Kurzfristiges Traden ist ja schön und gut, aber lohnt das unter dem Strich wirklich? Angenommen, ich besitze 100 Post-Aktien, die ich zu 15 Euro gekauf haben und jetzt aus spekulativen Gründen in der Hoffnung auf einen günstigeren Rückkauf zu einem späteren Zeitpunkt zu 17 verkaufe, dann fallen auf den Gewinn von 200 Euro 28%-Abgeltungfssteuer an(incl. Soli), macht 56 Euro. Ich bekomen also nur 1644 Euro ausgezahlt. Wenn ich die Aktie bei Consors wieder zurückkaufen will, muss aufgrund der neuen Kaufgebühren (in diesem Fall 9,95 Euro) die Aktie schon deutlich unter 16,35 Euro fallen, damit sich die ganze Geschichte überhaupt lohnt. Und wer sagt denn, dass das Negativszenario nicht eintritt, was ist, wenn Italien eine neue stabile Regierung ohne Berlusconi wählt und die Post kurz darauf sehr gute Zahlen liefert? Weiter oben schreibt Dogfriend: "Für mich ist momentan das Risiko verhältnismässig zu den Chancen deutlich höher (meine persönliche Einschätzung 80:20). Demnach steht für mich jetzt in den nächsten Tagen auch der Verkauf an. Auch wenn es weh tun wird, da ich dann schon gute Verluste einfahren werde. Falls meine Einschätzung dann richtig ist, kann ich später zu niedriegen Kursen wieder einsteigen."
Glaubst du wirklich, dass du tatsächlich damit antizyklisch handelst? Eigentlich lese ich in diversen Foren zur Zeit ständig Analysen, die von dem prognostizierten Absturz im Dax von mehreren 100 Punkten reden. Also werden wohl auch jede Menge Trader genau in diese Richtung positioniert sein. Und wenn die mit ihrer entsprechenden Positionierung alle auf dem falschen Fuss erwischt werden?
Der allseits bekannte Prof. Max Otte schrieb in seinem letzten Kommentar sehr schön:
"vor einigen Tagen wartete ich am Flughafen Zürich auf meinen Rückflug nach Köln. Da sprach mich ein alter Bekannter an, ein hervorragender Investor und Fondsmanager, der jetzt in Zürich lebt. Dieser Investor hat ungefähr mein Alter und als relativ junger Mann im New-Economy-Boom schon sehr viel Geld verdient. Er hat in unseren Kreisen den Ruf eines „Vollgasstrategen“, was unseren Respekt für ihn in keinerlei Weise schmälert. Seit einigen Jahren ist er aber sehr pessimistisch und investiert nur noch sehr vorsichtig. Nun scheint ihm der Zusammenbruch nahe. Die Notenbanken können nach seiner Meinung die Manipulation der Geldmenge nicht mehr lange aufrechterhalten. Als Erstes würden in Japan die Zinsen steigen müssen. Dann würde es relativ schnell einige Staatsinsolvenzen oder auch weiche Insolvenzen geben müssen. Er habe daher nur Aktien von Unternehmen mit extrem robusten Geschäftsmodellen.
Mag sein. Oder auch nicht. In meinen mittlerweile mehr als 20 Jahren als Investor habe ich gelernt, meinen Überzeugungen zu misstrauen, besonders, wenn sie sehr stark sind. Es ist paradox: Ich bin Volkswirt, gebe aber wenig auf volkswirtschaftliche Vorhersagen. Zu viel ist in dieser Welt im Moment im Fluss. Gefühle können trügerisch sein, sowohl das Gefühl, vor einer Riesenchance zu stehen, als auch das Gefühl, dass nun alles zusammenbricht. Je mehr Sie sich von diesen Gefühlen frei machen, desto besser.Wenn ich billige Investments sehe, kaufe ich. Wenn sie zu teuer werden, verkaufe ich. Daneben versuche ich, eine einigermaßen vernünftige Risikostreuung hinzubekommen.
Damit wir uns nicht missverstehen: Ich habe meine Vermögenssubstanz, die es mir ermöglicht, heute seit Jahren durch die Welt zu reisen und von der Vermgenssubstanz zu leben, ebenfalls mit Daytrading erwirtschaftet und zwar seit 1994 (als das noch abenteuerlich war, da Online-Banking und Internet noch in den Kinderschuhen steckten). Doch seit 2006 bin ich davon abgekommen und denke eher in mittel- bis langfristigen Zeiträumen und bin damit auch recht gut durch die letzten Krisenjahren gekommen. Es geht auch ohne das ständige Rein- und Raus und dem ständigen Versuch, das richtige Timing hinzukriegen. Mir ist es persönlich übrigens viel lieber, die Post steigt zu den Zahlen nicht weiter, sondern es herrscht eher eine gewisse Skepsis vor, ob die Prognosen denn auch erfüllt werden. Umso größer wird dann der Erleichterungseffekt ausfallen. Immer schlecht ist eine maßlose Erwartungshaltung, die in den Kursen bereits überreflektiert wird und dann zwangsläufig zum gnadenlosen Abstrafen führt. Also lieber schön langsam und beschaulich und eingestreuten Phasen, die die nervösen Finger wieder rausschüttelt.
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