Aufstieg mit Dünger Von Claus Peter Müller 03. September 2008 Otto Walterspiel sorgte sich um den Kalipreis. Der Rohstoff sei kostbar, aber viel zu billig, klagte der Vorstandsvorsitzende der Kasseler Kali und Salz AG, als er 1991 seinem Nachfolger, Ralf Bethke, eine Herkulesaufgabe überantwortete. Die Existenz des Unternehmens sollte sogar in Frage stehen. Die Erinnerung an diese schwere Zeit machte die Freude am Sommerfest der K+S am Kasseler ICE-Bahnhof noch größer, als Norbert Steiner, der K+S seit einem Jahr führt, den Aufstieg des Unternehmens in den Dax offiziell bekanntgab. Wer hätte davon zu Beginn der neunziger Jahre zu träumen gewagt? Damals kostete die Tonne Kali 140 Dollar. Die internationale Fertigung der Kalidüngemittel überstieg die Nachfrage um ein Drittel. Dann kam die Fusion der west- und ostdeutschen Kaliindustrie unter Führung der K+S. Unrentable Gruben in Ost- und Westdeutschland wurden geschlossen, etwa 3000 Kalimitarbeiter entlassen. Größter Erfolg der deutsch-deutschen Wirtschaftsgeschichte nach der Wende Die BASF verlor das Vertrauen in die Kaliindustrie. Sie wollte ihren Anteil von 76 Prozent an K+S 1996 an die kanadische Potash Corporation of Saskatchewan Inc. (PCS) für 250 Millionen DM gleichsam verschenken. Schließlich verhinderte Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) den Handel, indem er dem kartellrechtlich bedenklichen Geschäft die Ministererlaubnis verweigerte. Zum Börsenkurs
- Dann ging es aufwärts. 1998 schlossen K+S und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) die Fusion und Privatisierung der deutschen Kaliindustrie ab und besiegelten damit den größten Erfolg der deutsch-deutschen Wirtschaftsgeschichte nach der Wende. Indes hatte die BASF ihren Anteil an K+S auf etwa 20 Prozent gesenkt. Die neue Freiheit tat dem Düngemittelhersteller gut. Nun musste die K+S umdenken. Es musste nicht nur Düngemittel und Salz verkaufen, sondern es musste sich auch den Anlegern präsentieren.
- Gestiegener Lebensmittelkonsum erhöht Nachfrage nach Düngemitteln
K+S entwickelte eine Strategie des organischen Wachstums, kaufte von der BASF die Compo, einen Düngemittelhersteller, der auch den Endkunden belieferte, und begann über die Fertiva den Stickstoffdünger der BASF zu vertreiben. Das Gemeinschaftsunternehmen Esco, in dem Solvay und K+S ihre Steinsalzaktivitäten zusammenführten, machte die K+S zu einem europäischen Salzanbieter. 2004 übernahm K+S alle Anteile des Gemeinschaftsunternehmens. Esco wurde Marktführer auf dem Kontinent. Mit dem Kauf der Sociedad Punta de Lobos (SPL) in Chile stieg K+S 2006 zum zweitgrößten Salzhersteller der Welt nach den chinesischen Salzbetrieben auf. Im Kalimarkt ist K+S der viertgrößte Hersteller der Welt, aber der drittgrößte Anbieter, da einige Hersteller Anbietergemeinschaften bilden. Die kanadische Canpotex hält international 33 Prozent der Anteile, die russische BPC 23 Prozent und K+S 12 Prozent. Die langgehegte Erwartung, dass die Nachfrage nach Lebens- und damit auch jene nach Düngemitteln steigen werde, erfüllte sich. Für jährlich 80 Millionen mehr Menschen müssen auf weniger Fläche mehr Nahrungsmittel angebaut werden. Mit dem Wohlstand in Südamerika und in Asien stellen die Konsumenten ihre Ernährung um, verlangen nach mehr tierischen Produkten. Das wiederum bedingt eine größere Pflanzenproduktion, indes gentechnisch veränderte Hochleistungspflanzen, die sich immer häufiger durchsetzen, eine gezielte Düngung benötigen. K+S hält Preiskorrekturen bei Mais und Weizen für „kurzfristige Dellen“ Die Nachfrage nach Düngemitteln, vermutet man in Kassel, werde in den kommenden fünf Jahren um 3 bis 5 Prozent per annum wachsen, die der Fertigungskapazität von Kalidünger aber nur um 2 Prozent. Gegenwärtig hielten sich Angebot und Nachfrage mit 61 Millionen Tonnen die Waage, aber 2013 könnte die Nachfrage mit 78 Millionen Tonnen um etwa 10 Prozent über dem Angebot von 70 Millionen Tonnen Kalidünger liegen. Die Preise kletterten von 150 bis 180 Dollar je Tonne Kalidünger zu Beginn des Jahres 2007 auf gegenwärtig gut 730 Dollar in Asien und 630 Dollar in Europa. Schon gibt es Kontrakte über Lieferungen für 1000 Dollar nach Asien. Mit solchen Preisen kalkuliert K+S nicht. Aber die Preiskorrekturen in diesem Sommer auf den Märkten für Mais und Weizen hält K+S für "kurzfristige Dellen", da die Ernteprognosen heraufgesetzt worden seien. Russischer Milliardär mit elf Prozent beteiligt Heraufgesetzt wurden auch die Prognosen für Umsatz und Ertrag der K+S. 2008 will der Konzern den Umsatz gegenüber 2007 von 3,3 auf 5,3 bis 5,5 Milliarden Euro steigern und das Ergebnis vor Steuern und Zinsen von 0,29 auf 1,4 bis 1,6 Milliarden Euro. Seit Jahren schon kündigt K+S an, dass sie nach neuen Kalilagerstätten in Europa, Asien und Südamerika suche. Das Unternehmen sei zum Kauf oder zur Beteiligung an einem Gemeinschaftsunternehmen bereit. Doch den Ankündigungen folgten keine Taten. Zu Spekulationen über die Zukunft des Düngemittelkonzerns forderte die Beteiligung des russischen Milliardärs Andrej Melnichenko an der K+S im September vorigen Jahres heraus. Er hat die Beteiligung unterdessen auf etwa elf Prozent ausgebaut. Die BASF hält gut zehn Prozent der Anteile. Der Rest ist unter Kleinanlegern und institutionellen Anlegern breit gestreut. Melnichenkos Zukauf dürfte ebenso wie das glänzende Geschäft der K+S den Kurs der Aktie beflügelt haben. Er stieg von etwa 23 Euro zum Jahresende 2003 auf 162 Euro zum Jahresende 2007. Nach einem Aktiensplitt im Verhältnis 1 zu 4 im Sommer erreichte der Kurs 95 Euro in der Spitze, fiel aber auf eine Bandbreite von 76 bis 80 Euro zurück. Das Unternehmen erwartet wegen der Fundamentaldaten einen weiteren Anstieg des Kurses. Text: F.A.Z.
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