Du beschwerst Dich damit im Grunde über nichts weniger, als dass Leute in Online-Debatten die Wahrnehmungen, Überlegungen und Argumente, die sie nun mal haben, auch leidenschaftlich vertreten, und dass zwischen den einzelnen Argumenten, Überlegungen und Wahrnehmungen eben auch ein Widerstreit und Wettbewerb stattfindet - das ist aber nun mal Diskurs.
Wer das nicht möchte muss sich dem auch nicht aussetzen, oder in Kreisen diskutieren, wo er sich unter Gleichgesinnten bewegt.
Deine Diskursvorstellungen scheinen dabei am Ende immer irgendwo darauf hinauszulaufen, auf einer völligen Gleichberechtigung aller Positionen, Gedanken und Argumente zu bestehen, wobei qualitative Betrachtungen dabei genauso wenig eine Rolle spielen sollen, wie auch die Bestimmung von Grenzen und Werten.
So ist es dann ja aber nun mal nicht.
Es sind sogar gerade jene Dinge, die in gesellschaftlichen Diskursen bestimmt und verhandelt werden, der Grund, weshalb sie überhaupt geführt werden.
Noch unsinniger wird es, wenn Du den Leuten dann auch noch vorhalten möchtest, wenn sie sich mit ihrer Argumentation besonders Mühe geben, oder gar dass sie überhaupt Wert auf eine sinnvolle und angemessen Bestimmung von Begriffen und Stichhaltigkeit von Argumenten legen.
Dass sich bei solchen Kulturkampf-Debatten nicht nur Fronten gegenüberstehen, die wenig miteinander anfangen können, sondern sich auch wunderbar festbeißen und auch mal etwas impulsiver auf die Füße treten können, liegt dabei nun irgendwo ein bisschen in der Natur der Sache, nicht weil man meinte, sich hier gegenseitig verändern zu können, sondern weil Wahrnehmungen, Überlegungen und Argumente, die man hat, in solchen Debatten dann eben auch leidenschaftlich vertreten werden.
Das braucht Dir nicht zu gefallen, und Du brauchst Dich an solchen Debatten auch nicht zu beteiligen. Sich darüber zu beklagen, dass solche Debatten sind, wie sie sind, bzw. dass in Debatten nun mal gerungen wird, wie in Ihnen gerungen wird, …ist dann aber irgendwo schon ein bisschen albern, wie ich finde.
Der Vorteil, sich selber in solchen Online-Debatten zu engagieren liegt dabei m.E. darin, überhaupt mal die Gedanken und Dynamiken in den verschiedenen Lagern richtig kennenlernen und auch mal prüfen zu können, welche Argumente sie vortragen und wie sie andersherum auf die eigenen Argumente reagieren, und wie sie darauf reagieren, wenn man sie mit bestimmten Dingen konfrontiert - und manches kann dabei dann vielleicht auch überhaupt erst im Gefecht hitziger Debatten richtig offengelegt werden.
Dass Ausmaß, in dem der Antisemitismus heute auch in der (linken) Mitte unserer Gesellschaft wieder eine Rolle spielt, ist für mich über diese Debatten hier in den letzten Wochen dann z.B. auch überhaupt erst richtig greifbar und erfahrbar geworden. Natürlich findet man da genug in den Tageszeitungen, da bleibt es dann aber irgendwie ferner und abstrakter. |