Der Verschwörungsmail-Indikator Eigentlich müssten wir nun eine Rally erleben. Einer meiner persönlichen Indikatoren schlägt nämlich gerade aus. Leser, die mich länger lesen, kennen sicherlich noch den Hass-Mail-Indikator. In den Jahren 2003-2007, als ich auch in den damaligen Konsolidierungen immer sehr bullish geblieben bin, erhielt ich meistens ziemlich genau am Tag des Tiefs einer Konsolidierung viele Mails, die mich aufs Übelste wegen meiner bullishen Einstellung und der damit verbundenen offensichtlichen Dummheit beschimpften. Für mich war das immer ein klares Signal: Jetzt kaufen! Wenn die Anleger „durchdrehen“, ist das Tief erreicht. Da ich das auch öfters im meinen Kolumnen geschrieben habe, können Sie bestätigten, dass dieser Indikator ein außerordentliches Timing zugelassen hat. Nun bin ich aktuell nicht mehr vehement bullish, also sind auch keine solchen Hass-Mails zu erwarten. Aber es gibt noch einen anderen Indikator: Dem Verschwörungsmail-Indikator. Die Krise hat Auswirkungen auf die Interessengebiete der Menschen Interessanterweise führen größere Krisen (also nicht kleine Konsolidierungen) dazu, dass sich immer mehr Menschen mit Themen wie Geld, Zinsen, Marktwirtschaft, FED etc. auseinandersetzen. Je schärfer die Krise wird, desto mehr erlangen somit die Kritiker und die Verschwörungstheoretiker Aufmerksamkeit. Wenn die Krise dann vorbei ist, lässt dass genauso schnell wieder nach. Die Menschen finden alles wieder prima, sind froh einen neuen Job gefunden zu haben, die Aktionäre zählen mit Dollarzeichen in den Augen ihre Gewinne – nur die Verschwörungstheoretiker, die Kritiker, auf die will keiner mehr hören – sie stören beim Geldzählen und warum sollte man auch etwas ändern, wenn alles doch gerade so perfekt funktioniert? Häufung von Mails Mir ist also aufgefallen, dass die Mails, die mich auf die neuesten (meistens aber schon sehr, sehr alten) Verschwörungstheorien, auf die Absurdität unseres Geldsystems, auf die Hintergründe der FED, auf die 97 prozentige Abwertung des Dollar seit Anfang des 20 Jahrhunderts, auf die Theorie, dass die Zinsen doch Grundlage allen Übels seien, dass das System auf Schulden gebaut sei, dass alles was geschieht generalstabsmäßig geplant sei, nur um einmal die populärsten Themen zu nennen..., dass diese Mails dann anfangen Überhand zu nehmen, wenn wir einen Boden erreicht haben. Sie erreichen ihren Hochpunkt allerdings meistens erst dann, wenn die Märkte sich schon wieder deutlich erholt haben. Das war 2003 so. Das war 1998/99 so und, wie ich aus Büchern erfahren habe, 1987 so, und auch jetzt wieder finden diese Theorien großen Anklang. Vieles, was man darin liest ist sicherlich nicht falsch, manche Schlussfolgerungen vielleicht etwas einseitig betrachtet, andere durch geschicktes Weglassen ein wenig manipulativ, einiges geht natürlich auch komplett an der Wirklichkeit vorbei, aber das ist gar nicht mein Thema. Diesen Theorien haben oft eines gemeinsam: eine verdeckte Suche nach dem Schuldigen. Die Suche nach einem Schuldigen Wenn es der Gesellschaft schlecht geht, muss halt einfach ein Schuldiger her: Der Kapitalismus, die Marktwirtschaft, die Banken, die Politiker, die Trader, die Spekulanten, die Hedgefonds, die EU, die USA, der Dollar, der Euro, egal – alles ist perfekt geeignet, um es bei Bier und Schnaps unter wortreichen Reden zunächst an den Pranger zu stellen und anschließend dem Henker zu übergeben. So kann der Mensch bierselig ruhig schlafen, er hat schließlich scheinbare Struktur in das beängstigende Chaos gebracht. Selten, nur ganz selten kommt jemand auf die Idee, die Ursachen allen Übels auf dieser Welt dem Menschen selbst zuzuschreiben. Es sind nie die Systeme gewesen, niemals die Strukturen, es war immer der Mensch, der in allen Staatsformen der Geschichte, in allen großen Kulturen, der eigentliche Übeltäter war. Aber es ist so einfach mit dem Finger auf andere zu zeigen. Dabei gibt unzählige Beweise dafür, dass 90 % der Menschen, wenn man ihnen nur genügend Macht gibt, sich über kurz oder lang zu wahren Monstern entwickeln. Was kann man tun? Die eigentliche Frage ist also: Wie kann man den Menschen dazu bringen, mit Gier und Macht verantwortungsvoll umzugehen? Die Antwort ist so einfach wie ernüchternd: Gar nicht. Und so müssen wir wohl oder übel mit all diesen Schwierigkeiten weiterkämpfen – vielleicht werden wir die Entscheidungen irgendwann den Computern übergeben, aber ob man sich dann wohler fühlt? Das ist bullish Der Verschwörungsmail-Indikator kommt mittlerweile in Bereiche, die auf eine Trendwende hinweisen. So viele Mails, wie ich in dieser Woche dazu erhalten habe, habe ich seit 2003 nicht mehr bekommen. Leider ist er vom Timing nicht so genau, wie der Hassmailindikator. Während der Hass-Mail-Indikator das Tief auf ein-drei Tage trifft, ist der Verschwörungsmails-Indikator etwas schwammiger. Hier geht es eher um Monate. Aber gut, lange kann es nicht mehr dauern, bis wir eine stärkere Gegenbewegung erleben - zumindest wenn man diesem Indikator vertraut. Ich dachte, das sollten Sie wissen... Viele schmunzelnde Grüße Ihr
Jochen Steffens
Quelle : www.stockstreet.de ----------- An der Börse sind 2 mal 2 niemals 4, sondern 5 minus 1. Man muß nur die Nerven haben, das minus 1 auszuhalten. |