich persönlich zugeschnitten (wofür es dann aber noch eine ganze Menge anderer Infrastruktur bräuchte) 6. Falls der Dienst nun an das Warenwirtschaftssystem der Kaufhalle angeschlossen wäre, und man dort nicht nur alle Artikel mit Bestand und Preisen, sondern auch noch permanent den momentanen Verkaufsstandort jedes einzelnen Artikeln täglich/stündlich einpflegen würde, dann könnte mir jetzt mein SP sagen, dass hier Hemden von folgenden Marken zu folgenden Preisen sind und dass das blaue Hemd heute im Sonderangebot ist. Allerdings sehe ich das auch selbst an der Warenauszeichnung und vielleicht ist ja gar kein blaues Hemd mehr da, weil der Kunde vor mir das letzte vor einer Minute mitgenommen hat. Was verwirrend wäre. Wollte man letzteres Problem vermeiden, müsste der Dienst wahnsinnig aktuelle Informationen haben, praktisch realtime. M.E. unmöglich. Also nimmt man solche kleine Missgeschicke in Kauf. Why not? 7. Bis jetzt konnte ich noch nichts entdecken, was mir oder dem Verkäufer wirklich nützlich sein könnte. Kein Wunder, die einzige Information über mich ist ja, das ich vor einem Regal mit Hemden stehe. Zusätzlich wohl noch, wie lange ich dort stehe. Der Verkäufer könnte mir jetzt also zeitabhängige Rabatte anbieten oder wenigstens schließen, dass ich ein Hemdenfreund bin und mich für den Rest meines Lebens mit seinen Hemdenangeboten bombardieren. Vielleicht habe ich aber vor dem Hemdenregal nur zufällig eine alte Bekannte getroffen und schwätze eine Weile mit der. Dann wären gepushte Verkäuferangebote bzgl. Hemden ziemlich lästig, und ich würde den Laden nie mehr betreten. 8. Spinnen wir den Vorgang aber weiter. Ich will tatsächlich ein Hemd kaufen. Nehme das und jenes in die Hand (wovon die Kaufhalle ohne weitere Technologie wie RFID oder dgl. nichts weiß), und entschließe mich schließlich, eines zu kaufen. 9. Jetzt wird es spannend. Woher weiß mein SP, dass ich ein Hemd kaufen will und welches? Ich könnte auf meinem SP auf der Liste aller Hemden in diesem Regal eines mühsam auswählen und anklicken, aber das wäre ja wohl extrem primitiv und albern. Hätte das Hemd einen RFID oder dergleichen, müsste ich nicht mehr auswählen. Ich müsste meinem SP bloß mitteilen, dass ich das Dings in meiner Hand kaufen will. Das kann man sich vorstellen. Mit einer Technologie wie NFC könnte ich das Hemd mit meinem SP berühren und damit meinen Kaufwunsch mitteilen - falls jedes Hemd mit der entsprechenden Technologie ausgerüstet wäre. Oder ich könnte jetzt einfach den Barcode des Hemdes mit meinem SP fotografieren. Das wäre ja aber vollkommen bescheuert. Don't forget: Heute mache ich zum Zweck des Kaufes gar nichts außer das Hemd aus dem Regal zu nehmen und zur Kasse zu gehen. BTW: Manche Blogger träumen davon, dass man mit iBeacon auch Restaurantbesuche revolutionieren wird. Dann kriegt mein Trollinger-Viertele also einen RFID-Chip eingepflanzt. 10. Wie auch immer. Irgendwie habe ich jetzt meinem SP oder dem Server der Kaufhalle mitgeteilt, dass ich das Hemd kaufen will. Ich kaufe jetzt nach gleichen Muster noch zwei Paar Socken, drei Aktenordner, einen Bleistift und einen Laib Brot, die alle dieselbe Technologie wie mein neues Hemd eingebaut haben. Wenigstens einen Barcode, besser aber einen Chip. Mein SP, oder besser der Kaufhallen-Server kennt meine Warenliste. 123,43€ muss ich bezahlen. 11. Wie komme ich jetzt anständig aus dem Laden ohne eine Kasse? Ganz einfach. Da hilft wieder iBeacon, das feststellt, dass ich den Laden verlasse. In dem Moment wird der Betrag überwiesen. Aber woher? Das ist einfach; meine Bankverbindung ist natürlich auf meinem SP hinterlegt. Aber wohin? Kein Problem. Es ist ja ab dem dritten Schritt bekannt, in welchem Laden ich bin. Und damit natürlich auch seine Bankverbindung. Vollautomatisch? Oder muss ich womöglich die Zahlung wieder mit Passwort oder Fingerprint oder einem Selfi oder sonstwas autorisieren? 12. Und wie genau geht jetzt die Bezahlung? Da braucht es wieder eine dicke Infrastruktur. Oder macht das PayPal oder das EC-Kartensystem? Apple macht es wahrscheinlich nicht. 13. Noch bin ich nicht über die Kaufhaus-Schwelle, obwohl ich bezahlt habe. Die Kaufhalle glaubt mir jetzt also, dass ich genau die Waren, die ich mit obigen Prozessen außerordentlich mühsam erworben habe, raustrage. Und nur diese. Niemand wird mich also am Ausgang kontrollieren und für die Kontrolle Schlange stehen lassen? Heute sichern die Kaufhäuser ihre Waren ja mit irgendwelchen dicken Pastikschlössern ab, die an der Kasse entfernt werden. Das machen sie also zukünftig nicht mehr? Ich will die iBeacon-Idee ja nicht madig machen. Die hat Potenzial, wie ich gestern schon sagte. Das muss aber erst noch entwickelt werden. Im Moment kann man damit bestenfalls feststellen, wo ungefähr in einem Laden mein SP ist (Nahe bei Regal Nr. 37). Mehr aber nicht. Alles andere braucht aber noch einiges an Hirnschmalz. |