07.01.2012 Wulffs Kreditaffäre
Schlechte Aussichten in Bellevue
dapd
Immer neue Vorwürfe, neue Angriffe, neue Gerüchte: Die Kreditaffäre ist für den Bundespräsidenten längst nicht ausgestanden. Die Attacken werden heftiger, die SPD fordert, er soll sich selbst anzeigen. Kann Christian Wulff dem steigenden Druck standhalten?
Berlin - Es dürfte eine eher kleine Schaar werden: Vielleicht ein paar Hundert, vielleicht nur einige Dutzend Demonstranten wollen am Samstag zum Schloss Bellevue kommen und den Rücktritt von Christian Wulff fordern. Sie wollen alte Schuhe in der Hand halten - das orientalische Zeichen für Verachtung. So wie damals bei Karl-Theodor zu Guttenberg, als rund 400 Aufgebrachte bei einer ähnlichen Aktion mitmachten.
Der damalige Verteidigungsminister trat wenige Tage später zurück, der jetzige Bundespräsident scheint hingegen fest entschlossen, durchzuhalten. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit dem umstrittenen TV-Interview, simulierte Wulff präsidialen Alltag und empfing die Sternsinger.
Doch der Strom aus Vorwürfen, Angriffen und Gerüchten reist nicht ab. Immer wieder werden neue Details zu Wulffs Immobilienkredit und dem Anruf beim "Bild"-Chefredakteuer bekannt, immer weniger hält sich die Opposition mit Kritik zurück. Und nun gibt es erste Gerüchte, dass sich selbst die Koalition auf den Fall der Fälle vorbereitet, auf den Rücktritt ihrer Nummer eins, den Rückzug von Merkels zweitem Präsidenten. Was von CDU, CSU und FDP jedoch dementiert wird.
Die "Rheinische Post" berichtet an diesem Samstag von entsprechenden Notfall-Plänen in der Koaltion, die Zeitung nennt allerdings keine konkreten Quellen, sondern beruft sich auf anonyme Regierungskreise. Demnach planen die Parteichefs von CDU, CSU und FDP bei bei einem Rücktritt Wulffs einen Nachfolger vorschlagen, den auch SPD und Grüne akzeptieren könnten. Denn für die schwarz-gelbe Bundesregierung hätte die Wahl eines neuen Bundespräsidenten viele Unwägbarkeiten. Die schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung bröckelt und ist denkbar knapp - und die Wahl ist geheim.
"Völliger Unsinn", heißt es aus der FDP
Man werde also einen Vorschlag machen, den "Rot-Grün nicht ablehnen kann", berichtet das Blatt. Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) hätten sich bereits auf dieses Verfahren geeinigt. Sollte Wulff überführt werden, die Unwahrheit gesagt zu haben, wollten die drei Parteichefs die Unterstützung für Wulff beenden und in einer gemeinsamen Pressekonferenz ihren Kandidaten vorschlagen.
Aus der FDP hieß es allerdings prompt, das sei "völliger Unsinn". Und der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, Peter Altmaier (CDU) sagte im Deutschlandfunk zu dem Bericht: "Das ist eine blanke Spekulation und die weise ich zurück."
Noch am Freitag hatte auch Merkel über ihren Sprecher Unterstützung für Wulff erkennen lassen: "Die Bundeskanzlerin hat große Wertschätzung für Christian Wulff" - als Mensch und als Bundespräsident. Die Erklärungen Wulffs in seinem Fernsehinterview am Mittwoch seien ein wichtiger Schritt gewesen, das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen. Aber wie dauerhaft wird diese Unterstützung sein?
Längst versucht die Opposition, aus dem Fall Wulff einen Fall Merkel zu machen. So warf SPD-Chef Sigmar Gabriel dem Bundespräsidenten und der Kanzlerin vor, bürgerliche Werte zu zerstören. "Christian Wulff und Angela Merkel verschieben die Maßstäbe für Anstand, Respekt, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit in der Politik in die falsche Richtung", sagte er in der "Bild"-Zeitung. Es sei schlimm, dass Wulff es so weit habe kommen lassen. "Diese ganze Auseinandersetzung ist unwürdig und abstoßend."
SPD: Wulff soll sich selbst anzeigen
Zu einer Selbstanzeige forderte Wulff der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann auf. "Das bietet Christian Wulff die Chance, die Debatte zu beenden und seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen", sagte Oppermann der "Rheinischen Post". Wulff müsse das für solche Fälle vorgesehene sogenannte Selbstreinigungsverfahren beim niedersächsischen Staatsgerichtshof wählen. "Wenn Wulff sicher ist, dass kein Verstoß gegen das niedersächsische Ministergesetz vorliegt, spricht doch erst recht nichts dagegen, in einem solchen Selbstreinigungsverfahren dies auch feststellen zu lassen", sagte Oppermann.
Fügt man bekannte und neue Details zu Wulffs Immobilienkredit zusammen, ergibt sich ein ziemlich unschönes Bild. So berichtet die "Frankfurter Rundschau", Wulff habe bei seinem Hauskauf stärker verschleiert als bislang bekannt - und er habe dabei Experten zufolge ungewöhnliche Mittel angewandt:
■So machte Wulff keinen notariellen Vertrag, ■nannte im Grundbucheintrag seine Kreditgeber nicht ■und legte bislang keinen Beleg für Tilgungen auf das Darlehen vor, sagte der Fraktionschef der niedersächsischen Grünen, Stefan Wenzel, der Zeitung. "Hier tun sich Abgründe auf, die ich nicht für denkbar gehalten habe".
"Verbergung der Finanzierungsabläufe"
Nicht alles davon ist neu, aber es sieht schon sehr nach Verschleierung aus, dass sich Wulff das Darlehen der Unternehmersgattin Edith Geerkens über 500.000 Euro mittels eines anonymen Bundesbank-Schecks auszahlen ließ - "absolut unüblich bei einem Hauskauf", sagte der Baufinanzierungsexperte Max Herbst, Chef der FMH-Finanzberatung in Frankfurt am Main, der Zeitung. Derartige Bundesbankschecks bekomme kein normaler Kunde, sie seien für absolute Ausnahmegeschäfte mit großen Beträgen vorgesehen wie etwa bei Auktionen und Zwangsversteigerungen. Das Besondere an dieser Zahlungsweise sei die Verschleierung der Geldquelle, denn bei diesen Schecks erfahre "auch bei der Einlösung keiner, wer der Geldgeber ist". Es gehe "um das Verbergen der Finanzierungsabläufe".
Am Freitag wurden zudem Vorwürfe wegen Wulffs früherer Tätigkeit als VW-Aufsichtsrat laut. VW-Investoren halten ihm einem Bericht der "Wirtschaftswoche" zufolge vor, während der Übernahmeschlacht von Porsche und Volkswagen Pflichten verletzt zu haben. Fast 70 Banken, Versicherungen und Fonds fordern laut dem Bericht Schadensersatz in Höhe von 1,8 Milliarden Euro.
Ein Ende der Affäre Wulff ist nicht in Sicht. Das weiß auch Angela Merkel. Ihr Sprecher sagte am Freitag, es gebe keinen Moment, in dem festgestellt werden könne, nun sei ein Thema vorbei. otr/dpa/dapd/Reuters |