Interview zu MBT mit Analysten: Für den Fall, dass Mark Kerekes für die Aktionärsgruppe um Sentis Capital in den Verwaltungsrat gewählt würde, kündete CEO Hans Brändle seinen Rücktritt an. Ein Vorgehen, das beim Energieanalysten Eugen Perger auf Unverständnis stösst. Er sagt aber auch, dass eine Wahl von Kerekes unwahrscheinlich bleibt.
Das Unternehmen Sentis Capital PCC versucht, an der Generalversammlung einen Verwaltungsrat bei Meyer Burger zu installieren. Hat Sie das überrascht? Nein, eigentlich nicht. Meyer Burger hat in seiner jüngeren Firmengeschichte mehrere Hochs und Tiefs erlebt. Sentis Capital hat vor einigen Jahren bei einer wichtigen Kapitalrunde bei Meyer Burger mitgemacht und so dem Unternehmen geholfen. Die Gesellschaft des Russen Pyotr Kondrashev signalisiert nun, dass man weiter dabei sein will und mehr mitbestimmen will.
Wie legitim ist der Anspruch von Sentis Capital auf diesen angestrebten Verwaltungsratssitz? Die Aktionärsgruppe um Sentis Capital hält ungefähr einen Zehntel der Aktien von Meyer Burger. Sie hätten so gesehen durchaus ein legitimes Anrecht auf einen Sitz im Verwaltungsrat. Dieser Schritt zeigt aber auch, dass Sentis Capital nun nicht mehr Kapital einbringen, sondern mehr mitreden will.
Wie beurteilen Sie die Androhung des CEO von Meyer Burger, dass er zurücktreten werde, falls Sentis Capital diesen Sitz an der Generalversammlung zugesprochen bekäme? Das ist eine sehr aussergewöhnliche Vorgehensweise des Managements von Meyer Burger. So etwas habe ich während meiner Tätigkeit als Analyst noch nie erlebt. Die Kündigungsandrohung ist unverhältnismässig und unverständlich.
Welche Erklärungen gibt es für diese Reaktion? Es kann sich dabei nur um persönliche Animositäten zwischen dem CEO Hans Brändle und dem von Sentis Capital vorgeschlagenen Verwaltungsrat Mark Kerekes handeln. Denn auf der strategischen Linie liegen Sentis Capital und das Management von Meyer Burger gar nicht weit auseinander.
Inwiefern? Beide wollen in Zukunft für die Herstellung der neuartigen Heterojunction-Solarzellen exklusiv mit ausgewählten Kernpartnern zusammenarbeiten. Mit einem sogenannten Revenue Splitting Agreement kommt der Erlös aus dem Geschäft dann sowohl Meyer Burger wie auch den Partnerunternehmen zugute. Einen Vertrag hat man ja bereits abgeschlossen.
Ausgerechnet mit einem chinesischen Hersteller – obwohl gerade aus China die Kopien stammen, welche Meyer Burger bei der Produktion von Solarzellen mit der etwas älteren Perc-Technologie das Leben schwer machen. Ausgeschlossen ist es nicht, dass auch die neue Technologie ihre Kopierer findet. Wie gut die Exklusivität dieser Produktion durch das chinesische Unternehmen REC Solar geschützt ist oder nicht, hängt aber weniger von der Herkunft dieses Unternehmen ab. Entscheidend sind hierbei die Details der Verträge.
Besteht nicht vielmehr die Sorge, dass nun eine Gesellschaft eines russischen Oligarchen, der auf der Putin-Liste steht, ihren Wirkungskreis bei Meyer Burger mehr und mehr vergrössert? Auf der genannten Liste stehen führende russische Regierungsmitglieder und Oligarchen, gegen die das US-Finanzministerium 2018 Sanktionen vorbereitete. Diese Gefahr der Einflussnahme der russischen Regierung besteht bei Kondrashev so nicht. Man hat eine falsche Vorstellung von Kondrashev. Klar, muss man als reicher Russe mit Präsident Wladimir Putin klarkommen. Aber wenn man es sich genauer anschaut, stellt man fest, dass er wohl nicht im Dunstkreis von Putin steht. Vielmehr ist es bei Kondrashev ähnlich wie bei Viktor Vekselberg, der auch kein Wasserträger des russischen Präsidenten ist. Beide stehen auf der Putinliste, nur schon allein aus dem Grund, weil sie reiche Russen sind – und nicht weil sie eine besondere Beziehung zum russischen Präsidenten haben. Dazu kommt: Mit einem Verwaltungsrat wäre die Macht von Sentis Capital bei Meyer Burger so oder so nicht derart stark, dass man sich darüber Sorgen machen müsste.
Die Produktion von Solarzellen ist weltweit ein wirtschaftlicher Boom. Weshalb geht es Meyer Burger trotzdem nicht gut? Die Perc-Technologie ist am Auslaufen, weil die Produktion in China so viel billiger ist. Die Aufmerksamkeit gilt jetzt der nächsten Entwicklung, der Heterojunction-Technologie. Die Frage, die sich für Meyer Burger jetzt stellt, lautet: Wie kann man den Boom, den die Branche grundsätzlich erfährt, auch in diesem Unternehmen langfristig gewinnbringend umsetzen?
Etwas, das bis jetzt nicht gelungen ist. Liegt das eher an den Entwicklungen in der Branche oder an Fehlentscheiden auf Seiten von Meyer Burger? Eine schwierige Frage. Meyer Burger hat strategisch eigentlich nichts falsch gemacht. Zurzeit warten aber viele noch ab, ob die neue Technologie hält, was sie verspricht – und ob sich allfällige Investitionen in einen neuen Maschinenpark lohnen. Gerade auch der Handelskonflikt mit dem impulsiven Vorgehen des US-Präsidenten dürfte die Planungssicherheit stark verringert haben, was gerade bei Investitionsgütern wie Produktionslinien für Solarzellen den Anschaffungsentscheid stark erschwert.
Wird Meyer Burger die Kehrtwende schaffen? Über die nächsten zwei bis drei Jahre gesehen sieht es für das Unternehmen nicht schlecht aus. Es bietet ein gutes Produkt an – und aus den Verkäufen von Gebäuden und Geschäften hat man Kapital geschöpft. Die Aufträge werden zumindest kurzfristig sicher reinkommen. Die Gefahr ist, dass dies ein Strohfeuer bleibt. Denn langfristig gesehen bin ich skeptisch. Denn die neuen Maschinen sind teuer, und viele Unternehmen sind noch zufrieden mit der älteren Technologie. Diese Zurückhaltung könnte so lange dauern, dass sie für Meyer Burger zum ernsthaften Problem wird.
Kommen wir zuletzt noch einmal auf die Frage nach dem Verwaltungsratsmandat für Sentis Capital zurück. Wird Mark Kerekes am 30. Oktober im Stade de Suisse als neuer Verwaltungsrat gewählt? Ich denke, dass dies ein sehr schwieriges Unterfangen wird. Ursprünglich wollten sie gar zwei Sitze, nun noch einen. Diese Vorsicht von Sentis Capital zeigt auch, wie sie selber ihre Chancen einschätzen.
Was passiert, wenn Mark Kerekes nicht in den Verwaltungsrat kommt? Ist es vorstellbar, dass die Sentis Capital ihre Aktien von Meyer Burger verkaufen wird – und was würde das für Meyer Burger bedeuten? Ich denke eher nein. Sentis ist schon lange ein bedeutender Aktionär und hat mit Meyer Burger bereits mehrere Hochs und Tiefs erlebt. Sollten die Schwierigkeiten bei Meyer Burger zunehmen, wäre Sentis mit seinem finanzstarken Eigner im Hintergrund ohnehin in einer starken Position.
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