"Sehr geehrter Herr XXXXXXXXX,
ich habe soeben ein Update zu folgendem Titel aus unserer Beobachtungsliste geschrieben und parallel eine SMS mit folgendem Inhalt verschickt: "FlatexDeGiro -27% nach BaFin-Auflagen und Prognosekürzung, Schlechte Presse überrascht und verärgert Anleger, doch Bewertung viel zu günstig: Nachkaufen. Heibel":
flatexDEGIRO
FlatexDeGiro wird erwachsen, Nachkaufen
Am Wochenende hat FlatexDeGiro bekannt gegeben, - dass die BaFin nach einer ausführlichen Untersuchung Auflagen erteilt hat, - dass der Vorstand erweitert wird, und - dass der Umsatz im laufenden Quartal niedriger ist, als prognostiziert.
Die Aktie startete heute vorbörslich mit -35% und notiert aktuell bei 7,46 EUR, -27% (Tradegate 12:53 Uhr). Damit ist die Positionsgröße in unserem Heibel-Ticker Portfolio auf 5,4% gefallen. Ich würde die Position auf die beabsichtigte Größe von 6% aufstocken, also den Kurssturz zum Nachkauf nutzen.
Es ist ein Desaster, dass aus heiterem Himmel für uns Anleger plötzlich hohe BaFin-Auflagen zu berücksichtigen sind. Die anderen beiden Meldungen hingegen waren absehbar: Die Ausweitung des Vorstands war bereits erwartet worden. FlatexDeGiro ist gewachsen und muss die verschiedenen Aufgaben auf mehr Schultern verteilen. Dass dieser Schritt nun parallel zu den Auflagen der BaFin gegangen wird ist in meinen Augen ein Zeichen dafür, dass sich das Unternehmen bewußt ist, dass die alte zwei-Vorstands-Struktur nicht mehr zukunftsfähig war.
Der Umstand, dass die Umsatzprognose auf "über 400 Mio. EUR" (zuvor 400-440 Mio. EUR) gesenkt wurde, ist ebenfalls für uns keine Überraschung. Wir haben in den vergangenen Wochen gesehen, dass die Handelsaktivitäten an den Börsen niedrig ist. Trotz steigender Kurse im Q4 ist der Handelsumsatz gering geblieben. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass die Kurse steigen, weil niemand mehr verkauft ... und nicht weil so viele kaufen wollen. Es ist keine Seltenheit, dass Korrekturtiefs bei niedrigem Handelsvolumen durchlaufen wird. Es mag zuvor einen Panik-Ausverkauf unter hohem Volumen geben, doch wenn die letzten Verkäufer aus dem Markt geschüttelt sind, dann folgt eine Phase mit niedrigem Handelsumsatz, bei dem die Kurse "wie von Geisterhand" nach oben klettern. Dies führt also leider dazu, dass FlatexDeGiro im laufenden Quartal den Umsatz an den unteren Rand der ursprünglichen Prognose festmacht.
Die wirkliche Überraschung ist die BaFin-Untersuchung und die darauf resultierenden Auflagen. Ich habe den Eindruck, FlatexDeGiro fühlte sich mit seiner IT sicher, die wesentlichen Auflagen zu erfüllen. Immerhin gab es erst vor zweieinhalb Jahren eine ausführliche Untersuchung in die IT des Unternehmens und sämtliche damals erteilten Auflagen wurden umgesetzt.
Doch offensichtlich muss nicht nur die IT, sondern auch die Organisation (Abläufe, Prozesse) an besondere Risikoaspekte angepasst werden. Das scheint CFO Muhamad Chahrour, der soeben einen Analystencall aus aktuellem Anlasse absolvierte, überrascht zu haben. Die Auflagen betreffen unter anderem die Praxis, Risikowerte im Portfolio mit komplexen Strategien abzusichern. Über die Absicherungsstrategien hat Flatex in der Vergangenheit jegliche Risiken, die sich im eigenen Portfolio befanden sowie Risiken, die sich aus den Kundenportfolien ergaben, abgesichert, so dass Null Euro dafür zurückgelegt werden mussten.
Da diese Risikostrategien nicht nach den erforderlichen Regularien eingegangen werden, muss FlatexDeGiro nun eine Sicherheit dafür hinterlegen. Dies umfasse den erwarteten Gewinn des laufenden Quartals in Höhe von 50 Mio. Euro. Diese Summe werde vollständig in die Rücklagen überführt, bis die Anforderungen der BaFin für den Absicherungsprozess erfüllt sind und die Summe dann wieder freigegeben werden kann. Man brauche dazu maximal bis Ende nächsten Jahres, so CFO Chahrour.
Ursprünglich hatte Chahrour noch vor wenigen Monaten in Aussicht gestellt, überschüssige Liquidität an die Aktionäre zurückzugeben. Gespannt warteten Anleger also auf weitere Informationen. Doch nun sieht es so aus, als sei diese Überschussliquidität erst einmal blockiert. das ist natürlich eine Enttäuschung. Doch es handelt sich dabei nur um eine Aufschiebung, nicht um eine Aufhebung, so Chahrour.
Meine Sicht der Dinge: CFO Chahrour und CEO Niehage sind die Newcomer in der Branche, die den etablierten Banken zeigen, wie Wachstum funktioniert. Dass sie dabei behördliche Auflagen erst dann. erfüllen, wenn man ihnen auf die Finger haut, ist in meinen Augen eine Mentalitätsfrage, die uns ehrlich gesagt nicht überraschen sollte. Wer zuerst die Behörden zufrieden stellt und danach an Wachstum denkt, wird die Behörden niemals ausreichend zufrieden stellen, wird sich also niemals um's Wachstum kümmern. Aber man wird ihm vertrauen können, was bei Geldangelegenheit sicherlich wichtig ist.
Doch als Newcomer konzentriert sich FlatexDeGiro auf bestimmte Aspekte des Angebots und geht auf Geschwindigkeit. Die Untersuchung der BaFin ist in meinen Augen ein Seegen für das Unternehmen, denn nun gibt es eine komprimierte Anforderungsliste, die das Minimum der erforderlichen Anpassungen beschreibt. Das wird nun umgesetzt, dauert ein bis zwei Jahre, und dann ist Flatex endlich bei den Erwachsenen Banken angekommen.
Ganz wichtig dabei ist, dass es keinen Vorwurf seitens der BaFin hinsichtlich bestimmter Geschäfte gab. FlatexDeGiro darf das Geschäft weiter betreiben, wie bisher. Es wurden keine Vergehen festgestellt, sondern lediglich Auflagen erteilt, die einen ordentlichen Ablauf sichern sollen. Ich sehe hier also nicht die Gefahr, dass da ein schwarzes Loch gefunden wurde, das in den kommenden Monaten immer neue Hiobsbotschaften hervorbringen könnte. Im Gegenteil, ich gehe davon aus, dass wir mit der heutigen Meldung die wesentlichen Informationen erfahren haben.
Hätte man das vorab sehen können? Nun, bei einer Aktie, die wir bei 20 Euro gekauft haben und die jetzt unter 8 Euro steht muss ich mir den Vorwurf gefallen lassen, dass dies eine miese Empfehlung war. Dennoch: für das Jahr 2023 wird ein Gewinn (EBITDA) von 175 Mio. Euro erwartet. Diese Erwartung bleibt bestehen. Mit der aktuellen Marktkapitalisierung von 800 Mio. Euro sprechen wir über den KGV von 4,5 für ein Unternehmen, das mit durchschnittlich 15% im Umsatz und Gewinn wächst. Also das ist so günstig, dass ich trotz der bislang verheerenden Performance nicht anderss kann, als die Position nachzukaufen".
Freundliche Grüße
ekip.de AG c/o Stephan Heibel
Herausgeber des Börsenbriefes Heibel-Ticker |