Wulff-Affäre: Oh Unwissenheit, ick hör dir trappsen von Cindy Bach
Liebe Leserin, lieber Leser,
leg Dich nicht mit der "Bild"-Zeitung an! Diesen Rat hätte man Christian Wulff besser geben sollen, bevor er am 12. Dezember bei Bild-Chef Kai Diekmann einen Drohanruf startete, um die Berichterstattung bezüglich seines "Privat-Häusle-Kredits" zu unterbinden. Doch diesem Rat hätten noch viele zuvor kommen müssen. Denn von alleine ist er allem Anschein nach nicht drauf gekommen, dass es falsch ist, als Inhaber eines politischen Amtes auf Landesebene, eine große Geldsumme von einem Unternehmer zu leihen, zu welchem Zinssatz auch immer. Und man fährt dann erst recht nicht auch noch mehrfach auf Kosten, ähm Entschuldigung, auf "Einladung" verschiedener Unternehmer-Freunde in den Urlaub - obendrein sogar noch als Hochzeitsreise.
Oh Unwissenheit, ick hör dir trappsen. Man lässt sich in solch einer "Machtposition" ganz einfach nicht "aushalten", Punkt. Da kann Herr Wulff in seinem Interview gestern in ARD und ZDF gerne mehrfach betonen, dass es sich lediglich um Einladungen sehr, sehr alter Freunde der Familie handelte. Und die würde man schließlich nicht bezahlen. Er verlange auch kein Geld, wenn seine Familie in Berlin Besuch bekäme. Ein netter, aber erfolgloser Versuch der Rechtfertigung.
Mir will einfach nicht in den Kopf, warum er sich nicht bewusst war, dass ihm das irgendwann auf die Füße fällt. Die nahe Vergangenheit hat uns schließlich genug vergleichbare Fälle präsentiert. Hat Herr Wulff in den vergangenen Jahren mit offenen Augen geschlafen? Nein, denn im "Finger drauf halten" beim Versagen anderer war der Niedersachse immer ganz groß - man denke nur an seine Kritik an Bundespräsident Rau, als dieser in der "Flugaffäre" versank. Wollte er damit von sich selbst ablenken? Egal, ob Dummheit oder Dreistigkeit der Grund waren: Angesichts der Vorgeschichte ist es eine Schande, dass sich Christian Wulff überhaupt für das Amt des Bundespräsidenten zur Verfügung gestellt hat.
Ich bin ganz ehrlich gegen generelle öffentliche Verbal-Attacken, Hetze und Panikmache in den Medien, erst recht, wenn sie an Reißerischem nicht zu überbieten sind. Und so dachte ich mir auch zu Beginn dieser "Geschichte": "Oh nein, da hätten wir das nächste B-Opfer." Aber mal ehrlich: Das darf sich ein Bundespräsident einfach nicht erlauben. Und wenn er es sich erlaubt, dann darf er danach nicht so tun, als ob es das Normalste von der Welt ist. Ist es nicht, Herr Wulff - das hätte Ihnen die Bettina oder irgendein Berater einfach nur mal stecken müssen.
Jetzt geht es eigentlich nur noch um Imageschaden-Minimierung Und nun? Warten wir gemeinsam darauf, wie lange sich der scheidende Bundespräsident noch an sein Amt klammert. Nach dem gestrigen Interview ist allen klar: Er will unbedingt bleiben. Und je länger er das tut, umso mehr leidet sein Image.
Ein Tipp von meiner Seite, Herr Wulff: Kennen Sie Margot Käßmann? Sie stolperte auch in Hannover. In einem der höchsten evangelischen Kirchenämter und damit in einer der höchsten Positionen für Moral und Ethik wurde sie im Februar 2010 des Fahrens unter Alkohol überführt. Doch sie hat ihr Gesicht gewahrt. Nachdem Käßmann ihren "schlimmen Fehler", den sie "gefährlich und unverantwortlich" nannte, offiziell in den Medien "zutiefst bedauert" hatte, trat sie am Folgetag von Bischofsamt und Ratsvorsitz zurück: Ihr Fehler habe ihre Führungsämter beschädigt, und sie könne diese künftig nicht mit der notwendigen Autorität ausüben. Sie wolle in der ihr eigenen Geradlinigkeit frei bleiben. Sie bleibe Pastorin der Hannoverschen Landeskirche. Und sie wiederholte einen Satz, den sie im November 2009 bei der Trauerandacht für Robert Enke gesagt hatte: "Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand."
Ob dieser Spruch dem gläubigen Katholiken Christian Wulff die Entscheidung erleichtern würde? Wohl kaum. Vielleicht hilft das: "Was Dir bleibt, ist ein günstig finanziertes Häuschen in Hannover und eine ordentliche Pension."
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Ihre
Cindy Bach |