und es hebt sich dann ja auch irgendwo positiv ab, von dem, was hier von manch anderen geschrieben wird, allzu viel anfangen, kann ich damit aber nicht...
"Bei diesem Konflikt in Israel ist die Ausgangslage sehr komplex und hat eine lange Vorgeschichte. Die Juden wurden überall in Europa ausgegrenzt, viele Berufe wurden ihnen lange verwehrt und es kam zu vielen Pogromen und dann zum ganz grossen Völkermord, dem eine Entrechtung und krasse Entwürdigung vorausging. So sind wir (alle) ein Stück weit belastet von der Vergangenheit und moralisch verpflichtet, das nicht zu vergessen. Aber es kann uns auch nicht völlig egal sein, wie der Staat Israel mit den Palästinensern umgeht."
Das ist selbstverständlich völlig richtig, wobei die Betonung auf "selbstverständlich" liegt. ...wer wollte Dir da schon ernsthaft widersprechen?
Aber was folgt denn daraus für Dich nun konkret im Hinblick auf das gebotene Maß an Solidarität, die man Israel nun gegenüber bringen muss, und für die Grenzen von Kritik, die da noch als angemessen erscheinen kann?
In allen Richtungen Verständnis und Empathie zu bekunden ist ja ganz schön, wenn dahinter jedoch jegliche Positionierung verschwindet, dann ist es das, was m.E. irgendwo gratis zu haben ist.
Wenn es am Ende vielleicht sogar nur dazu führt, die Grenzen gewisser moralischer Mindestanforderungen in Israel-Diskursen zu verwischen, dann wäre es sogar kontraproduktiv, ...sofern es sich dabei am Ende nicht etwa um das eigentliche Bestreben handelt.
"Wir Menschen sind wohl oder übel nicht immer sooooo gute Wesen."
Auch damit hast Du sicher Recht, aber aus einer solchen Erkenntnis kann ja nun nicht folgen, dass man bestimmte Dinge nicht mehr verurteilen, oder am besten gar nicht mehr darauf hinzuweisen bräuchte, oder sogar dazu angehalten wäre, bestimmten Dingen mit Appeasement, oder sogar noch mit Akzeptanz zu begegnen.
In einer Situation, in der Judenhass weltweit wieder salonfähig zu werden schein, und überall auch wieder verstärkte Übergriffe auf Jüdinnen und Juden stattfinden, das Anliegen auf Israelbezogenen Antisemitismus im Rahmen öffentlicher Forendebatten aufmerksam zu machen und diesen auch entsprechend zu verurteilen, als "gratis" zu bezeichnen, zeugt m.E. nicht nur von einer nicht sonderlich ausgeprägten Sensibilität für ethisch gebotene Bürgerpflichten, sondern in dieser besonderen Konfliktsituation auch von einem mangelnden Problembewusstsein.
Bereits im Lagebericht Antisemitismus von 2021 des Bundesamts für Verfassungsschutz liest sich z.B. folgendes:
"Es ist erschreckend, dass antisemitische Narrative mitunter bis in die Mitte der deutschen Gesellschaft anschlussfähig sind und als Bindeglied zwischen gesellschaftlichen Diskursen und extremistischen Ideologien dienen. Dies haben wir zunehmend bei den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen oder bei Kundgebungen zum Nahost-Konflikt gesehen und nehmen es aktuell auch vereinzelt im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wahr. Das Internet dient als Nährboden und stellt einen wesentlichen Dynamisierungsfaktor im aktuellen Antisemitismus dar. Es ist gemeinsame Aufgabe der Sicherheitsbehörden und der Zivilgesellschaft, jeder Form von Antisemitismus entschieden entgegenzutreten.“ https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/...ld-antisemitismus.html
"Wir Menschen sind wohl oder übel nicht immer sooooo gute Wesen. Nun kann man rumlaufen und immer rufen, ich bin gut und auf andere zeigen, die weniger gut seien, was aber oft ein Etikettenschwindel ist, denn das ist gratis und muss nicht belegt werden."
...das geht da schon sehr weit am Kern der Sache vorbei.
Letztlich meine ich bei Dir irgendwo einen Aufruf herauszulesen, bei israelbezogenem Antisemitismus mal nicht so genau hinzuschauen, nach dem Motto: Wer nicht völlig ohne diskursive Sünden ist, der Werfe den ersten Stein. Da wäre ich vor 10 Jahren vielleicht sogar irgendwo ein Stückchen bei Dir gewesen, aber doch nicht in so einer Situation, wie wir sie gegenwärtig erleben. |