Ich lese zur Zeit ein Buch des in Frankfurt lehrenden Philosophieprofessors Martin Seel. Es heißt Theorien, behandelt aber nicht das, was wohl die meisten unter Theorien verstehen, sondern vielmehr Anschauungen, die vom Menschen ausgehen.
Seine Themen sind Laster und Tugenden, richtiges und falsches Leben, Sinnestäuschungen, Schlaf, manchmal auch das eigene Schreiben. Fast immer geht es um die Frage: wie denken wir, wenn wir denken.
Das Buch hat keine Kapitel, besteht nur aus 517 kurzen Aphorismen.
Für ein philosophisches Buch ist es überraschend wenig unverständlich. Man muss keinen Aristoteles, Kant oder Wittgenstein gelesen haben, um seinen Ausführungen folgen zu können.
Aber man muss sich konzentrieren. Martin Seel schreibt zwar pointiert, aber nie plaudernd oder erzählend. Aus jedem Aphorismus will er das Bestmögliche rausholen. Wer unterhaltsame und witzige Weitschweifigkeit sucht, sollte nicht zum Buch greifen.
Die Lektüre ist manchmal etwas ermüdend (weil sich vieles wiederholt), manchmal aber auch wachrüttelnd. Auch wenn man nur lose drin blättert, finde ich immer wieder Sätze, über die ich gut weitersinnen kann oder die zum Zitieren taugen. Vieles ist allerdings auch so lapidar, dass es eigentlich in Nichtssagendes mündet. Zitieren kann man das trotzdem mal (z.B.: Mit sich im Reinen sind nur die Doofen; aus Aphorismus Nummer 84). Manches ist allerdings auch so klug, dass ich erstaunt bin.
Ein Buch zum Immer wieder mal Hineinschauen, wenn man mal nach was Zitierbarem und/oder nach einem kurzen klugen Gedankengang sucht.
Ich zitiere hier mal eine Stelle, die ich recht klug finde:
"Ohne vitale Interessen, die ich habe, ist alles Bemühen um richtiges Bemühen vergebens. Denn ich kann kein Bemühen einstellen, ohne dass sich ein anderes einstellt. Darum können wir nicht bestimmen, wer wir sind. Darum können wir nicht entscheiden, wer wir sein wollen. Entscheiden können wir nur, inwieweit wir die sein wollen, die wir sind (Aus dem Aphorismus Nummer 255)"
----------- Wer auf einen fahrenden Zug springt, ist im wirklichen Leben wagemutig, an der Börse risikoscheu. |