Mal wieder etwas aus meinem neuen amerikanischen Lieblingsblog, diesmal eine Vorschau zu all dem, was während und nach den laufenden Phase-3-Tests so alles passieren könnte: https://blogs.sciencemag.org/pipeline/archives/...the-vaccine-results
Im ganzen lesenswert. Ich will hier aber nur einen Aspekt herausgreifen: D. Lowe verweist auf die Möglichkeit, dass ein Impfstoff das Guillain-Barre-Syndrom hervorrufen könnte. Dies ist eine Überreaktion des Immunsystems, dass das eigene Nervensystem angreift und dadurch Muskellähmungen, einschließlich in schweren Fällen der Atem- und/oder Herzmuskulatur, auslösen kann. https://de.wikipedia.org/wiki/Guillain-Barr%C3%A9-Syndrom
"Häufiger gehen aber Infektionen mit anderen Erregern voraus, in erster Linie ist das Campylobacter jejuni, aber auch Viren wie Epstein-Barr-Virus,Cytomegalievirus, das Varizella-Zoster-Virus oder SARS-CoV-2 sind beschrieben. In seltenen Fällen wurde das Guillain-Barré-Syndrom im Zusammenhang mit Impfungen beobachtet. So konnte der erste kausale Zusammenhang in Rahmen der Impfung gegen die Influenzavirusvariante A/New Jersey/1/1976 (Die Schweinegrippe von 1976) bei US-Soldaten in den 1970er-Jahren angezeigt werden (1 Fall pro 100.000 Impfungen), wodurch das Impfprogramm eingestellt wurde. Bei Impfungen gegen Influenza wurde ebenfalls ein kausaler Zusammenhang festgestellt. " Na ja - wenn SARS-CoV-2 offenbar häufiger dieses Symptom (dass scheinbar für die schweren Beatmungsfälle verantwortlich ist) hervorruft, sollte dann nicht ein seltenes Auftreten dieses Symptoms nach einer Impfung toleriert werden? Generell eine interessante Frage, die letztlich die Zulassungsstellen zu beantworten haben. Klar ist jedoch, dass sie sich, sofern das Symptom irgendwann während der Phase 3 auftritt, einige Zeit für Abwägung und Entscheidung nehmen werden.
Was das ganze potentiell schlimmer macht, sind die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten schwedischen Studie. Dort wurde festgestellt, dass das Serum akut moderat bis schwer and CoViD-19 Erkrankter ein sehr hohes Niveau des Entzündungs- (Autoimmun-)Markers CD38 aufwies. Diese extreme Entzündungsreaktion ging scheinbar nicht direkt auf das SARS-CoV-2 Virus zurück. Stattdessen aktivierte es, im Wege der Kreuzreaktivität, vorhande CD8* T-Zellen gegen andere Viren, nämlich gegen Epstein-Barr (Pfeiffersches Drüsenfieber)- und Cytomegalie-Viren, welche dann das entzündungstimulierende CD38 ausschütteten. Das dritte für potentielles Auslösen des Guillain-Barre-Syndroms bekannte Virus, Varizella Zoster (Windpocken), wurde von den Schweden nicht betrachtet.
https://www.cell.com/action/showPdf?pii=S0092-8674%2820%2931008-4
Dies mag also bedeuten, dass ein Corona-Impfstoff kritische Reaktionen auslösen kann, wenn er bei Kandidaten zur Anwendung kommt, die T-Zellen gegen Epstein-Barr, Cytomegalie oder Windpocken-Viren besitzen. Und das sind wohl 50-90% aller Erwachsenen in Industrieländern, einschließlich aller gegen Windpocken Geimpften. Upps.. Nun haben die Schweden allerdings nicht untersucht, wie es zu dieser Kreuzreaktivität kommt, d.h. welcher Teil des Corona-Virus die T-Zellen gegen die anderen Viren aktiviert. Dies mag ein ganz harmloses Oberflächenprotein sein, daß mit dem Spike nichts zu tun hat, oder ein Teil der Replikationssequenz. Ich persönlich denke nicht, dass der Spike hier eine Rolle spielt - dann wären die bislang veröffentlichten Phase 1/2 Studien wohl nicht so positiv ausgefallen. Aber, wer weiss .. Generell dürfte es aber so sein, daß, je weniger Material von SARS-CoV2 ein Impfstoff enthält, desto größer die Chance, Kreuz-Reaktionen zu vermeiden. Von daher würde ich persönlich (Windpocken als Kind) von Totimpfstoffen, die ja quasi den vollen Virus enthalten, auf jeden Fall Abstand nehmen. Da der gesamte Komplex der Kreuzreaktivität bislang wenig erforscht ist, mag es da noch weitere unliebsame Überraschungen bezüglich anderer Virenarten geben. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie aus Singapur scheint es zwar eine positive (schützende) Kreuzimmunität zwischen Adenoviren und anderen Erkältungsviren (Grippe, Nicht-SARS-Coronaviren, Enteroviren) zu geben. Von daher dürften Adenoviren als Vektor bezüglich eines Corona-Impfschutzes eventuell sogar positive Nebenwirkungen zeigen. Andererseits wurde in Zellkulturen und Tierversuchen jedoch auch eine unerwartet hohe Kreuzreaktivität zwischen Adeno- und Gelbfieberviren nachgewiesen. Ob sich diese beim Menschen letztlich positiv oder negativ auswirkt, ist noch unerforscht.
https://academic.oup.com/jid/article/219/12/1913/5307035
https://journals.plos.org/plosone/...?id=10.1371/journal.pone.0146404
Auch bei Vektorimpfstoffen besteht also theoretisch ein erhöhtes Risko unliebsamer Überraschungen, hier nicht so sehr aufgrund von Kreuzreaktivität mit Corona-Proteinen, sondern auf solche mit dem Vektor (typischerweise Adenoviren) selbst. Generell am geringsten ist das Risiko bei mRNA-Impfstoffen, die nur sehr wenig (und sehr spezifisches) Virenprotein einschleusen bzw. erzeugen lassen. Es gibt aber noch ein weiteres potentielles Problem, dass nicht mit zu viel/ zu breitgestreuter, sondern mit zu spezifischer Virensubstanz zu tun hat: Die Entstehung infektionsverstärkender Antikörper: https://de.wikipedia.org/wiki/...onsverst%C3%A4rkende_Antik%C3%B6rper
"Das Phänomen des ADE wurde zuerst 1979 bei Infektionen von Rhesusaffen mit verschiedenen Subtypen des Dengue-Virus beobachtet, denen man zuvor als passive Immunisierung gegen Dengue-Virus gerichtete Antikörper verabreichte.[2] Ursache für den infektionsverstärkenden Effekt ist die Bildung von schlecht oder nicht neutralisierenden Antikörpern bei einer Infektion mit einem der vier Subtypen des Dengue-Virus oder eine zu geringe Konzentration von neutralisierenden Antikörpern. Besonders die Subtypen-übergreifenden (kreuzreagierenden) Antikörper, die gegen Epitope des E-Proteins der Dengue-Viren gebildet werden, zeigen eine infektionsverstärkende Wirkung. Werden beispielsweise nach einer Infektion mit dem Subtyp 1 Antikörper gebildet, so vermögen diese eine erneute Infektion mit dem Subtyp 1 zu verhindern und die Viren zu neutralisieren. Erfolgt eine Infektion mit einem sehr ähnlichen Subtyp 2, neutralisieren die gegen Subtyp 1 gebildeten Antikörper nicht den Subtyp 2, das bedeutet, nicht alle Oberflächenproteine eines Virions werden von Antikörpern abgedeckt. Die Viren binden nun die IgG-Antikörper mit ihrem Fab-Fragment, während das Fc-Fragment nach außen weist. Dieses Fc-Fragment wird von Fc-Rezeptoren der Makrophagen und Monozyten gebunden und eine Aufnahme der Viren und Infektion dieser Zellen eingeleitet. (..) Infektionsverstärkende Antikörper werden auch bei der infektiösen Peritonitis der Katze beobachtet, wenn es zu Reinfektionen mit den beiden Serotypen des felinen Coronavirus kommt. Dabei tritt der Effekt auch bei Reinfektionen mit dem gleichen Serotyp auf."
Kurz gesagt: Wenn der Impfstoff zu spezifisch konstruiert wurde (und dieses Risiko sehe ich v.a. beim CureVac-Impfstoff), schützt er zwar vor einem Stamm, mag aber gleichzeitig die Immunreaktion gegen andere Stämme ausschalten. Dass dieses Szenario mehr als nur theoretisch ist, demonstriert das bisherigen Scheitern der Entwicklung eines effektiven Impfstoffs gegen Katzen-Corona.
Dies alles ist nicht entmutigend gemeint - dafür wieder waren die Phase 1/2-Studien zu ermutigend. Aber für einige Kandidatengruppen sehe ich noch erhebliche Risiken in Phase 3 lauern. Allen voran ungeplante Kreuzreaktivität von Totimpfstoffen (Chinesen), in geringerem Maße auch Vektorimpfstoffen (AZ, J&J), und umgekehrt die mögliche Erzeugung infektionsverstärkender Antikörper bei CureVac (ich hoffe, daß sie auch in diese Richtung zumindest Labor-/ Tierversuche durchführen). Prinzipiell am besten aufgestellt sehe ich die mRNA-Impfstoffe von BioNTech, Moderna und auch NovaVax, wobei bei letzteren abzuwarten bleibt, wie verträglich die Peptid-Verpackung ist. |