Berlin (dpa) - Nach den Aufgeregtheiten über einen möglichen Kurswechsel in der Finanzpolitik gab sich die rot-grüne Koalition zu Wochenbeginn als die Mannschaft, die auch im Sturm stramm Kurs hält.
Der Konsolidierungskurs werde beibehalten, der Reformkurs ohnehin und das Wachstum - trotz schwerer See - angekurbelt. Bei dieser von der Koalition harmonisch «Dreiklang» genannten Marschrichtung soll von allem etwas umgesetzt werden. Eine Abkehr vom einstigen rot-grünen Prestigeprojekt Haushaltskonsolidierung, die am Wochenende Spitzenkoalitionäre selbst noch andeuteten, wurde energisch zurückgewiesen: Eine «vollständige Fehlinterpretation» und «absoluter Quatsch».
Dass es sich bei diesem «Dreiklang» um drei Dinge handelt, die nur schwer miteinander vereinbar sind, weiß allerdings auch die Regierungskoalition. Daher wird seit Mitte vergangener Woche hinter den Kulissen nach Wegen gesucht, wie das laut Regierungssprecher Bela Anda «zarte Pflänzchen Aufschwung nicht kaputtgetrampelt» wird. Dazu müsse «sinnhaft» gespart werden: «Möglichst viel Konsolidierung auf der einen und möglichst viel Wachstum auf der anderen Seite», heißt es vielsagend. Wie das unterm Strich aussehen soll, bleibt aber unklar.
Fest steht bereits jetzt: Der Staat muss mit weiteren riesigen Steuerausfällen und Haushaltslöchern kämpfen. In diesem Jahr fehlen im Vergleich zur Etatplanung Koalitionskreisen zufolge 18 Milliarden Euro, im nächsten Jahr 15 Milliarden. Allerdings hat Finanzminister Hans Eichel (SPD) für 2004 schon 29 Milliarden neue Schulden eingeplant und 2005 rund 21 Milliarden. Und eigentlich sollte die Summe der Neuschulden wieder unter die Investitionen des Bundes gedrückt werden. Und das EU-Defizitkriterium - nicht mehr neue Schulden als 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - sollte nach drei Verstößen 2005 wieder eingehalten werden. Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Die Union sagt für 2004 sogar eine Rekordverschuldung von 45 Milliarden Euro voraus, was Rot-Grün zuletzt eine «Tartarenmeldung» nannte.
Wie vor diesem Hintergrund ein Zukunftsprogramm für Bildung und Innovation finanziert werden soll, bleibt die große Frage. Zumal mehr Ausgaben für Bildung und Innovation nicht gerade ein Konjunktur- Sofortprogramm sind. Angesichts immer neuen Etat-Hiobsbotschaften verweist das Finanzministerium seit Tagen auf den 13. Mai. An diesem Tag verkünden im thüringischen Gotha die Steuerschätzer von Bund, Ländern, Instituten und Bundesbank nach zweitägiger Klausur die erwarteten Steuereinnahmen. Ein neuerlicher Einbruch und die siebte Korrektur nach unten in Folge stehen jetzt schon fest.
In der Zwischenzeit sucht die Regierung nach Auswegen. Bis Ende Juni zum Kabinettsbeschluss über den Etat 2005 will sie nicht warten. Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine von Umfragetiefs gebeutelten Sozialdemokraten wollen die nach den Reformen zutiefst verunsicherten Verbraucher nicht weiter belasten. Das «Angstsparen» - mit fast 11 Prozent des verfügbaren Einkommens ist die deutsche Sparquote ein internationaler Spitzenwert - soll aufhören und der Privatkonsum angekurbelt werden. Das Konzept «Wirtschaft gesund konsumieren» ist allerdings schon im Osten gescheitert, wie grüne Haushälter monieren.
Bleiben noch Privatisierungserlöse, massiver Subventionsabbau, die Goldreserven oder höhere Schulden. Volkswirte warnen aber schon jetzt davor, die Konjunktur mit schuldenfinanzierten Ausgaben in Bildung und Forschung stimulieren zu wollen. Denn eine Binsenweisheit besagt: Neue Schulden sind die Steuern von morgen.