Jetzt wurde der erste Fall bekannt, wo ein bereits genesener Patient sich erneut mit Corona ansteckte, und schließlich verstarb. Es handelt sich um eine 89-jährige Niederländerin mit Knochenmarkkrebs, die vor gut drei Monaten eine erste CoViD-19-Infektion mit relativ milden Symptomen gut überstanden hatte. Während der kürzlich begonnen Chemotherapie zeigten sich erneute Corona-Symptome, die sich nach acht Tagen verschlimmerten und nach zwei Wochen zum Tode führten. Der Fall ist natürlich speziell - bei einer solchen Patientin kann prinzipiell fast jede Infektion fatal ausgehen. Allerdings gibt es inzwischen Meldungen von weiteren Fällen, z.B. aus dem US-Staat Washington, wo eine Re-Infektion mit CoViD-19 schwerer ausfiel als die erste Infektion. https://edition.cnn.com/2020/10/13/europe/...on-death-intl/index.html
Zur Einordnung zunächst ein paar Zahlen: Stand heute sind insgesamt 23 Re-Infektionen bekannt (6 Indien, 5 NL, 4 Katar, je 3 Belgien, USA, je 1 Hong Kong, Equador - s. Link unten). Derzeit kann von etwa weltweit 30 Mio. Menschen ausgegangen werden, die eine CoViD-Erkrankung überlebt haben. Die Reinfektionsrate liegt damit in der Größenordnung von 1/Million. Gleichzeitig liegt die weltweite durchschnittliche Infektionsrate bei ca. 35/Million/Tag. Auf 5 Monate seit Abebben der "ersten Welle" hochgerechnet bedeutet dies eine kumulierte Infektionsrate seit Mitte Mai von 5.250/Million. Reinfektionen sind bislang also noch äußerst selten; ihre Häufigkeit liegt unter 0,2 Promille der Wahrscheinlichkeit einer Erstinfektion. https://bnonews.com/index.php/2020/08/covid-19-reinfection-tracker/
Dennoch stellt sich die Frage, wodurch Wiederansteckung möglich wird. Ein potentieller Faktor ist generelle Immunschwäche der Reinfizierten; dies kann insbesondere für die verstorbene 89-jährige Niederländerin wohl nicht ausgeschlossen werden. Daneben gab es einige Fälle, wo die zweite Erkrankung milder als die erste verlief - ein Zeichen dafür, dass die durch Erstinfektion erworbene Immunität wirkte. Besorgniserregend sind jedoch die bislang sechs Fälle, in denen die zweite Infektion schwerer als die erste ausfiel. Hier wurde teilweise, z.B. im oben erwähnten Fall aus Washington, eine neue, mutierte SARS-CoV2-Variante festgestellt, gegen den die während der Ersterkrankung erworbene Immunität offenbar nur unvollständig wirkte. Eine frisch veröffentlichte US-Studie kommt zu folgenden Ergebnissen: "We conducted a serological study to define correlates of immunity against SARS-CoV-2. Relative to mild COVID-19 cases, individuals with severe disease exhibited elevated virus neutralizing titers and antibodies against nucleocapsid (N) and the receptor binding domain (RBD) of spike protein. Age and sex played lesser roles. All cases, including asymptomatic individuals, seroconverted by 2 weeks post-PCR confirmation. Spike RBD and S2 and neutralizing antibodies remained detectable through 5-7 months post-onset, whereas α-N titers diminished. (..) We conclude that neutralizing antibodies are stably produced for at least 5-7 months after SARS-CoV-2 infection. (..)
Data suggest that resistance to re-infection may be less a function of durability of the immune response, and more one of breadth. Though the SARS-CoV-2 genome is diversifying slowly relative to other more mutable pathogens (Worobey et al., 2020), high levels of pre-existing immunity in communities could lead to the selection of rare viral variants that evade neutralizing antibodies (Greaney et al., 2020; Weisblum et al., 2020). "
https://www.cell.com/action/showPdf?pii=S1074-7613%2820%2930445-3
Kurzübersetzung: Alle Infizierten produzierten Antikörper sowohl gegen das SARS-CoV2 Nukleocapsid, als auch gegen die receptor binding domain (RBD) des Spike-Proteins. Während die Antikörper gegen das Nukleocapsid relativ schnell wieder verschwanden, blieben die Antikörper gegen die Spike-RBD 5-7 Monate lang erhalten bzw. wurden regelmäßig neu gebildet. Aufgrund dieser Ergebnisse scheint es unwahrscheinlich, dass Reinfektionen auf nur kurzfristige Immunität aus der Ersterkrankung zurückgehen. Vielmehr ist es denkbar, dass rare, mutierte Virenvarianten die Fähigkeit erwerben könnten, neutralisierende Antikörper zu umgehen. Was heisst das alles: 1. Eine durch Infektion oder Impfung erworbene Immunität sollte im Regelfall mindestens 5-7 Monate anhalten - möglicherweise länger (da fehlte bislang ausreichend Zeit zur Nachbeobachtung);
2. Noch besteht begründete Hoffnung, dass Strategien zur Herdenimmunisierung - sei es über Impfung, sei es über bewusste Durchinfektion weniger risikobehafteter Bevölkerungsgruppen - wirken könnten. 3. Mutationen von SARS-CoV2 - selten aber vorkommend - könnten bestehende Immunisierung jedoch umgehen. Daraus resultiert ein potentieller Bedarf für Nach-/ Auffrischungsimpfungen, die an neue Mutationen angepasst sind; analog zur heutigen Praxis bei Influenza. In diesem Zusammenhang noch Verweis auf einen anderen, etwas älteren Artikel " "This is the reason why a coronavirus vaccine offers better immunity than an actual infection"
https://www.abc.net.au/news/2020-09-16/...infection-covid-19/12668050
Der Autor verweist hier auf Erfahrungen mit anderen Impfstoffen, z.B. gegen Polio und Humanen Papillovirus, die zu höherer Immunität als vorangegangene Infektionen geführt hätten. Die Ursache sei, daß Impfstoffe spezifisch finegetuned (sorry fürs Denglisch) werden könnten, um kritische Elemente der Immunabwehr zu stimulieren, und dabei dann höhere Antikörperwerte als echte Infektionen erzeugten.
Vor diesem Hintergrund sei angemerkt, dass BioNTechs Corona-Impfstoff(e) - anders als traditionelle Tot-/Lebendimpfstoffe z.B. einiger Chinesen - sich auf die RBD des Spike-Proteins konzentrieren, und das Nukleocapsid ausblenden. Nach der oben zitierten US-Studie ist die Immunreaktion auf das Nukleokapsid nur kurzfristig, während Antikörper gegen den Spike längerfristig wirken.
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Wer sich im Übrigen etwas über die mögliche Einordnung der Studienpausen bei J&J und Eli Lilly informieren möchte, kann gelgentlich hier weiterlesen (Kommentare oft sehr lesenswert, diesmal bislang eher schwach, muss aber nicht so bleiben):
https://blogs.sciencemag.org/pipeline/archives/...-vaccine-trial-halt
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