Ohne Zweifel macht S&P mit den Downgrades (auch) Politik im Interesse der Amis. Zurzeit besteht die Strategie darin, Europa und den Euro zu "demontieren", um im US-Wahljahr von der nicht minder horrenden US-Verschuldung abzulenken. Je übler die Lage in Europa dargestellt wird, desto "interessanter" wird für internationale Anleger der US-Dollar, der letzten Sommer noch angesichts von fast 100 % Schulden/BIP-Quote der Amis und Weigerungen der Republikaner, die Schuldengrenze raufzusetzen, als "todgeweiht" galt. (Man kann die Seifenoper auch "mit anderer Besetzung" spielen...).
Andererseits sind Ratingagenturen weniger kreativ, als Viele glauben. In Europa stellen Politiker die Rolle der US-Ratingagenturen gern als manipulativ dar - in dem Sinne, dass sie durch ihre Abstufungen Schieflagen erzeugen, die sonst gar nicht da bzw. gekommen wären. Sie würden "nur Panik stiften", heißt es dann. Dies entspricht der - ebenfalls "verständlichen" - Strategie der EU-Politiker, andere für ihren selbst verursachten Schlamassel verantwortlich zu machen.
Sieht man sich jedoch z. B. die desolate Lage in Griechenland an, dürfte klar sein, dass die Abstufungen dort völlig zu Recht erfolgten. Dass Hellas kurz vor dem Kollaps steht, ist inzwischen Gemeingut. Deshalb wagt auch kein EU-Politiker mehr, hier bei den Ratingagenturen böse Absichten zu unterstellen.
Interessant ist in dem Zusammenhang die Lage in Frankreich und Österreich, die im jüngsten Rundumschlag von S&P ihr AAA-Rating verloren haben. Ist das SCHON WIEDER so eine Attacke der übelwollenden US-Ratingagenturen?
Faktisch trifft dies mMn nicht zu. Denn die Ratingagenturen sind in der Regel nicht "vorwegnehmend", sondern agieren nachlaufend. Die entscheidende Größe ist "der Markt" - jene heilige Kuh, um die mittlerweile Politiker aller Länder und Couleur tanzen.
Und dieser "Markt" - genauer gesagt: der Bondmarkt - hat z. B. den Downgrade Frankreichs längst vorweggenommen. Die Kurse von franz. Staatsanleihen weisen schon seit geraumer Zeit einen steigenden Zinsspread zu dt. Staatsanleihen (Bunds) auf.
Wie kommt das? Es liegt daran, dass Frankreich z. B. viele Kredite an PIIGS-Staaten wie Italien vergeben hat und selber ökonomisch schlechter dasteht als D. Darauf achten die Leute bei Banken und Versicherungen, die ein Staatsanleihen-Portfolio verwalten und mit Risk Management beauftragt sind. SIE sind der eigentliche Markt. Wenn diese Leute befürchten, dass z. B. die Lage in Italien sich ähnlich zuspitzen könnte wie in Griechenland, beginnen sie bereits lange vor Einsetzen einer generellen Marktpanik mit dem sukzessiven Verkauf italienischer Staatsanleihen. Dasselbe gilt für Frankreich. In der Folge fallen die Bondkurse, und die Zinsen gehen entsprechend hoch.
Fakt ist, dass die Rating-Abstufung Frankreichs von S&P schon längst in den Bond-Kursen enthalten war. Der Markt hatte dies aufgrund von Fundamentalanalysen vorweggenommen. S&P kam wie üblich "nachlaufend", d.h. der Downgrade machte offiziell, was die Bondkurse Frankreichs bereits wiederspiegelten.
Auch Österreich ist (fundamental) bedroht, weil das Land mehr Kredite in Osteuropa vergeben hat, als es dem eigenen BIP entspricht. Klar regen sich die Ösis auf und behaupten, die Abstufungen seien "politisch motiviert". Dieser Vorwurf ist auch zum Teil berechtigt (siehe erster Absatz). Doch es gilt nach wie vor: Ratingagenturen können keine Downgrades vornehmen, wenn es dafür keine ernsthaften Gründe gibt. Diese GIBT es aber in Frankreich und Österreich, und der Bondmarkt hatte dies längst eingepreist.
Politisch freilich ist der ZEITPUNKT dieser Abstufungen. Die Schieflagen, z. B. in Italien und Österreich, sind schon länger bekannt. Man muss sich fragen, warum die Downgrades ausgerechnet jetzt (US-Wahljahr, Eskalation der Eurokrise) kommen. Womöglich liegt es daran, dass auch der Bondmarkt selbst darauf verspätet reagiert hat. Die Agenturen könnten dem Bondmarkt dann (ebenfalls verspätet) in seiner Risikoaversion gefolgt sein.
FAZIT: Europa hat tatsächlich ein Problem - erkennbar an der Entwicklung der hiesigen Bondkurse. Die Ratingagenturen reagieren in der Regel nachlaufend auf den Bondmarkt. Dieser Markt lässt sich - entgegen gängiger Politikerauffassung - auch nicht blenden, z. B. durch fragwürdige und wackelige Rettungsschirme. Wenn die Schuldenlast zu groß ist, helfen auch wechselseitige Garantien der Schuldenstaaten nicht, dieses Grundübel zu beseitigen.
Das sah man im Prinzip schon bei US-Subprime-Krediten: Wenn man 1000 Kredite von Erdbeerpflückern bündelt und AAA draufstempelt, bleibt es "faule Ware" - wie der CDO-Kollaps in 2007/2008 zeigte. Das Gleiche gilt - abgemildert - für die Schulden in der EU: Wenn stärkere Staaten wie Deutschland für andere marode Staaten wie Griechenland, Portugal und m.E. Italien, Spanien und Irland bürgen und garantieren (via EFSF), dann ändert es nichts daran, dass die Erdbeerpflücker in den PIIGS ein zu großes Rad gedreht hatten. Garantien ändern daran nichts Grundlegendes - sie ziehen auf lange Sicht nur Deutschland mit runter in den PIIGS-Sumpf (im Bärenthread hab ich den Bundfuture als Short-Kandidaten empfohlen). Letztere Ansicht äußerte auch ein hier gestern im Thread zitierter CDU-Politiker.
Dies hatte der Bondmarkt früh erkannt, die Ratingagenturen machten es nun zum allg. bekannten Fakt. Ich gehe davon aus, dass Moody's und Fitch die S&P-Downgrades über kurz oder lang bestätigen werden/müssen. Denn deren Urteile basieren auf dem gleichen Eurozonen-Bondmarkt.
Die chinesische Ratingagentur Dagong hatte Frankreich übrigens bereits Anfang Dez. abgestuft:
www.welt.de/wirtschaft/article13756918/...h-und-Italien-herunter.html
Und den Chinesen kann man wohl kaum unterstellen, dass sie Europa - einen ihrer wichtigsten Exportmärkte - kaputt machen wollen. Sie haben ja sogar, um Europa zu stützen, hiesige Staatsanleihen gekauft. |