Wie in fast allen Wahlprogrammen steht dort viel drin ohne richtig konkret zu werden. So auch bei der AfD. Wofür die AfD grundsätzlich steht kann man im AfD Programm aber schon raus lesen. So ist die AfD von Grund auf nationalistisch (z.B. EU nur noch ein reiner Staatenbund für Handel - totale Ablehnung von bilateralen Handelsabkommen), will zurück zum Familienbild der "guten" alten Zeit der 1950er zurück (so z.B. wird eine Ausweitung des Begriffs Familie über die „klassische Familie“ aus Mann, Frau und Kind strikt abgelehnt) und ist gegen Zuwanderung und vor allem gegen den Islam (z.B. "Auslöschung der nationalen Identität" - "Islam ist keine Religion"). Das sind die 3 zentralen AfD Themen.Jedoch konnte man in den letzten Monaten deutlich erkennen, dass das Völkische ala Höcke innerhalb der AfD stark zugenommen hat.
Dazu gibt es noch eine klare Positionierung gegen Klimaschutz (Kohle, Kohle und nochmal Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke nicht abschalten) wie bei allen Rechtspopulisten , eine antiwestliche Grundeinstellung (z.B. NATO Mitgliedschaft wird in Frage gestellt/klar pro Putin) und eine neoliberale Wirtschafts/Sozialpolitik. Einige neoradikalliberale bzw. äußerst arbeitnehmerfeindliche Positionen sind aber mittlerweile nicht mehr im AfD Parteiprogramm zu finden wie z.B. Privatisierung der Arbeitslosenversicherung oder des betrieblichen Versicherungsschutzes.
Zukunftsweisende Themen wie Digitalisierung tauchen im AfD Wahlprogramm so gut wie gar nicht auf. Stattdessen gibt es ellenlange Zeilen über die deutsche Leitkultur. Dazu passt auch, dass die AfD ein neues Ministerium schaffen will, das „die Bevölkerungsentwicklung nach wissenschaftlichen Kriterien koordiniert“. Will die AfD damit dem Volk vorschreiben wie viele Kinder es bekommen soll/muss ? Das Völkische fehlt im AfD Wahlprogramm natürlich nicht und hier zeigt sich wie stark der Höcke-Flügel mittlerweile in der AfD geworden ist: „Selbsterhaltung unseres Staates und Volkes“ und die „Verengung der Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus aufzubrechen.“
Wofür aber die AfD definitiv nicht steht und auch das kann man im AfD Wahlprogramm raus lesen, die AfD steht nicht für eine Umverteilung des Reichtums durch ein gerechteres Steuersystem wie man z.B. an den Punkten Abschaffung der Erbschaftssteuer oder keine Vermögenssteuer sieht.
Das AfD Wahlprogramm geht mittlerweile durch die ständigen Provokationen und Aussagen der AfD Eliten unter (z.B. Gauland lobt die deutsche Wehrmacht oder die Frau Weidel mit ihren Reichsbürger-Fantasien), aber es lohnt trotzdem ein Blick auf Teile des AfD Wahlprogrammes von Sozial/Wirtschaftspolitik für die Reichen im Lande über die Wiedereinführung der Wehrpflicht und dem Frauenbild der 1950er Jahren bis hin zu einer deutlichen Lockerung des deutschen Waffengesetz:
- Abschaffung der Erbschaftssteuer
Obwohl in 2016 gerade mal 14% aller Erben aufgrund der hohen Freibeträge (500.000 Euro bei Eheleuten und 400.000 Euro bei Kinder) Erbschaftssteuer bezahlen mussten und es in Deutschland Privatvermögen von 5,8 Billionen € gibt ohne Immobilienbesitz gibt, fordert die AfD die Abschaffung der Erbschaftssteuer. 2016 wurden 108 Mrd. € in Deutschland verschenkt/vererbt und es sind gerade mal 5,7 Mrd. € an Erbschaftssteuer angefallen. Wer für die soziale Gerechtigkeit etwas tun will, der darf keine Erbschaftssteuer streichen, eher im Gegenteil. Eine Umverteilung von Oben nach Unten kann eigentlich nur mit einer höheren Erbschaftssteuer und einer Vermögenssteuer funktionieren.
- keine Vermögenssteuer/AfD Programmpunkt 11.4.: „Abschaffung der Vermögenssteuer. Sie wird unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerbürgers erhoben.“
Eine doch sehr merkwürdige Interpretation der AfD, denn eine Vermögenssteuer würde schon naturgemäß nur bei wirtschaftlich extrem leistungsfähigen Personen anfallen und das auch nur zu einem winzigen Prozentsatz, der unter der Verzinsung des Vermögens durch Renditen liegt.
- Rente: Sie soll nicht wie bisher nach Erreichen eines Alters gewährt werden, sondern nach einer Lebensarbeitszeit von bis zu 45 Jahren
Das ist eigentlich alles was über Rente im AfD Wahlprogramm steht. Mit den 45 Jahren Beitragszeit würde die Rente mit über 70 Jahre für sehr viele Deutsche zur Realität werden. Wobei aber der AfD Chef von Sachsen Anhalt Poggenburg kürzlich im ZDF sehr deutlich gesagt, dass die AfD kein einheitliches Konzept zur Rente habe. Generell will die AfD Mindestrenten einführen. Das soll eine Mindestsicherung sein, die zwischen 600 und 800 Euro liegen könnte, so die Aussagen dazu von Frau Petry und der Frau Weidel.
- Ehegattensplitting soll auf ein Familiengattensplitting umgestellt werden
Hört sich zunächst sehr sinnvoll an. Jedoch würde der Großteil der Familien davon kaum profitieren, denn eine solche Umstellung würde eher besserverdienende Familien bevorteilen, da es ja Kinderfreibeträge gibt und somit Familien, die nicht so viel verdienen und z.B. 3 Kinder haben ohnehin kaum Steuern bezahlen. Der Kindersteuerfreibetrag liegt in der Summe bei 7.248 Euro jährlich pro Kind.
- das Bank- und Steuergeheimnis soll wieder wiederhergestellt werden
Nach der Finanzkrise und etlichen Steuerskandalen wie z.B. Gründungen von Stiftungen in Lichtenstein wurde das Bank- und Steuergeheimnis gelockert. Das will die AfD wieder rückgängig machen. Offensichtlich versteht sie sich die AfD als Anwalt des gemeinen Steuerhinterziehers und dann wäre wieder Tür und Tor geöffnet um Geld gen Ausland z.B. in Stiftungen in Liechtenstein oder in Panama zu verstecken. Würde das passieren, dann würden dem Fiskus sicher so um die 30 bis 40 Mrd. € im Jahr durch die Lappen gehen.
- nur wenig staatliche Einmischung in die Wirtschaft: „Grundlegende Elemente für eine prosperierende Wirtschaft sind für die AfD die Eigenverantwortung der Wirtschaftssubjekte mit dem Gegenstück Haftung für das eigene Handeln, die Garantie des Privateigentums und der Marktpreis als Steuerungsmechanismus für wirtschaftliche Entscheidungen.“
Klassischer neoliberaler Sprachgebrauch. Für Beatrix Storch ist die AfD eine wirtschaftsliberale Partei, weil "der Markt auch den besten sozialen Ausgleich herstellt". Nach der AfD Wirtschaftsideologie können Märkte aus sich heraus keine negative Folgen produzieren (Bankenkrise ???) und deshalb brauchen sie keine politische Grenzen und Lenkung. Heißt ja dann, dass gerade ArbeitnehmerInnen auf solche Grenzen und Lenkung besonders angewiesen sind in die Röhre schauen würden. Jedoch passt dieser marktextremistische AfD Programmpunkt so gar nicht zusammen mit einer Begrenzung der Leiharbeit mit der Obergrenze von 15% für die Unternehmen bzw. einem Mindestlohn, den die AfD noch vor einem Jahr strikt abgelehnt hat. Über die Höhe des Mindestlohns macht die AfD keine Aussage.
- bei Scheidungen soll wieder das „Schuldprinzip“ eingeführt werden wie vor 1977 / AfD Programm: „Schwerwiegendes Fehlverhalten gegen die eheliche Solidarität muss bei den Scheidungsfolgen wieder berücksichtigt werden.“
Vor 1977 war es nicht möglich sich einvernehmlich scheiden zu lassen, ohne dass ein oder beide Partner die „Schuld“ für das Scheitern der Ehe auf sich nahm. Der „Schuldige“ bekam nicht selten keine Unterhaltszahlungen und hatte schlechte Karten beim Sorgerecht. Das hat nebenbei die Scheidungsrate niedrig gehalten und passt dann schon zur AfD mit ihrem Motto „früher war alles besser“.
- die AfD wendet sich entschieden gegen das Lebensmodell Alleinerziehend/Single und möchte nicht, dass dies als normaler, fortschrittlicher oder gar erstrebenswerter Lebensentwurf propagiert wird. Stattdessen soll der Staat das Zusammenleben von Vater, Mutter und Kindern durch finanzielle Hilfen und Beratung in Krisensituationen stärken.
- wer „verschuldet alleinerziehend” ist wird von der AfD quasi als nicht mehr „normal“ dargestellt.
Bei der finanziellen Unterstützung Alleinerziehender soll nach der AfD berücksichtigt werden, ob diese Lebenssituation "schicksalhaft" (z.B. Tot des Ehemanns/Ehefrau) war oder aus eigener Entscheidung zustande gekommen ist. Nach dieser Entscheidung soll dann eine mögliche staatliche Unterstützung ausfallen. Tja die guten alten Zeiten wie vor 50 oder 60 Jahren lassen grüßen bei der AfD, als z.B. der Eheman noch unterschreiben musste, dass die Frau einen Job annehmen darf. Die Kinderarmut würde dadurch deutlich ansteigen, wenn diese AfD Ansichten kommen würden.
- Meldepflicht für Abtreibungen - "bei Nichterfolgen soll eine spürbare Strafe ausgesprochen werden."
- das Geburtsortsprinzip, das den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft allein durch Geburt garantiert, will die AfD durch ein „Abstammungsprinzip“ ersetzen
Damit könnte die AfD dann alle Nicht-Biodeutsche, die ihr nicht genehm sind, entsorgen.
- Wiedereinführung der Wehrpflicht: "Mit der Rückkehr zur Wehrpflicht soll die Voraussetzung geschaffen werden, dass die Bevölkerung sich wieder stärker mit ihren Soldaten identifizieren könnte. Außerdem könnte damit das Bewusstsein für die wehrhafte Demokratie wiederbelebt und der Nachwuchs für die Bundeswehr aus allen Gesellschaftsschichten nachhaltig gesichert werden".
Mit der Wehrpflicht würden pro Jahr rd. 50.000 junge Menschen dem Sozialsystem entzogen werden. Dazu stellt sich Frage: Gegen wen sollen die zusätzlichen rd. 50.000 Soldaten/Wehrpflichtige kämpfen ? Mal gar nicht zu sprechen was das alles kosten würde.
- Lockerung des Waffengesetz
Nach den Schulamokläufen in Leipzig und Winnenden mit insgesamt 23 Toten wurde vor gut 8 Jahren das deutsche Waffengesetz deutlich verschärft. Die damals vorgenommenen Gesetzesverschärfungen beim Waffengesetz ist nach der AfD eine "Gängelung des mündigen Bürgers" wie auch "eine bürokratische Drangsalierung und Kriminalisierung von Waffenbesitzern". "Durch ein liberales Waffenrecht könnten sich gesetzestreue Bürger der AfD zufolge gegen Unrecht besser zur Wehr setzen", so die AfD.
- Atomkraftwerke sollen nicht abgeschaltet werden - laut AfD gibt es keinen menschengemachten Klimawandel
Die mittlerweile rd. 40 Jahre alten deutsche Atommeiler sind zwar sehr störanfällig geworden und kein Mensch weiß wo dieser hochstrahlende Atommüll gelagert werden soll, aber das juckt die AfD offenbar überhaupt nicht. Als Alternative zu Erneuerbaren Energien bringt die AfD Fracking ins Spiel.
- deutsche Leitkultur statt Multikulturalismus: "Die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus ist zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung aufzubrechen, die positiv identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte mit umfasst.“
Tja das Volk soll die Zeiten des 3. Reiches, also den Massenmord an den Juden oder die tausendfache Verfolgung und Hinrichtungen Andersdenkender, am besten ganz vergessen so wie es der völkische Höcke immer und immer wieder fordert. Auch Gauland wurde nun offenbar vom rechten, völkischen Flügel voll auf Kurs gebracht wie das Professorlein Meuthen.
Nach dem Abflauen der Berichterstattung über die Flüchtlingskrise versucht die AfD, sich sozialer zu geben, um neue WählerInnen anzusprechen. Überzeugen kann der Versuch aber nicht, wie eine Analyse ihres Wahlprogramms zeigt. |