Auf Russlands Weg zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung sehen Beobachter mittlerweile Rückschritte. Die russische Wirtschaftsordnung wird derzeit schlagwortartig unter anderem als „bürokratischer Kapitalismus“, „korporatistische Marktwirtschaft“ oder „staatlicher Monopolkapitalismus“ gekennzeichnet. Hintergrund dafür ist vor allem, dass in der russischen Wirtschaftspolitik Kräfte Einfluss gewinnen, die verstärkte Eingriffe des Staates in die Wirtschaft befürworten. Die Entwicklung in „strategisch wichtigen Wirtschaftssektoren“, insbesondere in der Energiewirtschaft, soll maßgeblich vom Staat bestimmt werden. Die ausländischen Direktinvestitionen in Russland sind zwar trotz dieser Belastungen des Investitionsklimas weiter gestiegen. Sie blieben im internationalen Vergleich aber weiterhin gering. Das bremst die notwendige Modernisierung der Wirtschaft.
Ein schwieriges Feld ist auch die Reform der so genannten natürlichen Monopole (Strom, Gas, Eisenbahn). Fortschritte wurden bei der Liberalisierung im Elektrizitätssektor und bei der Reform der Eisenbahn mit einer stärkeren Beteiligung privater Betreiber im Schienentransport erreicht. Der teilprivatisierte Strommonopolist soll in einen nationalen Netzbetreiber und regionale Produktions- und Verteilungsgesellschaften aufgespalten werden...........
Lilia Schewzowa, Mitarbeiterin des Moskauer Büros der US-Stiftung „Carnegie Endowment for International Peace“, einer Washingtoner Denkfabrik, äußert schärfere Kritik. Sie rückt negative Punkte des russischen Wirtschaftsmodells, das sie als „bürokratischen Kapitalismus“ bezeichnet, in den Vordergrund. Präsident Putin könne trotz seiner verfassungsrechtlich starken Stellung nicht autokratisch regieren. Er werde im Gegenteil immer abhängiger von den Gruppen, die ihn trügen. Dies seien zum einen die „Apparatschiks“ in der Staatsbürokratie, das Militär und die Sicherheitsdienste im Inland, zum anderen die Führungskräfte großer Unternehmen und „liberale Technokraten“. Diese „Bürokratengemeinschaft“ habe es geschafft, „ihre Interessen als die des russischen Staates zu verkaufen“. Es sei ein „bürokratisches Unternehmen“ geschaffen worden, das dazu diene, private Interessen zu verwirklichen. Der bürokratische Kapitalismus zeige kein Interesse an einer Diversifizierung der Wirtschaft. In Russland, dessen Exporte zu rund 60 % aus Energieträgern und – einschließlich anderer Rohstoffe – zu rund 80 % aus Rohstoffen bestünden, bildeten sich vielmehr die typischen Eigenschaften eines „Petrostaates“ heraus: Staatsmacht und Wirtschaft verschmelzen bei weitverbreiteter Korruption miteinander. In der Wirtschaft herrschen große Monopole vor. Es bildet sich eine Gesellschaftsschicht, die vornehmlich von den hohen Gewinnen aus der Rohstoffwirtschaft lebt; gleichzeitig besteht ein tiefes Wohlstandsgefälle zwischen Reichen und Armen. Aufgrund der hohen Abhängigkeit von der Rohstoffwirtschaft ist die Wirtschaft durch externe Schocks, zum Beispiel einen plötzlichen Einbruch der Rohstoffpreise, und die „holländische Krankheit“ gefährdet.
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