und die anderen Parteien reagieren kopflos Nach den Erfolgen der Alternative für Deutschland in Bayern und Hessen rufen die Grünen dazu auf, «unsere Demokratie zurückzuerobern». Mit solchen anmassenden Appellen beschleunigen die etablierten Kräfte nur den Höhenflug der Rechten.
Viel ist in diesen Tagen die Rede von einer Zeitenwende. Womöglich trifft das grosse Wort rückblickend auch auf den 8. Oktober 2023 und die Landtagswahlen in Bayern und Hessen zu. Die Erfolge der AfD dort zeigen, dass eine Legende ausgedient hat, mit der sich weite Teile des politischen Betriebs bis zuletzt beruhigt haben: Die Alternative für Deutschland ist kein reines Phänomen des Ostens. Wer in zwei wichtigen Industrieländern von über anderthalb Millionen Menschen gewählt wird und neue Höchstwerte erringt, der ist auch im Westen gekommen, um zu bleiben.
Ohne einen Schlussspurt der Freien Wähler hätte die AfD nicht nur in Hessen, sondern auch in Bayern den zweiten Rang erreicht. Doch auch so sind 14,7 Prozent im Freistaat und 18,4 Prozent in Hessen Resultate, mit denen kein Demoskop rechnete. Die politische Konkurrenz wurde auf dem falschen Fuss erwischt und hat die Grösse der Herausforderung nicht erkannt.
Die SPD übernimmt keine Verantwortung
Wenn SPD, FDP, Grüne und CDU der Hoffnung anhängen, mit besserer Kommunikation und einer homöopathischen Kurskorrektur sei die AfD klein zu halten, werden sie das Gegenteil des Beabsichtigten bewirken. Dann bleiben die «Ampel» und die Union verlässliche Wahlhelfer für die AfD.
Die SPD, die den Kanzler stellt, in Bayern und Hessen aber implodierte, versucht es mit der Methode Abstreiten, Leugnen, Wählerbeschimpfen. Ihre Vorsitzende Saskia Esken macht die «Situation insgesamt im Land» für das Debakel verantwortlich. Die Menschen seien «sehr erschöpft und veränderungsmüde» und gingen deshalb «sehr leicht auf die scheinbar einfachen Antworten, die die Rechtspopulisten geben», ein. Da sei die «Gesamtgesellschaft» gefragt.
Wähler, die für die AfD votieren, wollen demnach nicht erkennen, wie sinnvoll die von der «Ampel» ins Werk gesetzten Veränderungen mit ihrem institutionalisierten Aktivismus doch sind. Dass diese Politik einhergeht mit einer Spaltung der Gesellschaft, mag Esken nicht der Kanzlerpartei zuschreiben, sondern einer diffusen «Situation insgesamt» – als wäre die Bundesregierung für die Folgen ihres Handelns nicht zuständig. So gleicht Esken einer Feuerwehrfrau, die beim Blick auf den brennenden Wald die Ungunst der Sterne beklagt, statt sich um Wasser zu kümmern.
Die Grünen wiederholen das ausgeleierte Motto von den «demokratischen Parteien», die gegen die Rechtspopulisten zusammenstehen müssten. Keinen der neuen AfD-Wähler, die sich in Hessen vor allem aus dem linken Teil des politischen Spektrums rekrutieren, vermochte diese Überschrift abzuhalten. Je mehr Menschen sich der AfD zuwenden, desto lächerlicher wird es, die rechte Konkurrenz als in Gänze undemokratisch zu delegitimieren. Auch ungeklärte Verbindungen zu Russland und China berechtigen bis jetzt nicht zu diesem wirkungslosen Pauschalurteil.
Die Grünen reden plötzlich populistisch
Entlarvend ist die Aussage der grünen Bundesgeschäftsführerin Emily Büning. Diese erklärte, die demokratischen Parteien müssten sich «unsere Demokratie zurückerobern». Als der bayrische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger gefordert hatte, die schweigende Mehrheit habe sich die Demokratie «zurückzuholen», forderten die Grünen Aiwangers Entlassung.
Nun greifen sie zum selben populistischen Mittel und belegen damit das Ausmass ihrer Verzweiflung. Sie wissen nicht, wie sie dem Höhenflug der AfD begegnen sollen, und wünschen sich eine informelle Allparteienkoalition. So verstärken sie die Selbsterzählung der AfD vom aufrechten Häuflein, gegen das sich der Rest der Welt verschworen habe.
Die verheerenden Folgen einer Migrationspolitik, an der die «Ampel» aus ideologischen Gründen festhält, werden der AfD weiter Wähler zutreiben, auch im Westen. Sämtliche Etikettierungen der ungeliebten Partei haben ihren Schrecken verloren, weil sie inflationär verwendet wurden. Gleiches gilt vom schal gewordenen Brandmauer-Pingpong. Wer sich um den demokratischen Diskurs sorgt, der sollte ihn hart, aber mit Argumenten führen und nicht mit Schmähreden wider Wähler, die von ihrem Wahlrecht demokratisch Gebrauch machen. https://www.nzz.ch/der-andere-blick/...el-reagiert-kopflos-ld.1759945 |