http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-12-18/...id=yhoo.headline
In diesem Artikel geht es darum, dass Yahoo! sich womöglich nicht ausreichend oder richtig um Tumblr "gekümmert" hat, aber so wirklich interessant wird dieser Artikel erst an der Stelle, als Ken Goldman's Aussage erwähnt wird, dass es sich hier um ein "demographisches" Problem handeln würde: Während Tumblr eher etwas für die junge Generation (und somit für die Küstenbewohner der USA) ist, ist das "klassische Yahoo!" eher etwas für die konservativen Bewohner im Landesinneren.
An solchen Aussagen kann man dann auch gut erkennen, was eines der größten Probleme von Yahoo! in den letzten Jahren gewesen ist: Das Unternehmen hat sich mehr und mehr in das "Schneckenhaus USA" zurückgezogen, während die anderen großen Player in der Branche massiv ins (westlich orientierte) Ausland expandiert sind. Ich habe auch eine Zeitlang für den deutschen Ableger eines US-Konzerns gearbeitet und es war mehr als auffällig, wie miserabel sich die Amerikaner mit den hiesigen Gepflogenheiten auskannten. Selbst der Versuch, die kulturellen Unterschiede im Allgemeinen als mögliche Ursache für den Misserfolg in Europa zu benennen, wurde schon im Ansatz als "Unsinn" abgetan. Der durchschnittliche Amerikaner ist kein Weltbürger. Er ist kleingeistig und engstirnig, was ganz sicher nicht an ihm selbst liegt, sondern an der Art und Weise, wie er aufwächst, was er in den Medien sieht und wie er mit der allgegenwärtigen Idee des "American Dream" konfroniert wird: Er hat eigentlich gar keine Möglichkeit, um einen unvoreingenommenen Blick über den Tellerrand zu erhaschen, weil ihm diese Grenzen nicht als Chance, sondern als Gefahren vorgestellt werden.
Während man es hier in Europa (und auch in Japan) sehr gerne sieht, wenn ein Manager über Auslandserfahrungen verfügt und sich nicht nur weltmännisch verhält, sondern auch so denkt, setzen sich die Amerikaner eher widerwillig in den Flieger, um für längere Zeit im Ausland zu arbeiten oder zu leben. Ohne ein kulturelles Verständnis für die Menschen in den Regionen außerhalb der USA werden sie aber auch die Märkte dort nicht wirklich begreifen und für sich gewinnen können. Gerade unser vielschichtiges Europa ist wohl eine Herausforderung, der man sich am Besten gar nicht stellt. Zumindest hatte ich sehr schnell die Lust verloren, den Managern in Texas am Telefon (!) erklären zu wollen, warum gewisse Dinge hier nicht so funktionieren, wie sie womöglich in Dallas problemlos umgesetzt werden können.
Natürlich haben wir hier in Europa einen Markt für Soziale Netzwerke, für digitale Magazine oder mobile Kommunikationslösungen, die auch in den USA große Resonanz finden, aber wir haben womöglich ein paar Besonderheiten, z. B. bedingt durch die vielen Sprachen und die vielen kulturellen Unterschiede auf relativ beschränktem Raum, die der amerikanische Manager nach seiner Stadford-Ausbildung (ohne mehrmonatigen Studienaufenthalt im Ausland) einfach nie erfahren hat und somit gar nicht einzuschätzen weiß. Ich hatte zwar immer schon eine Ahnung, dass das auch bei Yahoo! der Fall sein könnte, aber in Jackson's Präsentation gibt es eine Folie, in der man ganz deutlich sehen kann, wie stark gerade die Umsätze im Ausland bei Yahoo! abgebaut haben. Yahoo! hat die Welt leider nicht verstanden, deshalb ist es jetzt da angekommen, wo es ist. Seiten wie Tumblr und Flickr sind hier weitestgehend unbekannt, weil es einfach niemanden gibt, der zur Verbreitung hier beigetragen hat. Es gibt schlichtweg keine angepassten Marketingkonzepte und -methoden für Europa, und leider auch nicht für die anderen Regionen außerhalb der USA, die trotz immensen Wachstums (z.B. in Asien oder auch Südamerika) zu rückläufigen Zahlen bei Yahoo! geführt haben.
Google, Facebook, Amazon, Microsoft und viele andere Tech-Größen sind längst echte globale Unternehmen. Sie bedienen die Märtkte nicht zentral aus einem Glitzerstandort in Kalifornien, sondern haben ihre Marken längst auch in die Gehirne der Menschen vor Ort eingeprannt, weil sie dort präsent sind. Ihre Markennamen finden sich in unseren Innenstädten, auf Kartons, im TV und jedes Mal, wenn man seinen Computer oder sein Smartphone einschaltet. Es vergeht kaum eine Woche, wo mich nicht irgendein Google-Partner anruft, um mir irgendwelche Adwords-Einträge zu verkaufen. Die Hälfte meiner täglichen E-Mails hat irgendetwas mit Facebook, Microsoft oder Amazon zu tun. Facebook war mir vor ein paar Jahren noch vollkommen unbekannt, im Gegensatz zu Yahoo!. Heute hat mein Tag aber noch immer 24 Stunden und das, was ich davon in Facebook verbringe, ging ziemlich sicher zum Teil auch auf Kosten von Yahoo!, und das lag nicht daran, dass ich Facebook seit jeher lieber mochte, sondern weil alle anderen um mich herum plötzlich alle Facebook kannten, vor allem aber auch die, die zuvor von Yahoo! noch nie etwas gehört haben!
Yahoo! hat, wie es auch in diesem Artikel gut beschrieben ist, einfach keinen Marketingplan. Sie wissen nicht, wer sie sind, was sie sind und leider auch nicht, wohin sie wollen. Das ist die traurige Realität. Es ist nicht zu spät, um den aktuellen Status Quo noch ein wenig gewinnbringend auszuschöpfen, aber dazu muss man den vorgestellten Plänen von Eric Jackson in weiten Teilen nachkommen, die Kostenseite weitestgehend eindampfen und jeden Cent herausholen, der dann von gescheiteren Leuten sehr viel besser investiert werden könnte, als Marissa Mayer und ihre Leute bei Yahoo! es je könnten. Die zweite Möglichkeit wäre, ein Marketing-Genie á la Steve Jobs als CEO zu installieren und ihm richtig viel Geld in die Hand zu drücken, um jetzt noch einen "globalen" Turnaround finanzieren zu können. Dazu wäre es aber notwendig, auch die eine oder andere geschickte Investition oder Übernahme außerhalb der USA vorzunehmen. So wäre es natürlich eine sehr gute Idee gewesen, von AOL die Huffingten Post zu übernehmen oder aber T-Online (mit zig Millionen deutscher User) für nur ca. 100 Mio. Euro von der Deutschen Telekom. Da wäre auch eine echter und stimmiger Plan dahinter zu erkennen gewesen, als jetzt für $230 Mio. ein Shopping-Portal zu übernehmen, dass außer ein paar trendig gekleideten US-Amerikanerinnen kaum jemand kennt ...
Wie man es auch dreht und wendet - und egal wie man Yahoo! jetzt auch mittel- und langfristig aufstellen möchte: Marissa Mayer ist definitiv die falsche Person dafür und sollte schnellstmöglich ihren Schreibtisch räumen für jemanden, dessen Ausbildung und Erfahrung den nun zu gehenden Weg besser unterstützt.
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