überraschen, aber ich bin alles andere als ein Fan von Wulff. Im Gegenteil ich mag ihn nicht. Seine politischen Aussagen sind mir zu stromlinienförmig. Er neigt dazu, nach billiger Popularität zu haschen (Lena In Hannover), sich um des Beifalls wegen in die Tagespolitik zu zwängen und dabei seine Kompetenzen zu strapazieren ("Anregungen" gegenüber der Bundesbank im Fall Sarrazin) und komplizierte gesellschaftliche Probleme in einer verniedlichenden und banalen Form zu präsentieren ("der Islam gehört zu Deutschland"), die auch nur als beifallheischend zu interpretieren ist. Zusammengefasst: In dem Mann steckt zu wenig Substanz. Hinzu kommen Aspekte seines Privatlebens, die mir nicht gefallen; in dem Punkt muss ich Klausi in gewissem Umfang zustimmen. Und es gibt noch ein paar mehr Punkte, die mir nicht gefallen.
Das ist das eine. Die Vorwürfe gegen ihn sind aber ganz anderer Art. Vielleicht kommt zu dem, was bisher in dieser Angelegenheit gesagt, gesendet und geschrieben wurde, ja noch irgendetwas wirklich Ernsthaftes dazu. Aber bisher kann ich da nichts entdecken. Alles, was ihm jetzt vorgeworfen wird, ist entweder falsch und widerlegt oder lächerlicher Klein-Klein-Kram. Die Tatsache, dass Wulff sich ständig entschuldigt, bedeutet nicht, dass er Schuld auf sich geladen hat. Er ist einfach ein Weichling, der glaubt, mit dieser Kriecherei Gnade bei denen zu finden, die ihn hetzen. Wie ein Hund, der dem überlegenen Rivalen am Schluss des Kampfes seine Kehle hin hält. Deshalb wird er vermutlich am Ende auch nicht mehr im Amt sein. Seinetwegen wird mir das nicht leid tun.
Was mich aber stört, ist der Zustand unserer Gesellschaft, der sich hier offenbart. Völlig normale zwischenmenschlichen Vorgänge, nämlich gegenseitige Hilfe unter Freunden, Besuche bei Freunden werden hier zu Skandalen hoch gepusht. Darf ein Politiker keine Freundschaften pflegen? Doch, er darf. Er darf sein Amt nicht dazu verwenden, Freunden etwas zukommen zu lassen. Er darf nichts von Freunden annehmen, wenn das in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit seinem Amt steht. Aber alles das ist ja nicht geschehen. Es ist Wulff noch nicht einmal konkret unterstellt worden. Man hat nur den Nebel eines Verdachtsschleiers im Sinne von "da könnte ja vielleicht was ..." in die Luft geblasen und hält diese Nebelmaschine seit Wochen am Laufen. Aber nichts, rein gar nichts Konkretes ist da gekommen. Was wirft man ihm vor? Den Geerken-Kredit? Den hätte ich ihm auch gern gegeben. Das war nämlich für die Kreditgeberin kein schlechtes Geschäft. Der Vorwurf der Salamitaktik? Wenn Fragen scheibchenweise kommen und ständig welche nachgeschoben werden, kann man sie auch nur scheibchenweise beantworten (das war übrigens einer der ganz wenigen Punkte, bei denen Wulff im Interview ein wenig Kampfgeist zeigte). Die Besuche bei Freunden? Lächerlich. Das ist hier schon lang und breit behandelt worden, das muss ich hier nicht wiederholen.
Wenn diese miese Kombination aus eifernder Beckmesserei und blutdürstigem Jakobinertum in unserem Land um sich greift, dann werden wir eines Tages nur noch blutleere Politiker ohne jede menschliche Regung haben. Zum Teil ist das ja heute schon so. Und Wulff ist da leider auch nicht gerade das strahlende Gegenbeispiel. Aber muss man sich an einer solchen Entmenschlichung der Gesellschaft beteiligen? |